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Lohr
Ohne Smartphone ist man aufgeschmissen
Die Gleise am Lohrer Bahnhof sind fast menschenleer. Nur in Richtung Aschaffenburg warten einige Unverdrossene auf den Regionalexpress, der in Richtung Untermain fahren soll.
Foto: Thomas Josef Möhler | Die Gleise am Lohrer Bahnhof sind fast menschenleer. Nur in Richtung Aschaffenburg warten einige Unverdrossene auf den Regionalexpress, der in Richtung Untermain fahren soll.
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 09.09.2021 02:41 Uhr

Der Beginn des Streiks der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) am Donnerstag hat auch am Bahnhof Lohr für fast menschenleere Bahnsteige gesorgt. Wer kommt, hat sich vorher im Internet informiert, ob sein Zug tatsächlich fährt. Denn am Bahnsteig ist man ohne Smartphone oder einen anderen Internetzugang aufgeschmissen.

Die Informationstafeln auf den Bahnsteigen informieren über alles Mögliche, Gleisänderungen und Abfahrtsorte der Busse, aber nicht über den Bahnstreik. Einzige "Informationsmöglichkeit" sind die schmalen elektronischen Anzeigetafeln, die von den Decken hängen.

Einzeilig läuft immer wieder derselbe Text durch, von dicken gelben Punkten wie zu Beginn des Elektronikzeitalters gebildet. Erst kommt die Zeit, dann folgt: "Fern- und Regionalverkehr der DB ist wegen GDL-Streik vom 02. bis 06.09. stark beeinträchtigt. Infos auf bahn.de/aktuell."

Einige Unverdrossene stehen am Bahnsteig

Die Bahnsteige sind fast menschenleer, wo sich sonst Reisende drängeln, um in größere Städte wie Aschaffenburg und Würzburg zu fahren. Filmfans fällt womöglich der Beginn des Italo-Westerns "Spiel mir das Lied vom Tod" ein: Drei Revolvermänner warten an einem einsamen Bahnhof auf die Ankunft von Charles Bronson.

Aber ganz einsam ist der Lohrer Bahnhof nicht. Auf dem Bahnsteig in Richtung Aschaffenburg stehen einige Unverdrossene. Eine Frau raucht trotz des Rauchverbots und reagiert unwirsch auf den Versuch der Kontaktaufnahme. Wohin sie fahren will und was sie vom Lokomotivführerstreik hält, will sie nicht sagen.

Hoffnung auf baldiges Ende des Streiks

Umso auskunftsfreudiger ist ein Senior. Er will nach Aschaffenburg und hofft, dass das neue Angebot der Bahn wirkt, das der Konzern kurzfristig der GDL vorgelegt hat. Wenn die Lokführer sich das Angebot ansehen, streiken sie womöglich am Nachmittag nicht mehr, hofft er. Die Bundesregierung müsse eingreifen: "Die sollen sich endlich mal zusammensetzen."

Die Themenpalette des älteren Herrn wird breiter. Jetzt geht es um die Bahn als solche: "Alles haben sie verkauft, alles ist zu, alles ist schlechter geworden." Es folgt eine allgemeine politische Rede über "die Politik" und die Parteien. Nur einen Politiker "liebt" der alte Mann: Hubert Aiwanger. Er spricht ihn "Oiwanger" aus.

Eine junge Frau fährt mit dem Rad auf Bahnsteig 1 bis zum Fahrkartenautomaten. Sie spricht kein Deutsch, nur Spanisch und einige Brocken Englisch. Die Kommunikation ist schwierig. Wie heißt bloß Streik auf Englisch? Sie glaubt, der Berichterstatter wolle sie nach einem Zug oder Bus fragen und schreibt "www.bahn.de" auf.

Der Regionalexpress kommt

Aus einem Taxi steigt ein junger Mann mit zwei Rucksäcken aus. "Wer mehr Geld will, muss dafür kämpfen", sagt er zum Streik. Dass es der GDL womöglich darum geht, der größeren Konkurrenzgewerkschaft EVG das Wasser abzugraben, hat er noch nicht gehört. Er will in Richtung Aschaffenburg und hat sich online informiert, dass der Zug tatsächlich fährt.

Die Hoffnung der Unverdrossenen erfüllt sich, der Regionalexpress fährt ein. Als er wieder weg ist, ist der Bahnhof wirklich menschenleer. Mit etwas Fantasie kann man aus der Ferne Filmmusik von Ennio Morricone hören.

 
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