Aufgrund der Corona-Pandemie ist das private und berufliche Leben vieler Menschen noch digitaler geworden. Videokonferenzen statt persönlicher Besprechungen, Arbeit und Unterricht in den eigenen vier Wänden, selbst Weinproben und Konzerte fanden häufig via Monitor statt. Während die Deutschen immer öfter im Netz sind, sank voriges Jahr laut einer Studie die Zahl derer, die Behördengänge online erledigen. Auch die Zufriedenheit mit der digitalen Verwaltung nahm dem E-Government Monitor 2021 zufolge deutlich ab.
Hat die Verwaltung den Online-Trend verpennt oder gehen viele Bürger doch lieber persönlich aufs Amt? Das Lohrer Rathaus ist selbst für jemanden aus Ruppertshütten nur einen Mausklick entfernt. Für so manchen Behördengang genügt es bereits, wenn die Finger über die Tastatur wandern. Bürgermeister Mario Paul spricht von einem "reichhaltigen digitalen Angebot". Er sieht seine Behörde gut aufgestellt.
Von der Geburts- über die Ehe- bis zur Sterbeurkunde lässt sich auf dem Lohrer Standesamt einiges im Internet anfordern. Das sei natürlich der viel einfachere und schnellere Weg, wenn man auswärts wohne, sagt Hauptamtsleiter Dieter Daus. Beim Einwohnermeldeamt lassen sich Führungszeugnisse und Meldebescheinigungen online beantragen. Bezahlen kann der Antragsteller seine Unterlagen mit Kreditkarte oder giropay.
Hund einfach online anmelden
Die Lohrer Stadtbücherei bietet auf einem Portal namens Franken-Onleihe fast 75 000 digitale Medien zum Herunterladen an. Wer in der Schneewittchenstadt einen Hund anmelden will, kann sich ebenfalls den Gang zum Rathaus sparen und das mit der Maus im Internet erledigen. In der für die Hundesteuer zuständigen Kämmerei gebe es kaum noch Publikumsverkehr, sagt Venke Riegel, die das Sachgebiet Steuern und Beitragserhebung leitet. "Im letzten halben Jahr war vielleicht einer im Rathaus, um seinen Hund an- oder abzumelden."
Der Hund ist das eine, der Mensch das andere: Denn wer zu- oder umzieht, kann zwar über den Online-Bürgerservice seine Daten eintragen, doch den persönlichen Gang ins Einwohnermeldeamt ersetzt das nicht. Gleiches gilt für die Beantragung eines neuen Personalausweises oder Reisepasses. Die Leiterin des Einwohnermeldeamts, Heike Nickel, weist darauf hin, dass in diesen Fällen die persönliche Vorsprache nach dem Bundesmeldegesetz verpflichtend sei. Der Bund müsste das Gesetz ändern, um den Wunsch nach einer rein digitalen Abwicklung zu erfüllen.
Bei Anfragen zum Führungszeugnis weist das Rathaus ausdrücklich darauf hin, dass dieses komplett online beantragbar ist. Oft würden die Leute trotzdem nach einem persönlichen Termin fragen, berichtet Nickel. "Das Lohrer Rathaus liegt zentral und einen Termin bekommt man meist noch am selben Tag. Wenn wir Wartezeiten von vier Wochen wie in Würzburg hätten, wäre das anders", erläutert die 55-Jährige.
Wasserzähler werden in zwei Tagen abgelesen
Wie die Digitalisierung zu einer erheblichen Effizienzsteigerung führen kann, erklärt Bürgermeister Mario Paul anhand der Wasserzähler. Früher hätten die Stadtwerke mit einem Dutzend zusätzlich eingestellter Saisonkräfte sechs Wochen gebraucht, um die rund 4600 Wasseruhren in Lohr abzulesen. Nun schaffe es eine Person in nur zwei Arbeitstagen, die digitalen Wasserzähler per Funk auszulesen. Dafür muss sie noch nicht einmal mehr aus dem Auto aussteigen und in die Wohnung kommen. Nach Angaben des Rathauses verfügen nur noch etwa 110 Haushalte in Lohr über analoge Wasseruhren.
Derzeit arbeitet die Stadt auch daran, dass Eltern den Betreuungsbedarf für ihre Kinder im Internet anmelden können. Für das Kindergartenjahr, das am 1.September dieses Jahres startet, wird es noch nicht klappen, aber sobald die Software einsatzbereit ist, soll es laut Daus losgehen.
Im Netz für Bauplätze bewerben
Ähnlich verhält es sich mit dem Baupilot, der das Lohrer Bauamt entlasten soll. Wer Interesse an einem Bauplatz im Sendelbacher Baugebiet "Erweiterung Romberg/Südlich Steinfelder Straße" hat, kann sich im Netz über das Angebot informieren. Der eigentliche Bewerbungsprozess soll bis spätestens Ostern scharf geschaltet werden, sagt Mario Paul. Er erhofft sich, dass dieser künftig "deutlich schneller und schlanker über die Bühne gehen wird".
Während die Online-Bewerbung für Bauplätze noch Zukunftsmusik ist, ist bei offenen Stellen im Lohrer Rathaus bereits Usus: Ausgehend von der digitalen Personalakte führt die Behörde nun die E-Akte ein. Für die dazu benötigte Software sind mehrere Zehntausend Euro im Haushalt eingeplant. "Wie jeder digitale Prozess muss er zusätzlich zum Tagesgeschäft gemacht werden", betont der Hauptamtsleiter.
Dank extrem engagierter Beschäftigter habe man die Digitalisierung im Griff, auch wenn die finanzielle Situation es nicht zugelassen habe, extra dafür eingestellte Digitallotsen zu bekommen, ergänzt der Bürgermeister. Doch das Lohrer Rathaus fängt bei der Umstellung auf die elektronische Akte nicht bei Null an. Ein Dokumentenmanagement-System habe man seit 15 Jahren im Haus. In der Regel seien Papierakten auch digital vorhanden, erklärt Daus.
"Smart City" kostet zu viel Geld
Dass sich der Stadtrat voriges Jahr mehrheitlich gegen eine Bewerbung für das vom Bundesinnenministerium geförderte Modellprojekt "Smart City" entschieden hat, versteht der Bürgermeister einerseits. Der finanzielle und arbeitstechnische Aufwand wäre hoch gewesen, so Paul. Andererseits wäre die Bewerbung nach seiner Aussage für Lohr eine Chance gewesen, das Thema "Digitale Prozesse" für die Stadt und das Leben in der Stadt insgesamt anzugehen.
Mario Paul warnt nicht nur aus Datenschutzgründen davor, die Digitale Transformation allein der Privatwirtschaft zu überlassen. "Wer ist näher dran als die Kommunen, wo die Menschen arbeiten, zur Schule gehen und wohnen?", fragt er.