Die Lage ist insgesamt misslich. Vor allem für Menschen, die viel Identität aus der unmittelbaren Begegnung mit anderen Menschen gewinnen, bedeuten die Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie große Einschränkungen. Dazu zählt auch die Marktheidenfelderin Valentina Harth, schreibt die Familie in einer Pressemitteilung.
Beruflich betreut sie bei der Stadt Marktheidenfeld die Besucher der Ausstellungen im Kulturzentrum Franck-Haus. Das ist vor allem eine sehr kommunikative Beschäftigung. Außerdem zeichnet und malt sie, hat in der Vergangenheit schon öfters ihre Arbeiten in Ausstellungen in der Stadt und darüberhinaus gezeigt. Beliebt sind ihre Karikaturen, die gelegentlich auch in der örtlichen Presse erscheinen.
Der Betrieb im Franck-Haus ruht aktuell
Das Jahr 2020 war für die Künstlerin ein Wechselspiel, obwohl es beruflich bei der Stadt uneingeschränkt weiterging. Ratlosigkeit prägte den ersten Lockdown. Dann öffnete das Franck-Haus wieder. Der Ausstellungsbetrieb lief gut, wenn auch unter den besonderen Hygienebedingungen. Die Besucher im Franck-Haus mussten Abstand halten, trugen geduldig ihre Alltagsmasken.
Im Dezember folgte die zweite Schließung, der Job bei der Stadt läuft mit anderen Aufgaben weiter. Unsicherheit und Sorgen stellten sich dennoch wieder ein. In den beiden Ausstellungsbereichen des Kulturzentrums sind eine Werkschau der Würzburger Fotografin Heide Eggermann und die Auswahlausstellung zum 12. städtischen Kunstpreis mit dem Titel "Aufbruch" aufgebaut. Keiner darf gegenwärtig das Franck-Haus besuchen. Der Betrieb ruht. Niemand kann sich dort ein wenig ablenken, nachdenken, bei der Betrachtung der Kunstwerke zur Ruhe und zur Besinnung kommen.
Unsichere Zeiten hat Valentina Harth schon einst in ihrer sibirischen Heimat auf ihre Art und Weise bewältigt. Sie greift zum Stift und zur Farbe, lässt beim Zeichnen und Malen den Gedanken freien Lauf. Herausgekommen ist dabei im letzten Jahr unter anderem ein besonderes Skizzenbuch mit fast 100 Portraits.
Denn die Zeichnerin arbeitet wie ein Scanner. Sie begegnet Menschen, speichert sie wie auf einer Festplatte gedanklich ab. Später kann sie ihre Eindrücke abrufen und auf Papier verarbeiten. Ihre Skizzen hat sie nun wiederum tatsächlich eingescannt und ausgedruckt, um sie anderen zeigen zu können. Dabei ist einschließlich einiger weiterer Arbeiten eine kleine Ausstellung entstanden, auf gut einem Dutzend Präsentationsplakaten.
Bibliotheksleiterin war sofort begeistert
Aber wo kann man in unseren Tagen noch so etwas zeigen. Dies ist fast nur in Schaufenstern möglich, wo Menschen mit gebührendem Abstand im Freien einen Blick darauf werfen können. Sofort fiel Valentina Harth die Stadtbibliothek ein, die zum Platz an der Schmiedsecke hin über große und geeignete Fensterflächen verfügt.
Bibliotheksleiterin Susanne Wunderlich, die gegenwärtig mit ihrem Team hunderte von Büchertüten zum Abholen packt, war sofort davon begeistert, in den Fenstern der städtischen Einrichtung die Corona-Skizzen von Valentina Harth zu zeigen. Seit Wochenbeginn kann man sie dort betrachten. Auf unterschiedliche Höhen gehängt, können die Bilder "große und kleine" Betrachter ansprechen. Wunderlich freut sich besonders darüber, ihren "Kunden" mit einem künstlerischen Angebot etwas Freude und Abwechslung vermitteln zu können.
Ein Panoptikum der Empfindungen
Im Gesamtblick entwirft Valentina Harth mit flottem Strich und nur wenigen Farbakzenten ein wahres Panoptikum der Empfindungen hinter den zwischenzeitlich zur Gewohnheit gewordenen Alltagsmasken. Da nimmt man in den Rest-Gesichtern Verunsicherung und Zuversicht wahr, Trotz und Niedergeschlagenheit, Neugier und Müdigkeit. Gelegentlich blitzt natürlich auch der Blick der Karikaturistin durch. "Wobei, manchmal liegen Satire und Realität auch ganz nahe beisammen", sagt die Künstlerin.
Die für Kultur zuständige, städtische Abteilungsleiterin Inge Albert ist von der Initiative ihrer Mitarbeiterin sehr angetan und dankbar dafür. Sie stellt ebenso fest, dass Kunst und Kultur zur Bewältigung von Krisen systemrelevant seien: "Die Menschen sehnen sich geradezu nach Ablenkung, Freude und Auseinandersetzung." Deswegen sei es gut, ein solches Angebot in der Innenstadt zu haben. Dies trage auch dazu bei, dass die Innenstadt in Krisen-Zeiten ein wenig belebter bleibe und weiterhin als Lebensort wahrgenommen werde.