"Mehr Öffentlichkeit wagen" – auf dieses Credo hatten sich Bürgermeister Mario Paul und der Lohrer Stadtrat vor ziemlich genau einem Jahr verständigt. Und zwar im Rahmen einer zweitägigen Klausur unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Nun wiederholt der Personenkreis, der mehr Öffentlichkeit wagen wollte, das Befassen mit wichtigen Themen hinter verschlossenen Türen: Jetzt versammeln sich Bürgermeister, Verwaltungsspitzen und Stadtrat erneut zu einer Klausur.
Dabei soll es im Digitalen Gründerzentrum erneut um Themen gehen, bei denen die Öffentlichkeit und die Wähler eigentlich ein Anrecht darauf hätten, zu erfahren, wie sich einzelne Akteure positionieren. So wird man sich dem Vernehmen nach beispielsweise mit möglichen Standorten für Windkraftanlagen im Stadtwald befassen. Ein anderes Thema soll die erst angekündigte, jüngst jedoch wieder auf Eis gelegte Generalsanierung des Skaterplatzes sein. Generell soll es bei der Klausur um einen Überblick über sämtliche größeren Projekte der Stadt und deren Priorisierung gehen – klassische Kommunalpolitik also.
Keine Reaktion auf Anfrage
All dies erfährt die Redaktion nur hinter vorgehaltener Hand. Das Rathaus ließ eine am Dienstagmittag gestellte Anfrage zum Programm der Klausur und zur Rechtfertigung der Nichtöffentlichkeit bis Donnerstagmittag trotz Nachbohrens unbeantwortet.
Die Bayerische Gemeindeordnung schreibt grundsätzlich vor, dass Gemeinde- und Stadträte bis auf wenige, recht eng umrissene Themen öffentlich zu tagen haben. Die Frage einer Skaterplatz-Sanierung oder auch mögliche Windkraftanlagen im Stadtwald zählen nicht zu diesen Themen.
Allerdings gilt der Zwang zur Öffentlichkeit nur dann, wenn Beschlüsse gefasst werden. Das ist bei der Klausur des Stadtrats nicht der Fall. Dort bespricht man die Weichenstellungen und holt später bei Bedarf nötige Beschlüsse in offiziellen Sitzungen nach. Wobei auf der Hand liegen dürfte, dass die dabei geführten Diskussionen nicht deckungsgleich mit jenen sind, die es bei der Klausur zum gleichen Thema gab.
Formal ist eine solche nur beratende Klausur ohne konkrete Beschlüsse jedoch zulässig. Das erklärte der Verwaltungsrechtler Thomas Böhmer von der in Hof angesiedelten Verwaltungshochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern bereits vor einem Jahr anlässlich der ersten Klausur des Stadtrats. Allerdings sagte Böhmer damals mit Blick auf die aus Wählersicht wünschenswerte Transparenz im politischen Handeln auch, dass er die Praxis solcher Klausuren moralisch nicht beurteilen wolle.
Geänderte Ansicht bei Sander
Peter Sander (FDP) hatte in seiner Haushaltsrede vor wenigen Wochen noch betont, dass die Bürger von der Politik Transparenz erwarteten. Schließlich wollten Bürger die Möglichkeit haben, sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen. Es gehe um die Nachvollziehbarkeit politischen Handelns und die demokratische Beteiligung der Bürger, so Sander damals. Gleichzeitig hatte sich Sander jedoch auch für eine Wiederholung der Klausur ausgesprochen.
Auf die Frage, wie seine Aussagen zu Transparenz und Bürgerbeteiligung sich mit seiner Teilnahme an der nun bevorstehenden Klausur zusammenpassen, erklärte Sander am Donnerstagmittag, dass er diese Klausur jetzt tatsächlich mit etwas anderen Augen sehe. Er sei "mittlerweile der Überzeugung, dass man es öffentlich hätte machen sollen, wenn es um Sachthemen geht". Er wolle dies mit dem Bürgermeister besprechen, kündigte Sander an. Dass sich die Ratsmitglieder zu ihrem Umgang miteinander intern austauschen, sei hingegen legitim, sagte Sander.
Das sieht auch Clemens Kracht (Grüne) so. Mit Blick auf die Sachthemen hatte jedoch auch er vor längerer Zeit beklagt, dass es im Stadtrat eine zunehmende Tendenz zur Debatte hinter verschlossenen Türen gebe. Er werde dies in der Sitzung ansprechen, sagte Kracht. Ziel müsse es sein, dass der Grundsatz "Mehr Öffentlichkeit wagen" im Rathaus auch gelebt werde.