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GEMÜNDEN
Otto Christin entwickelte Gemünden zur modernen Kommune
Kluger Taktiker: Otto Christin lenkte 25 Jahre lang die Geschicke Gemündens. In seiner Amtszeit entstanden Schlachthaus, Wasserversorgung und Elektrizitätswerk. Er entwickelte eine moderne Stadt.
Familiengrab erhalten: Das Grabmal der Familie Christin im Gemündener Friedhof pflegt die Stadt. Otto Christins Gedenkstein ist der zweite von rechts.
| Familiengrab erhalten: Das Grabmal der Familie Christin im Gemündener Friedhof pflegt die Stadt. Otto Christins Gedenkstein ist der zweite von rechts.
Von Norbert Schuch, Archivar der Stadt Gemünden
 |  aktualisiert: 30.10.2013 16:57 Uhr

Otto Christin – Apotheker, Bürgermeister und Ehrenbürger der Stadt Gemünden – starb vor 100 Jahren. In seiner 25-jährigen Amtszeit hatte der engagierte Bürger Herausragendes für seine Vaterstadt geleistet. Er katapultierte die Dreiflüssestadt ins 20. Jahrhundert – Gemünden war eine der fortschrittlichsten Kommunen Bayerns. Die Ehrenbürgerwürde erhielt er noch im Amt. Tragisches Ende: Der Begründer der Scherenburgfestspiele nahm sich im Oktober 1913 das Leben.

Am 8. August 1847 wurde Christin in Gemünden geboren und in der Pfarrkirche St. Peter und Paul getauft. Sein Vater war Karl Theodor Christin, ebenfalls Apotheker in Gemünden. Der junge Christin ging in Gemünden zur Schule. Nach dem Abitur studierte er in Würzburg „Pharmacie“ und praktizierte nach hervorragend bestandenem Examen in Stuttgart und Zürich.

Im deutschen Bruderkrieg diente Otto Christin im bayerischen Heer in der Sanitätsabteilung. Im Jahr 1884 beendete er als Oberapotheker den Militärdienst und übernahm im Alter von 37 Jahren von seinem Vater die „Christin'sche Apotheke“ (heute Alte Apotheke). Daneben war er bereits bei der Stadt Gemünden tätig. Als junger Magistratsrat verdiente er sich die ersten Sporen – unter anderem mit der Neuordnung des Feuerlöschwesens und beendete damit die Rivalitäten zwischen den Pflichtfeuerwehren und den freiwilligen Feuerwehren.

Am 1. Januar 1888 wurde Otto Christin zum Bürgermeister der Stadt Gemünden gewählt. Mit Umsicht und Fleiß verschaffte er sich rasch Anerkennung und Ansehen. Als Erstes richtete er eine „Kinderbewahranstalt“ ein, nachdem eine namhafte Spende eingegangen war. Dieser folgten nach und nach eine Mädchenarbeitsschule und eine ambulante Krankenpflegestation.

Besonders hervorzuheben sind seine Leistungen auf dem Gebiet der Gesundheitspflege. So setzte er sich als Angehöriger eines Heilberufes für die Verbesserung der hygienischen Verhältnisse in der Stadt ein. Krankheiten wie Typhus und Ruhr konnten eingedämmt werden. Christin gelang es, in Gemünden, als einer der ersten Städte vergleichbarer Größe in Bayern, ein öffentliches Schlachthaus an der Saalebrücke zu bauen.

Bürgermeister Otto Christin verfolgte mit kluger Taktik und Zähigkeit seine Ziele. So setzte er bei der Münchener Zentralverwaltung durch, dass das Gemündener Bezirksamt (ehemaliges Landratsamt) am 9. August 1902 wieder den Betrieb aufnahm. Es war im Jahr 1872 als Folge des deutschen Bruderkrieges aufgelöst und kurzerhand dem Bezirksamt Lohr zugeteilt worden.

Christin war auch ein Menschenfreund. Vor dem Jahr 1900 war er Ortsdelegierter des Landeshilfsvereins des Roten Kreuzes. Am 1. Oktober 1900 gründete er als Kolonnenführer mit Gleichgesinnten die freiwillige Sanitätskolonne des Roten Kreuzes. Die Gemündener Kolonne war eine der ersten in Mainfranken.

Auf dem Gebiet der Technik setzte der Bürgermeister auch neue Maßstäbe: 1908 gelang es ihm, in der Stadt die erste zentrale Wasserversorgung einzurichten und einen Privatunternehmer zu überzeugen, ein Elektrizitätswerk zu bauen. 1908 erstrahlten erstmals elektrische Leuchten in Gemünden.

Otto Christin war aber auch ein Freund der Geselligkeit und der Musen. Er war der Begründer der Scherenburgfestspiele. An Pfingsten 1909 wurden erstmals das Ritterschauspiel „Das Schlüsselfräulein von Gemünden a. M.“ aufgeführt sowie ein Festzug veranstaltet. Die Vorstellungen fanden weit über die Grenzen der Stadt hinaus Beachtung. Die Presse berichtete damals über den großen Erfolg der Festspiele, bei denen die Bürgermeistertochter „Klärchen“ die Hauptrolle spielte. In den Jahren 1910 und 1911 wurden die Festspiele erneut veranstaltet. Der Bürgermeister engagierte sich bei diesen Festspielen sowohl persönlich als auch finanziell stark.

Fünf Jahre lang war Otto Christin führender Magistrat und 25 Jahre lang Bürgermeister in Gemünden. Er hat in dieser Zeit Herausragendes für die Stadt und ihre Bewohner geleistet. Aufgrund dieser Verdienste verlieh ihm der Stadtmagistrat am 1. Januar 1913 zu seinem 25-jährigen Amtsjubiläum das Ehrenbürgerrecht der Stadt Gemünden.

Als letztes Zeichen des Bürgermeisters ist im Stadtarchiv ein Protokoll vom 26. April 1913 nachweisbar. Bürgermeister Otto Christin nahm sich am 4. Oktober 1913 im Alter von 66 Jahren das Leben. Er wurde auf dem städtischen Friedhof in Gemünden im Familiengrab beigesetzt.

Engagiert: 1900 gründete Otto Christin die Sanitätskolonne des Roten Kreuzes.
| Engagiert: 1900 gründete Otto Christin die Sanitätskolonne des Roten Kreuzes.
Festzug zu den Festspielen: Otto Christin war der Begründer der Scherenburgfestspiele. An Pfingsten 1909 wurde zum ersten Mal das Ritterschauspiel „Das Schlüsselfräulein von Gemünden“ aufgeführt. Das Foto zeigt den Festzug mit dem Gemunda-Wagen und den allegorischen Darstellungen von Main, Sinn und Saale.
Foto: Repro/Norbert Schuch/Michael Fillies | Festzug zu den Festspielen: Otto Christin war der Begründer der Scherenburgfestspiele. An Pfingsten 1909 wurde zum ersten Mal das Ritterschauspiel „Das Schlüsselfräulein von Gemünden“ aufgeführt.
Ehrenbürger: der Apotheker und Bürgermeister Otto Christin.
| Ehrenbürger: der Apotheker und Bürgermeister Otto Christin.
 
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