Das Jubiläum „60 Jahre Burg-Lichtspiele Mühlbach“ feiern der Geschichts- und Heimatverein Mühlbach 1987 ab Freitag, 24. Oktober, und die Kinobetreiber Familie Dunst ab Sonntag, 9. November, gleich mit zwei großen Veranstaltungen. Über 50 originale Filmplakate präsentiert der Würzburger Sammler Franz Scheiner eine Woche lang im historischen Rathaussaal in Karlstadt. Wilfried Dunst und seine Familie zeigen ebenfalls eine Woche lang in ihrem Kino zu stark herabgesetzten Preisen vier Filmklassiker, die vor sechs Jahrzehnten große und kleine Cineasten in Scharen ins Kino lockten.
1954 gab es im damaligen Landkreis Karlstadt mit seinen 48 Gemeinden in Mühlbachs Nachbarschaft einige Kinos: die Filmbühne (Lichtspiele = LiKa) Karlstadt seit 1927 und das „Dixi“ in Karlstadt seit 1954, beide geführt von Oswald und Lina Dix in Karlstadt, die Carli-Lichtspiele in Zellingen, das Schlosstheater in Thüngen und die Lamm-Lichtspiele in Arnstein. Filmvorführer bei Dix in der Hauptstraße/Ecke Färbergasse in Karlstadt war der Mühlbacher Fritz Schubart, ein Elektriker im Steinbruch des Zementwerks Schwenk.
Der belgische Kriegsgefangene Louis Flamme, der mit Kameraden in einer Halle am Gasthaus „Zur Karlsburg“ untergebracht war, hatte 1945 Irmgard, die Tochter von Gastwirt und Bürgermeister Leo Gehret, geheiratet und von seinem Schwiegervater das Grundstück neben dem Gasthaus übereignet bekommen. Die Kino-Ära in Mühlbach hielt Einzug mit August Gregarek. Der Rundfunkmeister hatte die Reparaturwerkstatt „Radio-Zentrale-Gregarek“ in der Alten Bahnhofstraße 17. Sein Partner wurde Friedrich (Fritz) Mantlik, der in der Schulgasse 13 eine Fisch-, Wild- und Geflügelhandlung betrieb. Beide Karlstadter pachteten Flammes Grundstück, und der riss die Halle ab. Der Plan: ein Kino.
Die breite Cinemascope-Leinwand war hochmodern, das Kino verfügte über 304 Sitzplätze. In dem Premierenfilm „Es wird immer wieder Tag“ zur Eröffnung am 16. Dezember 1954 flog Pilot John Wayne über die Leinwand. Der weltberühmte Filmhaudegen war später noch öfter in Mühlbach zu Gast, meist aber zu Pferd.
Im Januar 1956 übernahm Louis Flamme die Lichtspiele. Er war damals 36 Jahre alt und machte die Burg-Lichtspiele zum Familienunternehmen – mit ihm als Filmvorführer, seiner Ehefrau Irmgard an der Kasse und den jugendlichen Töchtern Bärbel und Traudl als Platzanweiserinnen. Von Anfang an traf Flamme den Zeitgeschmack in den Jahren des Aufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg. Heimatfilme lockten vor allem die Erwachsenen ins Kino, die sich nach Nazi-Gräuel, Bomben und Zerstörung nach der heilen Filmwelt sehnten. Märchen und Comics aus Walt Disneys Trickwerkstatt lockten die Kleinen. Und die starke Klientel, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, wollten Karl-May-Verfilmungen und Western sehen. Epen wie „Ben Hur“ oder „Spartakus“ sowie religiöse Streifen wie „Die Zehn Gebote“ waren eine gefragte Spezialität der Burg-Lichtspiele Mühlbach. Natürlich hatte Louis Flamme auch Schlager- und Liebesfilme, Krimis und später auch wieder Kriegsfilme im Programm.
Zu Beginn der „Augsburger Puppenkiste“ um 1958 gastierte das berühmte Puppentheater in Mühlbach. Max Greger und seine noch unbekannte Big-Band funktionierten den Kinosaal 1955 zu einem Konzertsaal um. Sonntags um 15 Uhr war die Kinder- und Jugendvorstellung zu herabgesetzten Eintrittspreisen mit den beliebten „Fuzzy“- und „Zorro“-Filmen meist ausverkauft.
Der Einzug der Fernsehgeräte in die Wohnzimmer läutete die große Kinokrise ein. In Karlstadt schlossen die beiden Dix-Landgraf-Kinos 1969. Louis Flamme machte weiter. Er hatte meistens die aktuellsten Filme. Sein Nachfolger ab 3. Oktober 1991, Wilfried Dunst (mit seiner Frau Milagros), konnte die Qualität noch steigern. Die Burg-Lichtspiele Mühlbach wurden Premierenkino. Läuft in Deutschland ein groß angekündigter Film an, startet er oft zur selben Stunde auch in Mühlbach. Ganz großes Kino zu zeigen, hat allerdings seine Schattenseite: Drei bis vier Wochen darf Dunst nur diesen einen Streifen als Hauptfilm zeigen.
Mit der „Filmauslese“ gemeinsam mit der Volkshochschule hält sich Dunst seit 1993 einen Freundeskreis filmischer Kunstwerke und kleiner Kostbarkeiten auf Zelluloid und jüngst auch digital. Sein Einsatz, unbekannteren Filmschaffenden eine Nische zu geben und deutsche Produktionen zu zeigen, erscheint dem FilmFernsehFonds Bayern seit Jahren auszeichnungswürdig. Jedes Jahr nehmen Wilfried und Milagros Dunst von Staatsministern Dank, Anerkennung und einen Scheck für ihre außergewöhnlichen Leistungen als Kinobesitzer entgegen. 2012 stellte Dunst auf Projektion in Digitaltechnik um.
In den vergangenen zehn Jahren begrüßten Wilfried Dunst und seine Frau Milagros – sie ist die Geschäftsführerin – auch Autoren, Schauspieler und Dokumentarfilmer. Es gab Kabarett und Musik-Events und – hier bleibt Dunst seinem Angebot als Nischenkino treu – Uraufführungen von Alex Weimers Kurzfilm „The Typewriter“ (2004) und seinem Spielfilm „Fremdkörper“ (2010).
Quellen: Jahrbuch Karlstadt 2004 („Vor 50 Jahren flog John Wayne über die Leinwand“) und Buch „Karscht 800“ mit Main-Post-Beiträgen zum Stadtjubiläum im Jahre 2000.
Veranstaltungen zum Jubiläum
Zum Jubiläum der Burg-Lichtspiele eröffnen der Geschichts- und Heimatverein Mühlbach und Franz Scheiner am Freitag, 24. Oktober, um 17 Uhr vor geladenen Gästen die Filmplakate-Ausstellung im historischen Rathaussaal. Von etwa 18.30 bis 20 Uhr steht die Schau allen Interessierten offen. Weitere Öffnungszeiten sind: Samstag, 10 bis 16 Uhr, Sonntag, 13 bis 17 Uhr, sowie von Montag, 27. Oktober, bis Freitag, 31. Oktober, von 10 bis 14 Uhr und von 17 bis 19 Uhr. Der Eintritt ist frei.
Zur Geburtstagsfeier am Sonntag, 9. November, öffnen Wilfried und Milagros Dunst mit Sohn Christian und Tochter Carolin die Burg-Lichtspiele für die Öffentlichkeit um 11.15 Uhr. Cineast und Filmkritiker Horst Köhler aus Marktheidenfeld erinnert kurz an 60 Jahre Kino in Mühlbach. Danach läuft der Jubiläumsstreifen „Die Brücke am Kwai“ (1957) mit Alec Guinness, William Holden und Jack Hawkins. Weitere Vorführungen des Klassikers von Regisseur David Lean sind am Dienstag und Mittwoch, 11. und 12. November, um 20 Uhr.
Für das ganz junge und ältere Publikum zeigt Dunst noch folgende Filme (jeweils um 15 Uhr): „Heidi“ (1952, in Schwarz-Weiß) mit Elsbeth Sigmund am Freitag, 14. November; „Der Dieb von Bagdad“ (1940, in Farbe) am Samstag, 15. November, und „Das doppelte Lottchen“ (1952, in Schwarz-Weiß) mit Jutta und Isa Günter sowie Theo Lingen am Sonntag, 16. November. TEXT: MATZ
ONLINE-TIPP
Mehr Informationen über das Mühlbacher Kino finden Sie unter www.burglichtspiele.de