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Lohr
Plädoyer für differenziertes Denken: 45 Abiturienten am Lohrer Erthal-Gymnasium verabschiedet
Das Lohrer Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasium hat 45 Abiturientinnen und Abiturienten ihre Reifezeugnisse ausgehändigt. Es war der letzte G8-Jahrgang an der Schule. 
Foto: Thomas Josef Möhler | Das Lohrer Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasium hat 45 Abiturientinnen und Abiturienten ihre Reifezeugnisse ausgehändigt. Es war der letzte G8-Jahrgang an der Schule. 
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 04.07.2024 02:45 Uhr

Das Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasium hat am Freitag dem letzten Jahrgang im achtstufigen Schultyp (G8) die Abiturzeugnisse überreicht. Die "Oscar Night" in der Aula des Nägelsee-Schulzentrums stand ganz im Zeichen des Films und unter dem Motto "Abiversal – 12 Jahre im falschen Film". Diese Aussage habe für ihn als Schulleiter etwas Verstörendes, meinte Bernd Rottenbacher.

"Was wäre denn der richtige Film gewesen? Etwa G9? Oder gar keine Schule?", fragte der Direktor. Das irritierende Motto erfordere es, sich mit Bildungsverläufen grundsätzlich auseinanderzusetzen. Rottenbacher griff dabei auf mehrere Bücher von Rocko Schamoni zurück. Der Autor und Musiker charakterisiere darin zwei Menschentypen: die Geraden und die Schiefen.

Das Wahre ist das Ganze

Die Geraden gingen angepasst durchs Leben, die Schiefen kämen nicht zurecht und fühlten sich im falschen Film. Doch beide Typen seien dialektisch aufeinander bezogen, sie bräuchten den jeweils anderen, um sich selbst zu definieren. Nur so gelinge es, das eigene Leben nicht als chaotische Ansammlung von Erfahrungen sehen zu können, sondern als vernünftig konstruiert – jedenfalls im Nachhinein.

Von hier schlug Rottenbacher einen kühnen Bogen zum Satz des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel "Das Wahre ist das Ganze".  Viele Menschen glaubten, das Wahre für sich gepachtet zu haben. Hegels Satz fordere, alle Seiten einer Sache zu bedenken und differenziert zu urteilen. Hegel weise so ideologische Haltungen und Klischeedenken zurück.

Damit plädiere er aber nicht für einen lauen Mittelweg, sondern für das Bedenken aller sinnvollen Argumente. Auch wenn man am Ende einer Schulzeit vieles ablehne, "war sie dennoch notwendig, damit ihr euch als stabile und reife Persönlichkeiten definieren könnt". Im Sommer beginnt für die Absolventen nach Rottenbachers Worten der nächste Film mit Studium, Ausbildung, Bundeswehr oder einem sozialen Dienst.

Nach Rottenbachers Angaben haben 24 junge Männer und 21 junge Frauen mit einem Gesamtnotendurchschnitt von 2,26 das Abitur bestanden. Damit sei "vorerst einer der letzten kleineren Jahrgänge" vom Gymnasium abgegangen. 15 Absolventen hätten eine 1 vor dem Komma, davon vier 1,5 oder besser und davon wiederum einer eine 1,0.

Die Abifeier moderierten Tessa-Marie Mallmann und Max Prechtl. Die zwölfjährige Schulzeit sei "wirklich ein Film gewesen, den wir niemals vergessen werden", meinten die beiden. Prechtl sprach wegen des letzten G8-Abiturs von einer "historischen Veranstaltung".

Zwei Drittel des Lebens

Die drei Jahrgangsstufensprecher Niklas Amend, Ema Majstorovic und Janick Popp rechneten vor, eine zwölfjährige (oder in einigen Fällen eine dreizehnjährige) Schulzeit bedeute, "dass wir zwei Drittel unsers bisherigen Lebens mit Lernen in der Schule verbracht haben". Aber auch das künftige Leben werde davon geprägt sein, weiter zu lernen und sich zu entwickeln. Erfolge ließen sich nicht nur in Noten und Leistungen messen: "Jeder hat sein eigenes Ziel und seine eigenen Stärken. Es gibt so viele Möglichkeiten, Erfolg zu haben."

Die stellvertretende Landrätin Pamela Nembach sagte, im Schulalltag sei alles von Plänen bestimmt gewesen, jetzt müssten die Absolventinnen und Absolventen selbst Pläne machen. Doch das Leben sei, wie John Lennon gesagt habe, das, was einem passiere, wenn man gerade andere Pläne schmiede. Der Jahrgang habe jedoch bereits gezeigt, dass er Flexibilität besitze, um auf unvorhergesehene Ereignisse wie Corona und den Ukraine-Krieg zu reagieren.

Die Abiturientinnen und Abiturienten würden das Morgen gestalten, erklärte Lohrs 3. Bürgermeisterin Ruth Steger: "Ihre Generation wird neue Akzente setzen und neue Wege einschlagen." Das sei auch nötig, "denn wir befinden uns in einer Zeit, die dringend neue Antworten braucht". Steger ermutigte die Schulabgänger, sich auch politisch einzubringen.

Solistin am Schifferklavier

Die Elternbeiratsvorsitzende Iris Frodl-Stahl sprach von einer "langen Reise, die jetzt zu Ende geht". Die Absolventen hätten gelernt, sich in einer komplexen Welt zurechtzufinden. In der Zeit der Pandemie hätten sie sich an neue Lernformen gewöhnt und Resilienz und Flexibilität bewiesen. Sie hätten gelernt, "Ziele zu erreichen, auch wenn der Weg manchmal steinig war".

Für den musikalischen Rahmen der Abiturfeier sorgten die Nägelsee-Big-Band und Tessa Englert als Solistin mit dem Schifferklavier. Für ihre Version von Elton Johns "Can you feel the love tonight?" bekam die junge Frau viel Beifall.

Die Abiturientinnen und Abiturienten

Johanna Albert, Leonie Alsheimer, Niklas Amend, Xenia Babitschev, Aurika Backhaus, Emily Brand, Alina Bregenzer, Luisa Brosche, Luca Büdel, Tessa Englert, Philipp Frodl, Vivien Gopp, Benjamin Grimm, Maximilian Hahn, Lorenz Heimann, Linda Hochapfel, Jannis Karl, Léana Katzameyer, Max Keller, Jonas Kraus, Lukas Kriegbaum, Emma Kunkel, Mara Lippert, Josephine Maier, Ema Majstorovic, Tessa-Marie Mallmann, Johanna Mehling, Aaron Mück, Jana Munser, Emilia Ojanperä, Louis Pferr, Janick Popp, Max Prechtl, Madlen Riedmann, Leon Rüppel, Levin Seufert, Leo Stamm, Lukas Stark, Johann Steigerwald, Moritz Stürmer, Julian Thomas, Milena Vater, Valentin Weyer, Jannis Willert, Leonhard Ziesing.
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