Feine Züge grobem Beton zu abzuringen, ist die neue Leidenschaft von Paul Bode. Die Bildhauerei setzt ein gewisses künstlerischen Talent voraus, der spröde Werkstoff Beton verlangt zusätzlich handwerkliches Geschick. Genau das Richtige für den passionierten Tüftler und Bastler Paul Bode. Mit einer kleinen Ausstellung auf dem Gelände von Blumen-Többe in Gemünden zeigt er seine Arbeit erstmals in der Öffentlichkeit. Aufsehen erregen zwei lebensgroße Figuren, denn der Künstler hat sich selbst und seinen Freund Ferdinand Heilgenthal verblüffend real nachgebildet.
Der Drang zum Großen
„Ich hatte den Drang, was Großes zu schaffen“, erzählt Paul Bode über seinen Weg von der Malerei über die Holzschnitzerei und Töpferei zum Beton. Für große Holzfiguren wie sie etwa der Kettensägenkünstler Bernhard Försch in Gräfendorf fertigt, fehlen dem Gemündener der Platz und die Maschinen. Außerdem wäre die Nachbarschaft im Grautal sicher nicht erfreut, würde der 50-Jährige sein Hobby mit Kettensäge und Kran pflegen.
Als Ausgangsmaterial ist Beton leichter und nachbarschaftsverträglich zu verarbeiten, stellt aber wiederum besondere Ansprüche bei der Bearbeitung. Das zeigt sich an Marie. Die im Vorgarten knieende fast einen Meter hohe Frauenfigur Marie – Paul Bode gibt seinen Werken Namen – war seine erste Beton-Arbeit, entstanden vor einigen Jahren aus Mörtel-Resten vom Fliesenverlegen. Nach einiger Zeit riss die Oberfläche der Figur, und ihr Schöpfer verbannte sie zur Reparatur in seinen Schuppen. „Wo ist denn Marie?“, wollten Passanten wissen. „Die hat Hautprobleme“, antwortete Bode.
„Geht nicht, gibt's nicht“ und „Selbst ist der Mann“ lauten die Grundsätze des gelernten Maschinenbautechnikers aus Frickenhausen in der Rhön. Das alte Haus im Gemündener Spessartweg renovierte er weitgehend selbst, baute es später aus und um, pflasterte und legte vor einigen Jahren noch einen Naturbadeteich im Garten an. Die Zeit dafür hat er, da er sich mit seiner Frau entschied, Hausmann zu sein, als sich bei dem Paar der Nachwuchs (zwei Töchter) einstellte. Schon als seine Frau studierte, baute er ihr ohne Vorkenntnisse einen Schreibtisch; auch ein Ehebett hat er selbst geschreinert.
Maries Hautprobleme ließen dem Heimwerker keine Ruhe, mussten aber wegen verschiedener Nebenjobs warten. Zwischenzeitlich, im Herbst 2012 und 2013, besuchte er mit der Gemündener Malerin Brigitte Heck zwei Töpfer-Kurse in Veitshöchheim, aber „das hat nicht richtig Spaß gemacht“, vor allem nicht die Einschränkung durch die Größe des verfügbaren Brennofens. So wandte sich Bode wieder Marie im Besonderen und Beton im Allgemeinen zu. Als Autodidakt suchte er sich Informationen zusammen und befragte einen Freund an der Materialprüfungsanstalt Braunschweig.
Außerdem belegte der 50-Jährige im April dieses Jahres einen dreitägigen Kurs bei einem Betonkünstler. Dort entstand Theo, ein 1,20 Meter großes Männchen, das an eine Loriot-Figur erinnert. Theo bewacht seither mit aufgemalter Badehose und -kappe den Schwimmteich im Bodeschen Garten. Nach dem aufschlussreichen Kurs wurde zuerst Marie mit dem neu erworbenen Wissens repariert – „das geht leicht bei Beton“ – und aufgehübscht.
Dann folgten als Übungsstücke ein Huhn, ein kleiner Elefant, eine Schnecke und einige Nanas, wie die Plastiken der französischen Künstlerin Niki de Saint Phalle heißen, die füllige Frauenformen zeigen. Humor begleitet stets die Arbeit Paul Bodes. Er zitiert den Werbespruch: „Beton – es kommt darauf an, was man daraus macht.“
20 Minuten Dauerlächeln
Blieb der Wunsch, Großes zu schaffen: Im Juli übte sich der Gemündener an seiner ersten Menschenfigur – sich selbst in sitzender Pose. 150 Arbeitsstunden sind für eine Nachbildung in Lebensgröße anzusetzen. Für das Gesicht und die Hände nimmt Paul Bode Gipsabdrücke. Vor allem die Gipsmaske fordert auch dem Modell Mühen ab, denn ein Lächeln zum Beispiel, an dem ein Dutzend Gesichtsmuskeln beteiligt ist, muss während der Trocknungszeit von 20 Minuten sozusagen eingefroren werden.
Vielleicht deswegen lächelt der sitzende, versteinerte Bode nicht. Dafür Ferdinand Heilgenthal umso mehr. Wegen dessen markanten Kopfes hatte der Beton-Künstler den Freund überredet, sich als Modell in typischer Pose als Main-Post-Reporter mit Fotoapparat zur Verfügung zu stellen: „Der Ferdl ist ein Typ!“ Das Ergebnis ist verblüffend wirklichkeitsgetreu. Der graue Beton verstärkt diese Wirkung noch mit Schatten je nach Lichteinfall. Deshalb verzichtet Bode bei den Nachbildungen auf Farbe.
Die Herstellung: Den Körper bilden verklebte Styroporteile. Mit einer selbst gebauten Heißdraht-Säge schneidet Bode die grobe Silhouette aus und arbeiten mit einem Messer und zum Schluss einer Drahtbürste nach. Darauf spachtelt er etwa einen Zentimeter stark eine mit Glasfasern verstärkte Betonschicht. Für den perfekten Faltenwurf zum Beispiel einer Jacke arbeitet er Hasendraht ein. Zweieinhalb Säcke Zement verbraucht eine Figur, 70 bis 80 Kilogramm wird sie schwer – standfest, witterungsbeständig und jetzt ohne „Hautprobleme“.
Für seine Betonarbeiten hat Paul Bode so viel Zuspruch erfahren – Marie wollten schon einige kaufen –, dass er sich mit seinen Werken in die Öffentlichkeit traut. Noch etwas zögerlich, aber ja, Kurse für Nanas zum Beispiel über die Vhs könnte er sich vorstellen, auch Auftragsarbeiten für Großfiguren.
Schon ist er dabei, den offenen Schuppen im Garten zu verlassen (Styroporkügelchen sind nicht leicht einzufangen); mit der Holzkünstlerin Yvonne Hemmerich (HolzmitStiHL) aus Adelsberg „ziehe ich mit meinem Hacklebasch“ in eine Halle am Bahngelände. Ob sich mit seiner Kunst Geld verdienen lässt, weiß Bode nicht: „Mal sehen, wo die Reise hingeht.“