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KARLSTADT
Premiere für die Kaktusblüte: Lasziv und verführerisch
Die Kaktusblüte Verena Kimmel und ihr Zahnarzt sind für einander bestimmt, wissen es aber noch nicht so recht.
Foto: Günter Roth | Die Kaktusblüte Verena Kimmel und ihr Zahnarzt sind für einander bestimmt, wissen es aber noch nicht so recht.
Günter Roth
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:02 Uhr

Mit dem Boulevard-Klassiker „Die Kaktusblüte“ von Pierre Barillet und Jean-Pierre Grédy aus den 1960er-Jahren startet die Theaterbühne Karlstadt mit einer von Werner Hofmann federleicht inszenierten Komödie in den Theaterfrühling.

Wie wird man eine Ehefrau nebst drei Kindern los – vor allem wenn diese gar nicht existieren? Vor diesem Problem steht der Zahnarzt und Frauenheld Julian. Damit seine zahlreichen Liebschaften möglichst unverbindlich bleiben, spielt er seinen jeweiligen Favoritinnen stets den unverstandenen Ehemann und dreifachen Vater vor. Bis der Selbstmordversuch seiner neuesten Flamme Antonia sein Verantwortungsgefühl weckt und er beschließt, sie zu heiraten.

Strenge Moralvorstellungen

Doch Antonia ist nicht nur hübsch und herrlich jung, sie hat auch strenge Moralvorstellungen: Sie verabscheut Lügen und möchte keine Ehe zerstören. In seiner Not überzeugt der Lebemann Julian seine spröde, unscheinbare Sprechstundenhilfe Stefanie zeitweise als scheidungswillige Gattin aufzutreten. Doch durch dieses neue Lügenkonstrukt tritt er eine Lawine unvorhersehbarer Ereignisse los, die die Schlinge um seinen Hals immer enger ziehen, ihm aber auch die Augen öffnen.

Entsprechend dem Titel haben Kakteen eben nicht nur spitze Stacheln, sie können auch wunderschöne Blüten hervorbringen.

„Die Kaktusblüte“ ist echter Boulevard, locker geschrieben und in Karlstadt locker in Szene gesetzt. Natürlich werden bis auf leichte Seitenhiebe auf die bürgerliche Gesellschaft keine tiefen Gedanken transportiert und natürlich ist auch das Ende vorhersehbar, doch die Komödie ist nie seicht oder gar peinlich, dafür ist immer reichlich Raum für freche, und doch intelligente Dialoge und feinen Wortwitz.

Ohne die übrigen Mitspieler abzuwerten, darf man gewiss die „Kaktusblüte“ Verena Kimmel hervorheben. Zu Beginn erscheint sie in ihrem unnahbaren Outfit und Gebaren genauso alt wie ihre Schreibmaschine – stachelig wie ein Kaktus eben. Im Laufe der Handlung zeigt sie zunächst Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und nimmt das Heft beständig in die Hand. Schließlich öffnet sich die Blüte: Im umwerfenden roten Abendkleid mutiert die Assistentin Stefanie lasziv und verführerisch zum Weib, sogar ein klein wenig zum Vamp. Zum Ende aber ist sie gleichfalls überzeugend einfach nur die liebende Frau. Immer sind Mimik, Gestik und Intonation passgenau.

Michael Meisenzahl ist der ebenbürtige Partner, der entsprechende gegenläufige Persönlichkeitsentwicklungen durchlebt und überzeugend auf die Bühne bringt: zuerst souverän, eitel und auch ganz schön durchtrieben, dann aber zunehmend unsicher bis hin zur Hilflosigkeit und schließlich voller Selbstmitleid. Die smarte Erscheinung, das dezent melierte dunkle Haar und die gute Aussprache lassen den Casanova glaubhaft werden.

Die Atmosphäre des Stücks aus der Flower-Power-Zeit vermittelt keine so gut wie Belinda Küch als das scheinbar fröhliche unbedarfte Hippie-Mädchen, das sich zwischen freier Liebe und festen moralischen Grundsätzen doch irgendwie nach der großen Liebe sehnt. Küch spielt angenehm intensiv und authentisch. Antonias Gegenpart ist eigentlich ihr Nachbar Igor (Johannes Scheiner), ein erfolgloser und vor allem antriebsloser Autor, dem es so unendlich schwer fällt, ihr seine wahren Gefühle zu offenbaren.

Viele Lacher hat einmal mehr Volker Eckstein auf seiner Seite. Als Schrotthändler Norbert mit strohblonder Perücke und weit offenem roten Hemd fehlen dem 60er-Jahre-Dandy eigentlich nur noch das Goldkettchen und der Opel Manta vor der Tür. Überdreht bringt er seinen Part in einer Mischung aus Prolet, Macho und Gigolo zum großen Vergnügen aller. Viel Spaß bereitet auch Helga Scheiner in der Rolle einer überkandidelten Patientin, ständig „pünktlich 20 Minuten zu spät“, immer hektisch wie ein aufgescheuchtes Huhn. Der Höhepunkt ist dann aber ihre Opferrolle beim alles klärenden Disput zwischen Stefanie und Julian, bei dem sie im wahrsten Sinn des Wortes hin und her gerissen wird.

Die Spieltermine

Die Kaktusblüte wird in jedem Fall bis Anfang Juni gespielt. Im April: Freitag, 15., Samstag, 16, Sonntag, 17., Samstag, 23., Sonntag, 24., Freitag, 29., Samstag 30. Im Mai: Mittwoch 4., Freitag, 6., Samstag 7., Donnerstag12., Freitag, 13., Samstag 28., Sonntag 29. und Sonntag 5. Juni. Beginn ist jeweils um 19.30 Uhr, sonntags allerdings schon um 18 Uhr.

Rote Rosen von Julian und Igors weißer Rasierschaum und zwischen drin Antonia. Wer ist der richtige?
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