Trotz Corona-Pandemie hat der Tourismus in Lohr 2021 einen Aufschwung genommen. Besonders positiv ist für Jürgen Goldbach, den Leiter der Touristinfo, der Anstieg der Verweildauer der Gäste. Im gerade begonnenen Jahr ist für ihn ein "extrem hohes Maß an Flexibilität" wichtig, um möglichst viele Angebote realisierbar zu halten.
"Unter den gegebenen Umständen ist das Jahr 2021 aus touristischer Sicht sehr gut gelaufen", sagte Goldbach im Gespräch mit dieser Redaktion. An den Zahlen, die bislang für Januar bis Oktober vorlägen, könne man deutlich erkennen, "dass es langsam wieder bergauf geht". 71 235 Übernachtungen entsprächen einem Plus von 33,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Aufgrund von Verunsicherungen, Einschränkungen und häufig wechselnden Regelungen sei das Reiseverhalten der Besucher noch etwas zurückhaltend. Das spiegelt sich laut Goldbach in einer leicht rückläufigen Anreisequote von 27 328 (minus 6,7 Prozent) wieder. Aber auch hier sei eine leichte Erholung spürbar. Es lasse sich sagen, dass die Gäste nun länger in Lohr verweilten.
Aufenthaltsdauer gestiegen
Habe die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der vergangenen Jahre immer stabil bei 1,8 Nächten gelegen, sei diese im Jahr 2021 auf 2,6 Nächte angestiegen. Das zeige deutlich, dass der Inlandstourismus an Bedeutung und Wichtigkeit gewinne. Die Menschen reisten zögerlicher, aber wenn sie reisten, blieben sie länger und sähen sich einen Ort genauer an. Nach Angaben des Leiters der Touristinfo ist damit zu rechnen, dass sich die Aufenthaltsdauer in den nächsten Monaten wieder etwas nach unten reguliert, aber auch künftig werde Lohr von diesem Trend profitieren.
Dazu komme, dass die Übernachtungen von Schulklassen und Reisegruppen in der inzwischen geschlossenen Jugendherberge im vergangenen Jahr komplett weggefallen seien. "Das macht das sehr gute Ergebnis noch mal so erfreulich", erklärte Goldbach. Mit diesen Übernachtungszahlen und Gästeankünften liege Lohr weiterhin auf Platz eins im Kreis.
Aus den vorliegenden statistischen Zahlen lasse sich der Anteil an Dienst- beziehungsweise Geschäftsreisen nicht herauslesen. Selbstverständlich profitiere Lohr von einer starken Industrie vor Ort, aber auch hier hätten aufgrund der Pandemie zahlreiche Reisen nicht stattfinden können. Viele Unternehmen nutzten vor allem in den Zeiten des Lockdown die Möglichkeiten von Videokonferenzen. Es bleibe zu beobachten, wie sich dieser Sektor in den kommenden Jahren entwickeln werde. Von einem kompletten Wegfall gehe er aktuell aber nicht aus.
Glaube an Normalität
Zu den touristischen Angeboten im vergangenen Jahr sagte Goldbach, pandemiebedingt hätten die meisten abgesagt werden müssen. Auch das kostenfreie Angebot an Kulturspaziergängen und offenen Stadtführungen habe die Touristinfo erst im Juni langsam wieder aufnehmen können. Diese hätten sich dann aber schnell wieder wachsender Beliebtheit erfreut.
Ganz besonders hat sich Goldbach darüber gefreut, dass das Rambourfest Ende Oktober so gut besucht war. Neben dem Rambourfest hätten ab Juni Kulturspaziergänge und offene Stadtführungen, allgemeine Stadtführungen, Themen- und Kostümführungen sowie Schneewittchenbegrüßungen stattfinden können.
Frühlingsfest, Weinfest und klingendes Lohr, die Spessartfestwoche, statt derer es zehn Tage lang den Lohrer Biergarten auf der Mainlände gegeben habe, Schneewittchenfest und Weihnachtsmarkt hätten abgesagt werden müssen. Das gelte auch für die Karfreitagsprozession, die keine touristische Veranstaltung sei. Stadtführer sind nach Goldbachs Angaben keine abgesprungen. "Auch unsere Schneewittchen-Darstellerinnen sind alle noch da." Ganz im Gegenteil "waren und sind alle ganz heiß darauf, wieder viele Besucher in unserer tollen Stadt begrüßen zu dürfen".
Hotel- und Gastrobranche stark gebeutelt
Im vergangenen Jahr habe es 236 Stadtführungen und 84 Kostümführungen gegeben, an denen knapp 4000 Gäste teilgenommen hätten. Selbstverständlich seien auch hier die Zahlen noch rückläufig. Das Interesse von Busreise- und Reisegruppenveranstaltern sei aber ungebrochen.
Für den Tourismus unabdingbar sind Hotels und Gaststätten vor Ort. Dieses Gewerbe ist nach Goldbachs Worten neben dem Einzelhandel von der Pandemie mit am schlimmsten betroffen. Häufig wechselnde Vorschriften, Hygienekonzepte, ausbleibende Gäste und mehrere Lockdowns hätten die Branche stark gebeutelt.
Umso froher sei er, dass in Lohr "fast niemand auf der Strecke geblieben ist und wir weiterhin mit einer attraktiven und stabilen Genuss- und Übernachtungslandschaft dastehen". Es sei sogar gelungen, ein paar neue Ferienwohnungsanbieter für den Verkehrsverein zu gewinnen.
Personalmangel ist große Herausforderung
Eine riesige Herausforderung in Hotellerie und Gastronomie werde der Personalmangel sein. Die Lage habe sich seiner Meinung nach in der Pandemie noch verschlimmert. Das sei allerdings kein regionales Problem. Auf die Frage nach seinen Plänen für 2022 meinte der Leiter der Touristinformation: "In Zeiten wie diesen ist es ungemein schwierig, von planen zu sprechen. Kaum hat man eine Idee, kommt auch schon die nächste Coronabotschaft um die Ecke, die alles wieder mit großen Fragezeichen versieht." Zunächst hoffe er auf eine baldige Normalisierung der Lage, auf eine Stabilisierung.
Die Menschen sehnten sich danach, wieder "entspannt" Urlaub machen zu können. "Wir treten dem Ganzen mit einem extrem hohen Maß an Flexibilität entgegen und versuchen, möglichst viele Angebote auch mit oder gerade trotz Corona durchführbar zu halten." Das sei nicht immer einfach, "aber ich denke, die Zahlen sprechen für sich".
Das Thema Digitalisierung werde die Touristinformation mehr und mehr begleiten, "wir gehen mit, wo es sinnvoll erscheint". Ein erster Schritt sei das Projekt gewesen, die vorhandenen Hörbänke und Hörbäume sichtbarer zu machen. Weitere Aktionen wie etwa die Überarbeitung der Homepage sollten folgen.
Erster Eindruck in sozialen Medien
Seit einem guten Jahr setzt die Touristinfo laut Goldbach verstärkt und mit großem Erfolg auf die sozialen Medien. Ausdrucksstarke Bilder sollten einen ersten Eindruck von der Schönheit von Stadt und Umgebung vermitteln und den potenziellen Besucher für einen Aufenthalt begeistern. Hier gebe es noch viel Potenzial. Auf Facebook (@LohrMain) habe die Touristinfo derzeit 2943 Follower, auf Instagram (@lohrmain) 1537 Follower.
Die Angebote und Formate würden ständig überprüft und auf die jeweilige Situation angepasst. Die Lage Lohrs als "Tor zum Spessart" und direkt am Main-Radweg mache die Stadt "ja schon fast coronakonform", entgegnete Goldbach auf die Frage, ob coronakonforme touristische Angebote entwickelt würden. "Wo könnte man besser einem großen Gedränge aus dem Weg gehen und eine Ansteckungsgefahr stark reduzieren, als auf einer ausgedehnten Wanderung oder einer Radtour entlang des Mains?"
Selbstverständlich dürfe man hier nicht aufhören, weshalb die Touristinfo dabei sei, neue Formate zu entwickeln, "die sich vom pandemischen Geschehen nicht beeinträchtigen lassen". In der heutigen Zeit sehnten sich die Menschen nach Altvertrautem, Entschleunigung und Romantik. Der Blick in den "sprechenden Spiegel" oder die Begrüßung durch ein waschechtes Schneewittchen erfreuten sich ungebrochener Beliebtheit.
Ein Alleinstellungsmerkmal
Es gebe eigentlich kein Kind, das nicht von der Prinzessin und ihren sieben Zwergen gehört habe, und sich nicht wünsche, das Märchen "erfahren" zu können. Märchen seien ein fester Bestandteil unserer Kultur und würden es auch immer bleiben, so Goldbach. Deshalb sei das Schneewittchen-Motiv als Werbeträger auch nicht "ausgelutscht" und werde es auch nicht werden.
In einer Region, in der viele von Wald, Wandern und Radfahren profitierten, gebe die Geschichte um die berühmteste Lohrerin der Stadt ein Alleinstellungsmerkmal, "auf das wir stolz sein können und aufgrund dessen Jahr für Jahr unzählige Touristen in unser Städtchen kommen". Der Werbeträger Schneewittchen sei für den Tourismus in Lohr inzwischen genauso wichtig wie der Spessart selbst.
Für die neuen Mega-Trends im Tourismus wie Urlaub im eigenen Land, nachhaltige Erholung in der Natur und auf dem Rad sieht Goldbach Lohr gut gerüstet: "Durch Vorarbeit und Weichenstellungen in der Vergangenheit sind wir bereits heute bestens gewappnet für die neuen Mega-Trends." Wandern, Individualurlaub und Radfahren seien schon jetzt fest mit Lohr verbunden.
Lob für Ladestationen
Über Angebote wie Waldbaden, also das bewusste Erwandern und Erleben des Waldes, werde nachgedacht. Wanderrouten der unterschiedlichsten Schwierigkeitsgrade warteten auf die Besucher. Für Radfahrer gebe es nicht nur den Main-Radweg, sondern sowohl anspruchsvolle als auch entspannte Möglichkeiten, den Drahtesel ausgiebig zu nutzen.
E-Bike-Fahrer lobten die Ladestationen am Schlossplatz und in Sendelbach am Schulmuseum. Die Lage ziemlich genau in der Mitte Deutschlands tue den Rest, so der Leiter der Touristinformation. Egal, ob als Sprungbrett von Nord nach Süd oder Ost nach West oder als Reiseziel für mehrere Tage, Lohr liege immer in erfahrbarer Distanz. Das seien alles Punkte, "die uns für den Trend des Urlaubs im eigenen Land sehr attraktiv machen".