Zwei Jahre mussten Maria Emsden und ihre kleine Schauspielertruppe wegen der Coronakrise warten, bis jetzt endlich im Theater in der Gerbergasse der Vorhang für das Stück "Konrad oder Das Kind aus der Konservendose" von Christine Nöstlinger hochgehen konnte. Klar ist: Das Warten hat sich gelohnt.
Berti Bartolotti ist völlig am Ende. Als Künstlerin, Chaotin und Messi bestellt sie neben einem Zentner Reißnägel jede Menge Zeugs, das sie eigentlich nicht brauchen kann. Längst hat sie die Übersicht verloren, als eines Tages eine blaue Tonne geliefert wird. Aus der steigt Konrad, ein Instantkind der Firma Wunderkind GmbH.
Mit dieser Lieferung ändert sich schlagartig das Leben der unsteten Berti, ihrem disziplinierten Freund Egon und natürlich dem Retortenkind Konrad. Dieser ist eigentlich der Wunschtraum aller Eltern, weil bei seiner Produktion auf bestmögliche Anpassung, vorbildliche Manieren und braves Verhalten programmiert. Während Egon von dem Kind fasziniert ist, steht Bertis Weltbild Kopf. Deftige Kraftausdrücke und anzügliche Lieder werden von Konrad heftig kritisiert. Im weiteren Verlauf des Stücks müssen jetzt alle drei eine Verwandlung durchmachen. Der Junge muss lernen, sich wie ein "normales" Kind zu benehmen. Seine völlig unerfahrene Mutter Berti muss nun für die Versorgung, für Kleidung und einen geregelten Tagesablauf sorgen und der eher langweilige Egon entdeckt die Lust an Spontaneität.
Nichts an Aktualität verloren
Das Stück von Christine Nöstlinger ist zwar fast ein halbes Jahrhundert alt, hat aber bis heute nichts an Aktualität verloren. Die Regisseurin Maria Emsden setzt im Theater in der Gerbergasse die eigentliche Absicht der Autorin geschickt mit vielen eigenen Details um. Bei "Konrad oder Das Kind aus der Konservenbüchse" geht es um die Spiegelung der Erwachsenen im Kind. "Ich weiß nicht, was kleine Jungs dürfen", klagt der Bub, er hat keine Ahnung von den Regeln und den Erwartungen von Erwachsenen und Gesellschaft. Sein gutes Benehmen funktioniert nur in der Welt der Erwachsenen. In seiner eigenen kindlichen Welt stößt er damit auf extreme Ablehnung. Die Gleichaltrigen empfinden ihn als einen widerlichen Klugscheißer.
Erst als ihn seine Produktionsfirma wegen Fehllieferung zurückfordert, findet er den richtigen Weg. Mithilfe seiner "Eltern" Berti und Egon lernt er dazu. Er wird im rechten Moment rotzfrech, trumpft auf und weiß sich durchzusetzen. Natürlich leben die Hauptfiguren in einer skurrilen Fantasiewelt, in der Emotionen, Zuneigung und Liebe eigentlich nicht vorgesehen sind, doch im Lauf der Handlung wachsen alle drei in diese Gemeinschaft hinein, sie werden tatsächlich eine Familie.
Paul Weißenberger erobert die Herzen der Zuschauer
Umgesetzt wird dieses besondere Stück unter der Regie von Maria Emsden hauptsächlich von drei außergewöhnlich engagierten Schauspielern. Da ist natürlich der unglaublich pfiffige Paul Weißenberger, der als Konrad augenblicklich die Herzen der Zuschauerinnen und Zuschauer erobert. Als wohlerzogener "Klugscheißer" kommt er in die Welt und kann sogar in diesen abstrusen Situationen mit Leichtigkeit und jugendlichem Charme überzeugen. Die erst schmerzhaften Erfahrungen mit der Angst vor dem Verlassenwerden und zuletzt die heilende Wandlung spielt der kaum 14-Jährige überzeugend.
Fantastisch auch Stefanie Maselli als die chaotische, ichbezogene Berti. Sie erscheint als Person zunächst unverbindlich, unstet und überhaupt nicht greifbar. Sie weiß ihr Temperament mit großartigen Gesten und stimmiger Mimik der Situation anzupassen. Frank Heßdörfer mag anfangs als Egon etwas farblos oder blutleer wirken, doch mit seiner Figur wächst er darstellerisch und vermittelt so echte Zuneigung, Verlässlichkeit und große Emotionalität. Insgesamt sind die drei ein tolles Team.
Das Premierenpublikum bestand natürlich zum Großteil aus Kindern, die während des ganzen Stücks leidenschaftlich mitfieberten. Dabei feierten sie nicht nur die drei Hauptakteure, vielmehr begeisterten sie sich auch an den gruseligen „Blauen Menschen“, die den kleinen Konrad wieder einfangen und in die Fabrik zurückbringen sollten.
"Konrad oder das Kind aus der Konservenbüchse" erzählt vom erwachsen werden, von den Problemen einer Familie, von Anpassung und Durchsetzungsvermögen. Die Handlung ist spannend, turbulent, teilweise völlig übertrieben, aber niemals platt oder unsinnig. Das Stück im Theater in der Gerbergasse macht jungen und alten Zuschauern gleichermaßen Spaß.
An acht weiteren Terminen ist das Stück zu sehen. Die genauen Zeiten sind auf der Internetseite des Theaters www.theater-gerbergasse.de nachzulesen.