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Ohne Navi bis nach Jordanien
Allgäu-Orient-Rallye: Jan Schmitt aus Zimmern ist mit einem Freund von Oberstaufen nach Amman gefahren – nur mit Hilfe von Landkarten. Trotz fünf platter Reifen schaffte er es mit seinem 17 Jahre alten BMW ins Ziel.
Ohne Navi bis nach Jordanien
Von unserem Redaktionsmitglied Jochen Jörg
 |  aktualisiert: 26.04.2023 20:15 Uhr

Es war das bislang größte Abenteuer seines Lebens: Jan Schmitt aus Zimmern hat an der Allgäu-Orient-Rallye teilgenommen. Drei Wochen war der 26-Jährige, der unter der Woche bei Mercedes-AMG in Affalterbach arbeitet, unterwegs. Die Route führte ihn von Oberstaufen bis in die jordanische Hauptstadt Amman, die rund 6000 Straßenkilometer entfernt liegt.

Die eigentliche Herausforderung der Rallye war jedoch nicht die weite Strecke, sondern die Vorgabe, dass nur Autos mitfahren durften, die mindestens 20 Jahre alt oder nicht mehr als 1111,11 Euro wert waren. Auf den Wagen, mit dem Jan an den Start ging, traf Letzteres zu. Es war ein BMW 318 Touring, ein Kombi, Baujahr 1996, der gebraucht noch 300 Euro gekostet hatte. 190 000 Kilometer zeigte der Zähler beim Kauf an.

Jan fuhr die Rallye nicht alleine, sondern mit seinem Arbeitskollegen und WG-Mitbewohner Tobias Hertle (28) aus Oettingen. Das Team komplettierten vier weitere Mitglieder, die allesamt aus dem Raum Stuttgart stammen. Zwei waren mit einem Opel Omega Caravan, Baujahr 1994, unterwegs, die anderen mit einem ebenso alten VW Passat. Was vor dem Start keiner der Sechs erwartet hatte: Alle drei Autos kamen bis ans Ziel, wo sie dann den Einheimischen überlassen wurden.

„Unser Team war super, ich würde die Tour jederzeit wieder machen“, sagt Jan. Klar sei es eine Herausforderung gewesen, drei Wochen mit ein und derselben Person in einem Auto zu sitzen. Aber jeder habe versucht, auf die Interessen und Bedürfnisse des anderen Rücksicht zu nehmen – „und das haben wir optimal geschafft.“

Wenn technische Probleme auftraten, konnten sich die Abenteurer selbst helfen. Neunmal mussten sie wegen Reifenpannen anhalten, alleine der BMW hatte fünfmal einen Platten. Gegen Ende ihrer Odyssee zogen sie dem Auto mangels Alternativen zwei Reifen auf, die eigentlich viel zu groß waren. Einem Rallye-Teilnehmer, der beim TÜV in München arbeitet, gefiel die Bereifung besonders gut. Er hob den Daumen und sagte: „Sieht doch cool aus.“ In Deutschland hätte er die Jungs wohl kaum durch den TÜV-Check gewunken.

Geschlafen haben die Teammitglieder meistens in ihren Autos. Jan und Tobias hatten sich mit Brettern über dem Gepäck eine Liegefläche gebaut, die spät abends im BMW zum Einsatz kam. Damit für ihr „Bett“ genug Platz war, wurden die Vordersitze so weit es ging nach vorne geschoben und die Heckbank wurde umgelegt. „Auf eine Matratze haben wir verzichtet, trotzdem war das super zum Schlafen“, sagt Jan. „Im Schnitt jede dritte Nacht ging es in ein günstiges Hotel, obwohl es da manchmal weniger bequem war als im Auto.“

Da Navigationsgeräte nicht erlaubt waren, mussten Jan und seine Teamkollegen mit Landkarten auskommen. Das hat fast überall funktioniert – nur in Ankara nicht. Nachdem sie über zwei Stunden durch die türkische Hauptstadt geirrt waren, half ihnen letztlich ein netter Taxifahrer aus der Patsche. „Als Dankeschön haben wir ihm eine Toblerone-Schokolade geschenkt“, erzählt Tobias.

Weil sie mit der Musik im Radio ab dem Balkan nicht mehr viel anzufangen wussten, stiegen Jan und Tobias auf den Kassettenspieler um. Von einem anderen Team liehen sie sich eine Kassette mit Hits aus den 1990er Jahren, die sie nicht mehr hergaben. Jan erinnert sich: „Wir haben diese Kassette bestimmt hundertmal durchgehört und verbinden jetzt mit jedem einzelnen Lied ganz bestimmte Erinnerungen.“

Was die Freunde auch nie vergessen werden, sind die Sehenswürdigkeiten: das Burggefängnis von Graf Dracula in der Türkei; Hattuša, die einstige Hauptstadt des Hethiter-Reiches im anatolischen Hochland; Jerusalem (bei Sonnenaufgang); das Tote Meer (inklusive eines Bades); die verlassene Felsenstadt Petra in Jordanien, wo Szenen für den Film „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ gedreht worden sind. Das vom Bürgerkrieg erschütterte Syrien wurde von allen Rallye-Teilnehmern umfahren oder – besser gesagt – umschifft. Auch Jan und Tobias nahmen die Fähre vom südtürkischen Hafen Iskenderun nach Haifa in Israel. Bis das Schiff in See stach, dauerte es einige Tage, an denen es teilweise wie verrückt regnete. Und als ob das Warten nicht schon nervenaufreibend genug wäre, kam dann noch die Nachricht von dem Bombenanschlag an der türkisch-syrischen Grenze mit fast 50 Toten – keine 40 Kilometer entfernt. „Da hatten wir schon ein ungutes Gefühl“, gibt Jan zu.

Nicht zuletzt deshalb mischte sich die Freude im Ziel in Amman auch mit Erleichterung. Alle, die es so weit geschafft hatten, bekamen eine Medaille. Nach einer Nacht in einem Fünf-Sterne-Hotel – dem größten Kontrast zu Jans bisherigen Schlafgewohnheiten auf der Tour – ging es per Flieger zurück nach Frankfurt und dann heim zur Familie nach Zimmern. „Ich habe drei Tage gebraucht, bis ich wieder halbwegs fit war“, sagt Jan.

Trotz aller Strapazen sucht Jan schon jetzt eine neue Herausforderung – und hat sie möglicherweise schon gefunden: die nördlichste Rallye des Erdballs („The Baltic Sea Circle“). „Das würde mich reizen“, sagt er. Über 7500 Kilometer geht es rund um die Ostsee. Und auch bei diesem Road-Trip gilt: Als Hilfsmittel sind nur Karte und Kompass gestattet.

Von Oberstaufen nach Amman

Auf welchem Weg von Oberstaufen nach Amman gefahren wurde, lag bei jedem Team selbst. Genutzt werden durften alle Straßen, allerdings keine Autobahnen und Mautstrecken – es sei denn, dies war ausdrücklich erlaubt (zum Beispiel unmittelbar vor oder nach Grenzen, wo es manchmal nur die Autobahn gab). Nicht unbedingt alle Fahrzeuge mussten am Zielort ankommen. Wichtig war aber: Das gesamte Team musste gemeinsam mit mindestens einem der gestarteten Fahrzeuge über die Ziellinie fahren.

Die Rallye verfolgte auch 2013 wieder soziale Zwecke, so wurden aus den Erträgen der Fahrzeuge und anderen Quellen der Rallye soziale Projekte gefördert.

ONLINE-TIPP

Mehr Informationen über die Rallye unter www.allgaeu-orient.de

Wenige Kilometer vor dem Ziel: die Autos aus dem Team von Jan Schmitt aus Zimmern (links sein BMW) im Wadi Rum, mitten in der jordanischen Wüste.
Foto: ALLE SCHMITT | Wenige Kilometer vor dem Ziel: die Autos aus dem Team von Jan Schmitt aus Zimmern (links sein BMW) im Wadi Rum, mitten in der jordanischen Wüste.
Mit dem Auto auf dem Auto: In Istanbul nahm Jan Schmitt an einem Bobbycar-Rennen auf der ehemaligen Pferderennbahn teil.
| Mit dem Auto auf dem Auto: In Istanbul nahm Jan Schmitt an einem Bobbycar-Rennen auf der ehemaligen Pferderennbahn teil.
Ehrenvoller Empfang: In der türkischen Stadt Çorum wurden Jan Schmitt und die anderen Rallye-Teilnehmer von einer Mädchentanzgruppe begrüßt.
| Ehrenvoller Empfang: In der türkischen Stadt Çorum wurden Jan Schmitt und die anderen Rallye-Teilnehmer von einer Mädchentanzgruppe begrüßt.
 
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    www.dust-and-diesel.de
    das ist nix für weicheier grinsen
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