Am Freitag, 15. Juli, um 19.30 Uhr gibt ein besonderer Musiker im Karlstadter Stadtgeschichte-Museum ein Konzert: Philipp Wenger. Er stammt aus Karlstadt und gehört zu Deutschlands Spitzenviolinisten.
In Karlstadt machte er schon als Schüler mit seinem überragenden Geigenspiel von sich reden. Beispielsweise gewann er den ersten Bundespreis beim Wettbewerb „Jugend musiziert“.
Erster Konzertmeister
Doch dann hörte man in seiner Heimatstadt lange nichts mehr von ihm. Heute ist der 36-Jährige fest angestellter erster Konzertmeister bei den Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach (Niederrheinische Sinfoniker).
Daneben spielt er in vielen deutschen und europäischen Kulturorchestern als Konzertmeister zur Aushilfe – zum Beispiel beim WDR-Sinfonieorchester Köln, den Berliner Symphonikern, den Dortmunder Philharmonikern, in Lissabon, Bregenz, beim Saarländischen Rundfunk, der Staatsoper Berlin und der Hamburger Staatsoper.
Nie war Druck fürs Üben nötig
Die musikalische Intuition wurde Philipp Wenger in die Wiege gelegt. „Schon beim Blockflötenunterricht an der Karlstadter Musikschule habe ich meine Lehrerin Suzette Wettengel oft gebeten, mich auswendig spielen zu lassen.“ Mit sechs Jahren folgte der Einstieg ins Geigenspiel bei Lehrerin Martina Heinz. Zum Üben musste Philipp Wenger nie groß ermahnt werden, sondern griff gerne von selbst zum Instrument: „Es war für mich die perfekte Alternative zum Lernen für die Schule, was mir nicht so leicht fiel wie das Musizieren.“ So begann er quasi selbst die Ausbildung zum Profimusiker, ohne das damals schon selbst zu wissen.
Während andere Geigenschüler lange damit kämpfen, überhaupt die Töne zu treffen, schwang sich Philipp Wenger spielend zur Wettbewerbsreife empor. Nach dem Gewinn des Bundeswettbewerbs „Jugend musiziert“ mit zwölf Jahren begann er ein Studium in der Frühförderklasse bei Professor Conrad von der Goltz an der Musikhochschule in Würzburg.
Außerdem wurde er zu einem Abenteuer eingeladen: Zusammen mit anderen Musikern ging es zu einem Staatsbesuch in China. Aufgrund einer Verspätung der Maschine verpasste die Gruppe dann jedoch ihren Auftritt in der Halle des Volkes, doch die Auftritte an der Chinesischen Mauer und im chinesischen Rundfunk wird der Karlstadter nie vergessen. „Wir waren damals dort richtige Exoten.“
Mit dem 16. Lebensjahr begann für Philipp Wenger das Vollstudium an der Würzburger Musikhochschule bei dem russischen Professor Grigory Zhislin. Der ehemalige Schüler beschreibt ihn so: „Er war Weltklasse, hatte den Paganini- und Tschaikowski Wettbewerb gewonnen, sein Spiel ging bei mir unter die Haut.“ Wenger ließ sich anstecken. Offenbar hat der Karlstadter eine besondere Gabe zur Imitation. Er machte schnell weitere Fortschritte und sagt selbst im Nachhinein: „Ich habe oft nicht verstanden, warum etwas so zu spielen ist, aber ich konnte es.“
Der Kontrast folgte, als er nach Berlin wechselte zu Professorin Antje Weithaas ander Hochschule für Musik „Hanns Eisler“. Sie stammte aus einer DDR-Schule und ging die Sache vom Kopf her an. „Ich geriet in eine Krise“, berichtet Philipp Wenger. Ein Faktor war für den jungen Karlstadter auch die Anonymität Berlins. Er war dort Einzelkämpfer.
Die Erholung erfolgte mit dem Wechsel zur Hochschule für Musik „Felix Mendelssohn-Bartholdy“ in Leipzig zu Lothar Strauß, dem ersten Konzertmeister der Staatskapelle Berlin. Er war eine wichtige Stütze für den jungen Karlstadter. An der Hochschule in Leipzig machte der damals 24-Jährige sein Diplom als Orchestermusiker. Und er gewann eine Akademiestelle an der Staatsoper Berlin.
Vielfältige Tätigkeiten
Wenn davon die Rede ist, dass er eine Stelle „gewonnen“ hat, so bedeutet dies, dass er eine Einstellungsprüfung gemeistert hat, bei der erstens ein Mozart als etwas Klassisches zu spielen ist, zweitens etwas Romantisches und drittens große Soli, zum Beispiel aus Tschaikowskis „Schwanensee“ oder „Ein Heldenleben“ von Richard Strauss.
Mit 25 gewann Philipp Wenger seine erste dauerhafte Konzertmeisterstelle beim Staatstheater in Mainz. Danach wechselte er ans Nürnberger Staatstheater. Nach einem Jahr folgte eine spannende Zeit als Freelancer, also freischaffender Künstler. Hier reichte seine Tätigkeit von Konzerten in Dänemark über Musik zum Handyklingeln einer bekannten fernöstlichen Handymarke bis zu Jazz, Fernseh-Aufträgen oder Auftritten mit Comedians wie zum Beispiel mit Otto oder Michael Mittermeier oder Popgrößen wie Xavier Naidoo, Barbra Streisand oder Milva. Momentan ist er an der Abschiedstournee mit René Kollo beteiligt.
Privat lebt Philipp Wenger mit seiner Partnerin, einer ehemaligen Zirkusakrobatin vom äthiopischen Staatszirkus aus Addis Abeba, noch in Köln. Beide würden aber gerne dort bald aufs Land ziehen. Denn Mitte Oktober werden sie Eltern.
Das Instrument
Philipp Wenger hat eine Violine von Nicolo Gagliano (Neapel) aus dem Jahr 1744 gespielt,die ihm die AachenMünchener Versicherung zur Verfügung gestellt hatte, ist aber inzwischen auf eine neue Geige umgestiegen, die eine Kopie einer alten ist. „Eine habe Million Euro für ein Instrument ist zu teuer, das ist eine hohe Belastung“, urteilt der Konzertmeister.
Die klangliche Differenz sei verblüffend gering. Es sei sogar schon so gewesen, dass eine Kollegin das Brahms-Violinkonzert mit seiner Geige zu Ende spielte, weil bei ihrer wertvollen Guarneri-Geige eine Saite gerissen war. Das Publikum empfand die Kopie sogar als besser. „Sie hat wohl etwas mehr Durchsetzungsvermögen.“
Es würden bei den Zuhörern ohnehin viele Sinne eine Rolle spielen, relativiert Philipp Wenger das vermeintliche Muss zu einer echten historischen Violine.
Der Titel
Konzertmeister heißt, dass dieser die sprichwörtlich „erste Geige“ spielt. Früher leitete der Konzertmeister das Orchester. Heute trägt er als Leiter der stimmführenden ersten Violinen nach wie vor neben dem Dirigenten die Hauptverantwortung und ist beispielsweise mit zuständig für Interpretation und Ausdruck, aber auch für Fingersätze und Bindungen des Geigenstrichs. Zudem obliegen ihm die Soli.