Der Marktgemeinderat Frammersbach steht einer Biosphärenregion Spessart positiv gegenüber. Das spiegelt sich in einem einstimmigen Beschluss wider, den das Gremium in öffentlicher Sitzung am Montagabend gefasst hat. Dieser besagt, dass die Gemeinde eine Bewerbung bei der Unesco zur Ausweisung eines solchen Gebietes unterstützt. Ob und wie sich die Gemeinde im Einzelnen mit Gebieten einbringen könnte, könne derzeit noch nicht entschieden werden, erläuterte Bürgermeister Christian Holzemer.
Der Knackpunkt seien, wie Holzemer erläuterte, gegenläufige Interessen: Derzeit werden weitere auch Vorrangflächen für Windkraftanlagen gesucht. Ausgeschlossen davon seien Naturschutzflächen. Genau um solche würde es sich aber in der Kernzone einer Biosphärenregion handeln.
Um dieser Problematik Rechnung zu tragen, entschied das Ratsgremium, eine Antragstellung für eine Biosphärenregion Spessart bei der Unesco grundsätzlich zu befürworten, aber einen eigenen Kernzonenbeitrag in Abstimmung mit der Forstbetriebsgemeinschaft und dem Landratsamt zu prüfen.
Stilllegungen schon beschlossen
Abgesehen von diesem Interessenkonflikt sind die Voraussetzungen der Gemeinde, sich mit einer Kernzone einzubringen, nicht schlecht. Schon im vorigen Jahr hatte das Ratsgremium entschieden, Waldflächen stillzulegen. Der Beschluss stand damals zwar nicht im Zusammenhang mit der möglichen Ausweisung einer Biosphärenregion, dennoch war in den Sitzungen auf die Möglichkeit hingewiesen worden, die stillgelegten Flächen auch dafür einbringen zu können.
Bevor das Gremium am Montag seine Entscheidung traf, hatte Sebastian Kühl einen Überblick über das Ergebnis der Machbarkeitsstudie "Biosphärenregion Spessart" gegeben. Kühl ist Sachgebietsleiter Landkreisentwicklung am Landratsamt Main-Spessart. Er erläuterte, dass es sich bei Unesco-Biosphärenreservaten um Modellregionen für nachhaltige Entwicklung handelt. Das Alleinstellungsmerkmal ist nach seinen Worten nicht der Wald, sondern die Vielfalt im Spessart.
Wenig neue Einschränkungen
Die erforderlichen drei Prozent der Gesamtfläche als Kernzone werden laut Kühl aktuell nicht über bestehende Schutzgebietskategorien erreicht. Nötig wären Neuausweisungen. Die Pflegezone, die mindestens zehn Prozent und zusammen mit der Kernzone 20 Prozent der Gesamtfläche einnehmen müsse, könne durch bestehende Schutzgebiete der Kategorien Natura 2000 und Naturschutzgebiete erfüllt werden. Somit ergäben sich dadurch keine neuen Einschränkungen.
Das gelte auch für die Entwicklungszone, die mindestens 50 Prozent der Gesamtfläche ausmachen müsse. Hier könne das Landschaftsschutzgebiet Spessart angerechnet werden. Das heiße, hinzu kämen bei der Ausweisung neue Einschränkungen nur für den Teil der Kernzone, der bislang noch keinen Status als Naturschutzgebiet mit Prozessschutz hat. Prozessschutz bedeutet, dass in die natürliche Entwicklung nicht eingegriffen wird.
Zum Unterschied dazu gibt es auch Naturschutzgebiete, bei denen der Ist-Zustand durch Zutun erhalten wird. Ein Beispiel ist der Erhalt von Wiesen durch Mähen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern ist laut Kühl die Biosphärenregionsverwaltung kein Träger öffentlicher Belange. Frei aus dem Behördendeutsch übersetzt heißt das, sie kann den Kommunen bei ihren Vorhaben nicht reinreden.
"Eine Biosphärenregion kann nur erfolgreich sein, wenn die Akteure dahinter stehen", sagte Kühl. Als Chancen für die Städte und Gemeinden zählte der Sachgebietsleiter unter anderem die Biosphärenregion als Dachmarke für Vermarktung und Wertschöpfung auf. Außerdem nannte er die Leistungen zur Umsetzung von Projekten und den Imagegewinn als lebenswerte und anziehende Region für Einheimische und Touristen. Staatliche Fördermöglichkeiten ergäben sich zum Beispiel für Mobilität, Landschafts- und Kulturpflege, Ortsentwicklung, Klimaschutz, Energie, demografischen Wandel und Gastronomie.
Zuarbeit erforderlich
Etliche dieser Punkte fanden sich in den Redebeiträgen der Ratsmitglieder und der Stellungnahme der Frammersbach Marketing eG (Framag) wieder. Sie befürworteten alle eine Biosphärenregion Spessart. Sie unterschieden sich lediglich in der Schwerpunktsetzung.
Norbert Meidhof, Fraktionssprecher der Freien Wähler, fragte nach dem personellen und finanziellen Aufwand, der auf die Gemeinde durch die Biosphärenregion zukomme. Kühl antwortete, dass das Projekt vom Einsatz der Teilnehmenden abhänge und verglich es mit der Zusammenarbeit im Naturpark Spessart e. V.. Es gehe ums Mittragen, Zuarbeiten und Mitbezahlen ohne festgelegte finanzielle Verpflichtung. Der Bürgermeister fügte hinzu, dass die Biosphärenregion die nötige Struktur darstelle.
Ihre Erfahrungen aus dem Ortsteil Habichsthal brachte Sandra Völp, Fraktionsvorsitzende der SPD, ein: Junge Leute blieben im Dorf oder kämen zurück. Das liegt ihrer Einschätzung nach an einem Wandel Richtung Nachhaltigkeit. Trotz mangelnder Busverbindungen biete Habichsthal Lebensqualität, die sie durch eine Biosphärenregion gestärkt sehen würde. Auch für den Tourismus sei das Siegel nicht zu unterschätzen. Urlaub in Deutschland sei wieder gefragt. Diesem Argument schloss sich Werner Friedel von den Grünen "100-prozentig" an.
CSU-Fraktionsvorsitzende Elisabeth Ruby bezog sich vor allem auf die Dachmarke, die auch eine Aufwertung der Region für die Bevölkerung darstelle. Florian Sauer (SPD) hob das positive Stimmungsbild hervor. Mit dem bereits gestarteten klimaangepassten Waldmanagement könne die Gemeinde das Ziel Kernzone anpeilen.
Hessen nicht ausgeschlossen
Zur Frage von Theo Anderlohr (FW), wie es mit einer grenzübergreifenden Region mit Hessen aussehe, antwortete Holzemer, dass das für Frammersbach eine feine Sache wäre, weil es dann mittendrin und nicht am Rand liegen würde. Kühl informierte, dass das nicht ausgeschlossen, aber auch nicht ganz einfach sei. Grund seien unterschiedliche Organisationsformen der Bundesländer. Er empfahl, erst mal den bayerischen Teil zum Laufen zu bringen und dann weiter zu sehen.
Zum Thema Einbringen des Staatsforsts, das Völp ansprach, spielte der Bürgermeister auf die Aussage des stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger an, wonach es von dieser Seite nichts gibt. In die Zuständigkeit des Wirtschaftsministers fällt auch der Staatsforst. "Jede Verhandlung fängt mit einer festen Position an", sagte Holzemer und wirkte dabei gelassen.