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Frammersbach
Pendler rügt Bahn: Mehr Geld für weniger Service
Der Frammersbacher Andre Weinrich pendelt täglich mit dem Zug nach Aschaffenburg zur Arbeit. Die angekündigten Preiserhöhungen der Bahn bezeichnet er als Frechheit. Am Bahnhof in Partenstein gebe es schon lange keinen Wartesaal oder Toiletten mehr.
Foto: Boris Dauber | Der Frammersbacher Andre Weinrich pendelt täglich mit dem Zug nach Aschaffenburg zur Arbeit. Die angekündigten Preiserhöhungen der Bahn bezeichnet er als Frechheit.
Bearbeitet von Boris Dauber
 |  aktualisiert: 16.10.2021 03:05 Uhr

Die Deutsche Bahn hat kürzlich bekannt gegeben, dass sie die Preise für Zugtickets im Fernverkehr um durchschnittlich 1,9 Prozent erhöht. Stichtag dafür ist der 12. Dezember. Vor allem Pendler und Stammkunden müssen künftig tiefer in die Tasche greifen. Bahncards kosten 2,9 Prozent mehr. Der Aufschlag bei Streckenzeitkarten und Karten zum Flexpreis bewegt sich ebenfalls auf diesem Niveau.

Der Frammersbacher Andre Weinrich pendelt täglich mit dem Zug zur Arbeit im Jugendkulturzentrum in Aschaffenburg. Er beschwert sich, dass die Bahn jedes Jahr die Ticketpreise erhöht, aber an der Infrastruktur und am Service spart. Seit der 56-Jährige im Jahr 2006 das Zweitauto abgeschafft und auf den Zug umgestiegen ist, habe sich sein Kombiticket für Bus und Bahn nach eigener Aussage jährlich um durchschnittlich 48,50 Euro verteuert.

Anfangs bezahlte er für seine Abofahrkarte, bei der eine Bahncard 25 im Preis inbegriffen ist, gut 94 Euro im Monat. Derzeit bucht die Bahn monatlich bereits knapp 155 Euro ab. Wie viel teurer es ab dem Fahrplanwechsel im Dezember für ihn wird, weiß der Sozialarbeiter noch nicht.

Frammersbacher steht nicht alleine da

Mit seinem Ärger steht der Frammersbacher nicht alleine da: Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn, berichtet, dass "viele Stammkunden der Bahn verärgert sind, weil sie mehr zahlen sollen, während die Sparpreise, die zum großen Teil von Gelegenheitskunden genutzt werden, nicht teurer werden". Bahnkunden würden mit Unverständnis reagieren, "dass gerade die Menschen, die sich umweltgerecht verhalten, deutliche Preissteigerungen ertragen müssen, während gleichzeitig der motorisierte Individualverkehr massiv gefördert wird", so Naumann.

Ein Bahnsprecher verweist auf Anfrage unseres Medienhauses dagegen auf steigende Materialkosten, beispielsweise für Stahl, sowie steigende Energiepreise, die der Konzern auszugleichen habe. "Mit der Preisanpassung in Höhe von durchschnittlich 1,9 Prozent liegen wir dennoch deutlich unterhalb der aktuellen Inflationsrate von 4,1 Prozent in Deutschland", schreibt er.

Eine Fahrt im Fernverkehr koste nach Angaben der Bahn auch nach der Preisanpassung im Dezember etwa so viel wie im Jahr 2012. Dies habe auch mit der von der Bundesregierung beschlossenen Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Bahntickets von 19 auf sieben Prozent zu tun, die Anfang 2020 in Kraft getreten ist. "Wir haben das in vollem Umfang an unsere Kunden weitergegeben", betont der Bahnsprecher.

Jedes Jahr mehr bezahlt

Andre Weinrich nennt das Zahlenspielereien. "Als Endverbraucher schaue ich, was mir abgebucht wird und das ist jedes Jahr mehr", sagt er. Der Frammersbacher Zugpendler ist Kummer gewöhnt. Er kritisiert, dass die Serviceleistungen der Bahn nicht ausgebaut, sondern zurückgefahren werden. Dafür zieht er den Partensteiner Bahnhof als Beispiel heran: Vor 15 Jahren habe es hier einen Wartesaal und eine Toilette gegeben. Zwischenzeitlich sei der Bahnhof verkauft und zum Haltepunkt degradiert worden, an dem nur noch ein Plexiglashäuschen stehe. "Außerdem ist er null behindertengerecht. Ältere Menschen oder Seh- und Gehbehinderte sowie Rollstuhlfahrer können die Bahnsteige nur über Treppen erreichen", bemängelt der 56-Jährige.

Auch in Sachen Pünktlichkeit hat die Bahn offenbar noch viel Nachholbedarf. Andre Weinrich berichtet, dass der Zug regelmäßig verspätet ist. Derzeit seien Verspätungen zwischen 30 und 60 Minuten wegen einer Baustelle eher die Regel als die Ausnahme, berichtet der Vielfahrer. Da die Züge im Stundentakt verkehren, handelt es sich also teilweise um Zugausfälle. "Jetzt ist es die Baustelle, vorher war es der Streik", sagt der Frammersbacher. Genervt ist er auch von zu langsamen oder gar komplett fehlenden Informationen, wenn der Zug im Aschaffenburger Hauptbahnhof auf einem anderen Gleis abfährt oder später ankommt.

Oft den Anschlussbus verpasst

"Ich habe in 15 Jahren schon enorm viel Zeit verloren. Junge Leute kann man so unmöglich für den ÖPNV begeistern", betont Andre Weinrich. Schon oft hat er seinen Bus verpasst, der ihn vom Bahnhof in Partenstein nach Frammersbach bringt. Je nach Wetter wartet er dann eben auf den nächsten Bus, läuft 50 Minuten nach Hause oder lässt sich abholen. "Wenn man einen Termin hat und umsteigen oder Bahn und Bus kombinieren muss, dann wird es schwierig", resümiert der 56-Jährige.

Doch warum fährt er überhaupt noch mit der Bahn? "Es ist nach wie vor billiger als ein zweites Auto", antwortet er mit Verweis auf die derzeitigen Benzinpreise. Andre Weinrich bezeichnet die eigentliche Zugfahrt auch als bequem. Er ist ein leidenschaftlicher Leser und verschlingt auf seinem zweistündigen Arbeitsweg unzählige Seiten. Gerade im Winter schaut er im Zug lieber in ein Buch als angestrengt durch die Windschutzscheibe seines Autos, um "über den Berg im Spessart" zu kommen.

Preissteigerungen im Fern- und Nahverkehr

Zu­g­rei­sen wer­den ab 12. De­zem­ber teu­rer. Die Deut­sche Bahn er­höht die Fahr­p­rei­se im Schnitt um 1,9 Pro­zent im Fern­ver­kehr. Auch im Re­gio­nal­ver­kehr müs­sen sich Bahn­fah­rer auf höhe­re Ti­cket­p­rei­se ein­s­tel­len.
Für Fahrten außerhalb von Verkehrsverbünden werden durchschnittlich rund 1,7 Prozent mehr fällig, wie der Tarifverband der Bundeseigenen und Nichtbundeseigenen Eisenbahnen in Deutschland (TBNE) kürzlich mitteilte.
Laut der Deutschen Presse-Agentur gehören dazu außer der Deutschen Bahn unter anderem deren Konkurrenten Abellio, Benex, National Express, Netinera und Transdev. Die Preiserhöhung betreffe etwa 20 Prozent der Fahrten im Regionalverkehr, ansonsten gelte der Tarif der regionalen Verkehrsverbünde, schreibt die dpa weiter.
Karl-Peter Naumann, Ehrenvorsitzender des Fahrgastverbands Pro Bahn, nennt auch die mangelnde Ausstattung des Systems Eisenbahn mit staatlichen Finanzmitteln als Grund für die Preiserhöhungen. "Im europäischen Vergleich sind wir mit 88 Euro pro Einwohner und Jahr auf einem der letzten Plätze", betont er. Zum Vergleich: Nach Angaben der Allianz pro Schiene lagen die Pro-Kopf-Investitionen des Staates in die Schienen-Infrastruktur im vergangenen Jahr in Österreich bei 249 und in der Schweiz bei 440 Euro.
Die Deutsche Bahn verweist im Fernverkehr auf "umfangreiche Verbesserungen im Fahrplanangebot". Nach Angaben eines Bahnsprechers gegenüber unserem Medienhaus erhöhe sich zum Fahrplanwechsel im Dezember nicht nur die Zahl der besonders schnellen ICE-Verbindungen (Sprinterlinien) zwischen den Metropolen, sondern es würden auch einige Städte und Regionen ganz neu an das Fernverkehrsnetz angebunden. "Darüber hinaus kommen weitere modernste ICE 4-Fahrzeuge mit über 900 Sitzplätzen zum Einsatz." 
Quelle: dau
 
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