Der Startschuss fällt im Januar 2020: Ab diesem Zeitpunkt werden die bisherigen Ausbildungen der Alten-, Kranken- und Kinderkrankenpflege zur „Generalistischen Pflegeausbildung“ zusammengefasst. Am Ende der Ausbildung steht der neue Berufsabschluss „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“. Mit diesem können die Fachkräfte in allen Pflegebereichen arbeiten. Was aber bedeutet das für die Einrichtungen? Wie stehen sie der Ausbildungsreform entgegen? In loser Reihe stellen wir exemplarisch Einrichtungen vor, bei denen die Reform zukünftig eine Rolle spielen wird.
Alltag in der Seniorenresidenz Mainbrücke
Um halb elf Uhr am Vormittag ist im Wohnbereich Südring der Seniorenresidenz Mainbrücke in Marktheidenfeld Ruhe eingekehrt. Von Weitem hört man eine Gruppe Bewohner zusammen singen. Krankenschwester Ines Stürmer und Pflegeassistentin Jacqueline Pelka stehen am Counter. Um sechs Uhr ging ihre Schicht los: Bewohner wecken, duschen, Kompressionen anlegen, eventuell Wundversorgung machen, Frühstück bereiten, Medikamente verteilen, Frühstück wieder wegräumen. 29 Menschen umfasst ihr Wohnbereich. Darunter fitte Fußgänger, aber auch Menschen mit Demenz und einem hohen Pflegegrad. "Wir versuchen, die pflegebedürftigeren Menschen und auch die mit Demenz in den Wohnbereichen zu integrieren und zu mischen", sagt Residenzleiterin Diana Teubert. Alles andere sei zu belastend für das Personal.
Seit 2018 leitet Teubert das Marktheidenfelder Seniorenheim. Sieben Auszubildende hat das Haus derzeit. "Bei uns ist es auch nicht selten, dass noch 50-Jährige ihre Ausbildung machen", erzählt sie. Meist haben diese Leute schon andere Berufe hinter sich. Um neue Leute für die Altenpflege zu gewinnen, geht sie unter anderem zusammen mit der Pflegedienstleitung in die Mittelschulen, stellt Verdienste und Aufstiegschancen vor. Denn Pflegeberufe rangieren bei Schulabgängern von vorneherein auf den hinteren Rängen. Sie wollen für ihren Berufsstand werben, mit Vorurteilen und vor allem mit dem Dauerthema der schlechten Bezahlung aufräumen. 3300 Euro brutto bietet das Heim einer Pflegefachkraft als Einstiegsgehalt, dazu kommen noch Zulagen zum Beispiel bei Nachtschichten. Die Bezahlung habe man angezogen, um attraktiv zu sein, so Teubert.
Krankenpfleger brauchen gerontologisches Wissen, Altenpfleger medizinisches Know-how
Nicht ohne Grund: Wie die Engpassanalyse der Bundesagentur für Arbeitzeigt, waren im Jahr 2018 rund 40 000 Stellen in Pflegeeinrichtungen und in Krankenhäusern nicht besetzt. Auch die Zahl der Auszubildenden stagniert seit 2012 auf einem viel zu niedrigem Niveau. Was aber kann die Neuregelung der Ausbildung dazu beitragen, um die Pflegeberufe attraktiver zu machen? Sie soll die Berufe aufwerten und die Einsatz- und Aufstiegsmöglichkeiten der Pflegekräfte erhöhen, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium. Denn kurz gesagt: Krankenpfleger brauchen immer mehr gerontologisches Wissen, Altenpfleger vermehrt medizinisches Know-how.
Das sehen auch die Verantwortlichen bei Alloheim so. "Eine breite Aufstellung und möglichst viel Praxis in den verschiedenen Bereichen in der Ausbildung ist gut", sagt Frederik Dykast, Regionalleiter bei Alloheim. Die Befürchtung, dass durch die Generalistik die meisten Absolventen in die Krankenhäuser abwandern, teilt er nicht. Dazu seien die Grundvoraussetzung zu unterschiedlich: "Will ich einen Bezug zu meinem Klientel aufbauen, dann gehe ich ins Seniorenheim. Brauche ich eher die Distanz, gehe ich ins Krankenhaus", beschreibt es Dykast.
Nicht jeder für die Arbeit geschaffen: Selbstbewusst sollte man sein, emphatisch, Respekt haben
Wie schnell die Entscheidung für das Arbeiten im Senioren- und Pflegeheim gehen kann, hat Jacqueline Pelka erlebt. "Ich habe zwei Wochen gehadert, dann war ich überzeugt", erzählt sie. Der Grund: "Man kriegt so viel zurück." Seit 2011 ist sie im Marktheidenfelder Haus. Ihren Wohnbereich beschreibt sie wie eine kleine Familie. Aber: Nicht jeder sei für die Arbeit geschaffen. Selbstbewusst sollte man sein, emphatisch, Respekt haben vor den betagten Menschen. Aber auch wandelbar im Umgang mit Menschen, denn jeder ist anders drauf, brauch eine andere Ansprache, möchte eine andere Behandlung. "Hut ab, dass du das machst!", bekommen die beiden Pflegekräfte öfter zu hören, wenn es um ihren Beruf geht.
Bereits Erfahrungen mit der neuen Ausbildung hat Melanie Szingsniß gesammelt. Seit Dezember 2018 ist sie Pflegedienstleiterin in der Mainbrücke. Von 2014 bis 2016 hat sie in einem Pilotprojekt die generalistische Ausbildung durchlaufen. "Ich hatte den Berufswunsch ‘Pflege‘, egal wo", sagt sie. Angestellt als Auszubildende beim Kommunalunternehmen Würzburg, sammelte sie jeweils anderthalb Jahre Erfahrungen in der Main-Klinik in Ochsenfurt sowie in einem Seniorenheim des Unternehmens. Die Themen "ambulante Pflege" und "soziale Betreuung und Beschäftigungsangebote" deckte sie über die Schule ab.
Ihre Bilanz: "Für die Altenpflege war diese Art der Ausbildung das Beste was mir passieren konnte." So seien für sie die Inhalte aus dem Krankenhaus sehr hilfreich gewesen. So wird in der Altenpflege beispielsweise vorausgesetzt, dass die Fachkraft bei einem Bewohner die oberen Luftwege absaugen kann, weil der Mensch nicht mehr aus eigener Kraft oder nur ungenügend abhusten kann. "In der Zeit im Krankenhaus konnte ich das öfter üben", so Szingsniß. Ob die Ausbildung den Anforderungen, die nachher auf die Absolventen warten, gerecht wird? Szingsniß sieht das auch kritisch: So sei eine Visite im Krankenhaus zum Beispiel doch etwas ganz anderes als eine Visite im Altenheim.
Dass es bei ihr nach der Ausbildung die Altenpflege werden würde, hat die jetzige Pflegedienstleiterin in ihrer Zeit im Krankenhaus gemerkt. "Mich hat eine Fachkraft gebeten, mit einem Demenz-Patienten Mensch-Ärger-Dich-Nicht zu spielen", erzählt sie. Das Demenz-Thema hat sie nicht mehr losgelassen. In ihrer jetzigen Arbeit als Pflegedienstleiterin spielt es eine immer aktueller werdende Rolle.