Würde man das typischen Gemeinde-, Stadt- oder Kreisratsmitglied in Main-Spessart beschreiben, es wäre ein Mann. Seine Haare wäre bereits grau, nur ein paar dunkle Stellen würden noch hervorstechen. Er würde vermutlich Anzug tragen. Sein Gang wäre leicht gebeugt, wie das halt so ist nach Jahrzehnten harter Arbeit.
Dieses Bild ist zwar übertrieben, dennoch nicht ganz falsch. Denn der durchschnittliche Kreisrat ist mit 60 Jahren fast 15 Jahre älter als der durchschnittliche Main-Spessarter. Von 660 Stadt- und Kreisräten sind 558 Männer und nur 102 Frauen, unter 60 Kreisräten sind nur 13 Frauen. Das zeigen Recherchen der Redaktion und Zahlen des Bayerischen Landesamtes für Statistik.
In einer repräsentativen Demokratie ist das ein Problem, an dem die Gewählten die wenigste Schuld tragen. Niemand muss sich dafür entschuldigen, sechs Jahre lang ohne Bezahlung für die Mitbürger zu opfern. Das Problem ist ein anderes. Damit eine repräsentative Demokratie funktioniert, sollten die Vertreter ein Spiegel der Gesellschaft sein. Es sollte keine typischen Gemeinde-, Stadt- oder Kreisratsmitglieder geben.
Neue Serie soll junge Menschen, Frauen und Kommunalpolitik in den Fokus rücken
Wo aber sind die jungen Menschen, wo sind die Frauen in der Kommunalpolitik? Diese Frage haben wir Redakteure uns gestellt, da knallte die Sonne noch mit über 30 Grad auf die Pflastersteine vor der Redaktion. Die Suche nach der Antwort hat über Monate durch den Landkreis geführt. Es gab dutzende Gespräche mit Politikern, der jüngste war 17, der älteste 82 Jahre.
Warum haben Parteien früher funktioniert, warum heute nicht mehr? Wie ticken junge Politiker im Landkreis und wie ticken die, die zwar politisch engagiert sind, aber auf gar keinen Fall in eine Partei wollen? Was erwarten ältere Politiker von den jüngeren? Oder benachteiligen sie diese, um ihre Posten zu behalten? Diese Fragen sollen in den kommenden Monaten beantwortet werden. Zum Auftakt der Serie ist jedoch eine Bestandsaufnahme notwendig, allen voran mit der Frage: Was ist überhaupt ein "junger" Politiker und wie viele gibt es im Landkreis?
Zahlen und Daten: So alt sind die Main-Spessarter
Ein Mann, der in Main-Spessart wohnt, ist durchschnittlich 44,6 Jahre alt, eine Frau 46,9 Jahre alt. Im Vergleich zum Jahr 2008, das zeigen die Daten des Bayerischen Landesamtes für Statistik, ist der Landkreis beinahe drei Jahre gealtert. Rein logisch müsste also jeder Politiker, der sich unter dem Altersschnitt befindet, "jung" sein. Jeder darüber wäre "alt".
Analysiert man die größten Städte des Landkreises auf dieses Kriterium hin, ist jeder Stadtrat im Schnitt älter als die Bevölkerung, die er vertritt. Mit 51,6 Jahren im Schnitt ist der Karlstadter Stadtrat nur 3,5 Jahre älter als der durchschnittliche Karlstadter. Ganz anders sieht es da in Gemünden aus, wo der der Stadtrat 13,1 Jahre älter ist. In Lohr ist der Stadtrat 11,6 Jahre und in Marktheidenfeld 10,6 Jahre älter als der Durchschnitt.
So einfach ist die Einteilung in "alt" und "jung" jedoch nicht. Für einen 70-Jährigen kann ein 50-Jähriger noch jung sein. Für einen 20-Jährigen kann ein 30-Jähriger schon alt sein. Deshalb wurden alle Gesprächspartner gefragt, was für sie ein junger Politiker sei. Ein Auszug:
"Ich denke: 14-25. Jugend ist so vielfältig, dass man sie nur durch das Alter definieren kann. Junge Menschen müssen sich erst einmal als politisches Wesen begreifen."
"Unser ältestes Mitglied ist 34, da fängt woanders der Jugendstammtisch an."
"Bis 35 ist man, glaube ich, jung. Mit Jugend verbinde ich jedoch auch eine progressive Einstellung."
"Jung bedeutet: Wechsel, Zeit, jemand von Außen rein zulassen, frische Ideen und durchmischte Gremien. Man kann aber auch ein junger Politiker sein, wenn man wenig Erfahrung hat."
"Es ist weniger das Alter und mehr die Offenheit, die Themen der Jugend ernst zu nehmen."
"Als 50-jähriger Politiker muss man Jugendliche verstehen. Wie sollen die das leisten?"
"Für mich sind das junge Menschen, die sich interessieren, engagieren und ernst genommen werden."
"Ich würde mich gut repräsentiert fühlen, wenn jemand jung geblieben ist, offen für Neues ist und mit jungen Leuten redet. Vielleicht nicht gerade 60."
"Es ist Quatsch, Politik an Personen und deren Alter festzumachen."
"Jeder unter 35 kann zur Juso. Also würde ich zwischen 18 und 35 sagen, wobei Gemeinderäte unter 40 auch noch jung sind."
Die Antworten sind nicht eindeutig. Die Parteien haben diese Frage für sich beantwortet. In ihren Jugendorganisationen kann man nur bis zu einem gewissen Alter Mitglied sein. Bei den Jungen Grünen wäre das 27, bei der Jungen Union 35 und bei den Jungen Liberalen ebenfalls 35. Wenn man 35 Jahre als Grenze nimmt, wie viele "junge" Menschen sitzen also noch in den Stadträten und im Kreisrat? Die Antwort ist: Von insgesamt 156 Politikern in diesen fünf Gremien ist genau eine 35 oder jünger. Sie heißt Isabel Frohnapfel und sitzt für die CSU im Karlstadter Stadtrat.
Auch in den Gemeinderäten des Landkreises sitzen noch einige Menschen unter 35. Diese Zahlen sind aber ein Indiz dafür, warum das Thema "Jugend und Politik" so wichtig ist. Denn junge Menschen kosten nicht nur Geld. Sie sind es auch, die in Zukunft den Wohn- und Wirtschaftsstandort Main-Spessart erhalten sollen. Wie sie das tun wollen, können sie schon nach den Wahlen im kommenden Jahr selbst in die Hand nehmen.
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Völlig klar, daß ersteres höher ist, denn beim Altersdurchschnitt der Bevölkerung zählen ja auch alle Kinder und Jugendlichen unter 18 Jahren mit. Ich könnte mir vorstellen, daß die Verhältnisse sogar umgekehrt wären, wenn man die unter 18-jährigen herausrechnen würde...
da haben Sie Recht, hätte ich als Autor nur das gemacht. Deshalb habe ich mir auch angeschaut, wie viele "Junge" und Frauen tatsächlich in den Räten sitzt. Das Durchschnittsalter ist zudem ein Indikator, um das Alter eines Rates zu zeigen. So sind ja normalerweise auch nicht die 80-Jährigen so gut vertreten wie die 10-Jährigen. Im ganzen gleicht sich das einigermaßen wieder aus, wenn auch nicht ganz.
Ich hoffe, Ihnen weitergeholfen zu haben,
Martin Hogger