
„RuDiMacht's!“ steht als Name für das Leitbild: Rummelsberger Diakonie unterstützt Demenzerkrankte, Angehörige, Senioren in Marktheidenfeld – aufgeschlossen, christlich, hilfreich-kompetent, transparent und sozial.
Im diakonischen Seniorenzentrum Haus Lehmgruben stellten die Rummelsberger Dienste für Menschen im Alter am Freitag eine in Marktheidenfeld neuartige Beratungs-, Kontakt- und Koordinationsstelle für Menschen mit Demenz und deren pflegende Angehörige vor. Dazu begrüßte Diakon Ulrich Gräßel als Hausherr viele Gäste aus dem Altenpflegewesen, der lokalen Politik und den christlichen Kirchen sowie Betroffene.
Main-Spessarts Landrat Thomas Schiebel sah bei seinem Grußwort in der Demenz eine wachsende Anforderung für die Gesellschaft. Der evangelische Dekan Michael Wehrwein (Lohr) erinnerte an das Gleichnis vom barmherzigen Samariter und bezeichnete die neue Beratungsstelle als im Grunde längst überfällig.
Bernhard Pammer, stellvertretender Geschäftsführer der Rummelberger Dienste, hob die Bedeutung zielgerichteter Beratung für pflegende Angehörige hervor und wünschte der neuen Einrichtung viel Erfolg. Marktheidenfelds Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder sagte einem wachsenden Netzwerk der Pflege in der Stadt Hilfe zu, in dem erfreulich viele Ehrenamtliche freiwillig wichtige Aufgaben unternähmen.
„Als einen Ausflug in eine andere Welt“ überschrieb der leitende Arzt am Geriatrischen Zentrum des Klinikums Main-Spessart in Marktheidenfeld, Dr. Volker Heinbuch, sein Referat zur Frage, ob sich Gedächtnisstörungen verstehen ließen. 1,3 Millionen Demenzerkrankte zähle man gegenwärtig in Deutschland mit jährlich 100 000 Neuerkrankungen und wachsender Tendenz in einer alternden Gesellschaft. Wichtig seien vor allem die Alzheimer-Erkrankung und die vaskuläre Demenz, wobei die Mehrzahl von Fällen Mischformen aufwiesen.
Warnzeichen seien der Verlust des Kurzzeitgedächtnisses und von Fähigkeiten des täglichen Lebens. Demenz bedeute für Angehörige einen großen Leidensdruck. Wichtig sei ein einfühlsamer Umgang mit Demenzerkrankten. Dabei sei die Anpassung an die veränderte Welt bedeutsam sowie die Zeit, sich darauf einlassen zu können. Empathie, Kraft, Geduld und Respekt seien nötigt, um mit einer multidimensionalen Therapie noch wertvolle Jahre mit erkrankten Angehörigen erleben zu können.
Die Sozialgerontologin Dr. Martina Wolfinger von der Universität der Bundeswehr in München gab Einblicke in die Belastung pflegender Angehöriger und wies auf Ansätze zu deren Unterstützung hin. 2,5 Millionen Pflegebedürftige würden derzeit zuhause versorgt und viel zu oft würden dabei Hilfe nicht angenommen. Man wolle die Privatheit schützen oder der zu pflegende Angehörige wünsche das nicht. Man fürchte, bei anderen auf kein Verständnis zu stoßen oder glaube, alles schon irgendwie selbst in den Griff zu bekommen. Dabei gebe es gute Gründe, die Pflege zu übernehmen: Liebe und Verantwortung oder Glaube etwa, aber durchaus auch finanzielle Erwägungen. Die Pflege wiederum belaste aber psychisch, körperlich, zeitlich, sozial und finanziell.
Es gebe auch praktische Barrieren, machte Wolfinger deutlich und nannte wie Öffnungszeiten, Kosten oder Unkenntnis. Deshalb sei es wichtig Angebote gezielt zu gestalten, um das Ziel einer demenzfreundlichen Stadt erreichen zu können. Es gehe darum Barrieren nicht nur baulich abzusenken, sondern ein engmaschiges Hilfs- und Beratungsnetz zu knüpfen.
Zwei Jahre habe es benötigt, um von der Idee zur Realisierung schreiten zu können, meinte Sozialpädagogin Friederike Döring als Leiterin des Projekts „RuDiMacht's!“ Mit Unterstützung des Deutsche Hilfswerks-Deutsche Fernsehlotterie könne zunächst eine Beratungsstelle mit 20 Wochenstunden besetzt werden. Dazu kommen 15 000 Euro Fördermittel aus dem Bundesministerium für Familie, Senioren und Frauen. Man wolle niederschwellige Entlastungs- und Betreuungsangebote machen und bilde dafür erste ehrenamtliche Demenzbegleiter aus.
Im Haus Lehmgruben werde eine eigene Betreuungsgruppe aktiv werden, um das Ziel eines demenzfreundlichen Marktheidenfelds durch Vernetzung mit anderen Einrichtungen zu erreichen. Wohnortnah, kostenlos und persönlich wolle man beraten und für ein wertschätzendes Umfeld mit tragfähiger sozialer Infrastruktur für Betroffene sorgen. Vorerst sei das Projekt auf drei Jahre angelegt, das man aber nachhaltig mit Geduld und Motivation weiter gestalten wolle.