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Lohr
Projekttag "Überwachung 2.0?": Die meisten Daten liefern Bürger selbst
Zeitzeuge Mario Röllig sowie Janni Umlauf und Patric Dujardin (von links) diskutierten mit den Schülerinnen und Schülern über Freiheitsrechte und Überwachung. 
Foto: Thomas Josef Möhler | Zeitzeuge Mario Röllig sowie Janni Umlauf und Patric Dujardin (von links) diskutierten mit den Schülerinnen und Schülern über Freiheitsrechte und Überwachung. 
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 30.09.2022 02:39 Uhr

Beim Projekttag "Überwachung 2.0? – Wie uns unsere Grundrechte schützen" haben 75 Schülerinnen und Schüler der zehnten Jahrgangsstufe in der Georg-Ludwig-Rexroth-Realschule in Lohr über das Spannungsverhältnis zwischen Freiheit, Sicherheit und Überwachung diskutiert. Projektträger war "Die Multivision", ein Verein für Jugend- und Erwachsenenbildung, gefördert von der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Der womöglich interessanteste Teil der Veranstaltung kam allerdings nicht zustande. Die geplante abschließende Podiumsdiskussion mit Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft sei daran gescheitert, dass der angefragte Personenkreis "keine Zeit" gehabt habe, erklärten Patric Dujardin und Janni Umlauf von Multivision im Gespräch mit dieser Redaktion.

Die staatliche Überwachung in der DDR sei für die Schülerinnen und Schüler noch überhaupt kein Thema gewesen, erläuterten die beiden. Das hat sich beim Projekttag geändert. Mario Röllig aus Berlin berichtete von seiner Haft und Stasi-Verhören nach einem gescheiterten Fluchtversuch.

Zweiter Geburtstag

Mit Hilfe von Spendengeldern sei er von der Bundesrepublik freigekauft worden: "Ich habe etwa 90.000 Mark gekostet." Allerdings durfte er nicht sofort ausreisen, sondern musste sich zunächst als Hilfsarbeiter verdingen, bevor er im März 1988 in einen Zug nach Westen gesetzt wurde. Diesen Tag feiere er als seinen zweiten Geburtstag, so Röllig.

Als er 1997 Einblick in seine Stasi-Akte nahm, musste er feststellen, dass er von fünf Menschen aus seinem Umfeld überwacht wurde: zwei Kollegen, zwei Nachbarn und seinem vermeintlich besten Freund. Seitdem fällt es Röllig schwer, jemandem wirklich zu vertrauen. Die meisten Berichte in der Stasi-Akte waren noch handgeschrieben.

Mittlerweile sind die technischen Möglichkeiten viel weiter. Dujardin meinte, die Stasi würde daran ihre helle Freude haben. Mithilfe einiger Einspielfilme erfuhren die Schülerinnen und Schüler von der massiven staatlichen Überwachung in China durch Internetzensur und unzählige Kameras im öffentlichen Raum, um die Menschen zu einem systemkonformen Verhalten zu bewegen.

"Chilling Effect"

"Die Schüler würden sich mehr an die Schulordnung halten", meinte ein Zehntklässler auf die Frage von Janni Umlauf, was passieren würde, wenn der Schulhof mit Kameras bestückt wäre. Genau dieser sogenannte "Chilling Effect" ist laut Umlauf gewollt, also die einschüchternde Wirkung der Überwachung, die Bürger davon abhalte, von ihren Rechten Gebrauch zu machen.

Allerdings wurde beim Projekttag deutlich, dass nicht nur der Staat Daten sammelt. Viele Firmen verfolgen die Internetaktivitäten von Menschen und erstellen Interessens- und Konsumprofile von Kunden. Dujardin und Umlauf machten deutlich, dass diese gesammelten Daten negative Folgen haben können, etwa Erkenntnisse über das Fahrverhalten beim Abschluss einer Versicherung oder über sportliche Aktivitäten beim Krankenkassentarif.

Den Schülern war bewusst, dass sie die meisten Daten über Smartphone und Computer selber liefern, und sie kannten auch einige Abhilfen wie etwa restriktive Einstellungen, was Apps auf dem Smartphone dürfen. Aber den Internetkonsum deutlich einschränken oder gar länger aufs Smartphone verzichten wollte eigentlich keiner.

 
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