
Ist die Justiz auf dem rechten Auge blind? Diese Frage warf die Diskussion auf, die den Meldungen über einen Vorfall am Montag, 15. Juli im Regionalexpress 54 bei Lohr folgte. Zwei Männer aus Sachsen, 34 und 40 Jahre alt, hatten einen 64-jährigen Mann aus dem Landkreis Main-Spessart krankenhausreif geprügelt, weil dieser sie im noch fahrenden Zug angesprochen hatte.
Die Zweifel an den Ermittlungen, gründen dabei auf unterschiedlichen Darstellungen: Der 64-Jährige hatte gegenüber der Presse erklärt, er habe die beiden aufgefordert, ihre rechtsradikale Musik mit gewaltverherrlichenden Texten, die aus tragbaren Boxen schallten, abzustellen - woraufhin die beiden Männer über Minuten hinweg massiv auf ihn einschlugen. Die Behörden hingegen hatten veröffentlicht, er habe die beiden gebeten, die Musik leiser zu machen - und in ihrer Pressemitteilung keine Silbe über einen möglichen rechtsradikalen Hintergrund verloren.
Zwar hatte Peter Wolf, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion Würzburg auf Nachfrage der Redaktion eingeräumt, dass man - wegen deren Kleidung, Tattoos und Aussehen - rein optisch den Eindruck gewinnen könnte, die beiden Schläger seien dem rechtsextremen Milieu zuzuordnen. Doch solange dies nicht belegt werden könne, lege sich die Polizei nicht fest. Am Dienstagvormittag dann fiel die Entscheidung: Die Bundespolizei übergibt die Ermittlungen der Kriminalpolizei. "Wir haben auf den Handys belastbares Material gefunden", teilte Wolf auf Anfrage mit. Die Frage, ob Belege für einen rechtsradikalen Hintergrund sprächen, beantwortete er mit einem knappen: "Ja." Dies ist dann automatisch auch ein Grund für den Wechsel in der Zuständigkeit.
Schläger sind wegen diverser Gewaltdelikte vorbestraft
Wolf räumte auf Nachfrage ein, dass beide schon wegen "diverser Gewaltdelikte" verurteilt wurden. Einer habe gar noch unter Bewährung gestanden. Auf die Frage, ob diese im Zusammenhang mit einer politischen Gesinnung standen, antwortete Wolf: "Dazu sag ich nichts." Sein Schweigen in dieser Sache begründete er mit "ermittelungstaktischen Gründen" oder damit, dass die Polizei dies noch untersuche.
Indes bestätigte die Staatsanwaltschaft, dass die beiden Männer, die in Würzburg in den Regionalexpress zugestiegen waren, alkoholisiert waren. Der Alkotest habe bei einem 1,1, beim anderen 2,2 Promille ergeben.
Oberstaatsanwalt: Keine Detailauskünfte oder vorgreifliche Einschätzungen
Offene Fragen zur Tat und deren Hintergründe seien Gegenstand der laufenden Ermittlungen, begründete Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen die bisherige Zurückhaltung. "Ich bitte um Verständnis, dass hierzu vor Abschluss derselben keine weiteren Detailauskünfte oder gar vorgreifliche Einschätzungen erfolgen."

"Man muss die Polizei ihre Arbeit machen lassen und darf sich nicht vorschnell aus der Ferne ein Urteil über Tat und Motive bilden", greift Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann das Thema auf ihrem Facebook-Account auf. "Aber wenn den Ermittlungen wenige Wochen nach dem Mord an Walter Lübcke ... solch eine krude Sicht auf den Rechtsextremismus zugrunde gelegt wird, dann stockt mir der Atem", kommentiert sie eine Stellungnahme Wolfs.
Der Bayerische Rundfunk hatte den Pressesprecher zitiert mit der Aussage: "Da der Geschädigte deutscher Staatsbürger sei, vermute man bei der Tat keinen rechtsradikalen Hintergrund." Die Vorgesetzten bei der Bundespolizei sollten das klären, forderte die Grünen-Abgeordnete aus Hammelburg daraufhin auf Facebook. Die Bundespolizei wiederum reagierte umgehend per Twitter: "Sie können sich darauf verlassen, dass die @pol_by konsequent und unvoreingenommen ermittelt. Dazu gehört, dass wir jedem Verdacht nachgehen."

Am Geschehen selbst lassen die Aufzeichnungen der Überwachungskamera in dem doppelstöckigen Zugabteil keine Zweifel aufkommen. Wolf zufolge ging der 64-Jährige aufgrund der Fausthiebe zweimal zu Boden. Seine diversen Knochenbrüche rings ums Auge wurden im Krankenhaus Lohr behandelt, wo er nach vier Tagen wieder entlassen wurde.
Tipps der Polizei: Wie man sich bei Konflikten im Zug verhalten sollte
Wie in einer solchen Situation reagieren? Zu dieser Frage bezog Pressesprecher Wolf Stellung in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk. Grundsätzlich übe der Zugbegleiter in einem Zug das Hausrecht aus, stellte er klar. Im Zweifel solle man sich an ihn wenden, damit er gegebenenfalls weitere Maßnahmen ergreife.
Wer sich bei anderen Fahrgästen beschwert, solle dies bestimmt, aber höflich tun, so Wolf weiter. "Problematisch ist es natürlich bei aggressiven oder betrunkenen Personen, die auf so was nicht reagieren werden", führt er aus. In solchen Fällen solle man mit anderen Fahrgästen gemeinsam auftreten oder einen Notruf absetzen und die 110 wählen. Als die beiden Männer aus Sachsen zuschlugen, waren noch zwei Frauen im Abteil. Laut Bundespolizei wurden sie beide als Zeugen vernommen.
Leute ihr könnt mich umhauen, aber mich erinnert das verzweifelt an die Stellungnahmen zu Anfang der NSU-Mordserie. Sapperlot, war denn das den zuständigen Behörden keine Lehre?!