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RIENECK
Ö Tannenbaum, ö Tannenbaum
Reif zum Schlagen: Günther Marx mit einer Nordmanntanne – ungespritzt und nur ökologisch gedüngt.
Foto: Fotos (3): Björn Kohlhepp | Reif zum Schlagen: Günther Marx mit einer Nordmanntanne – ungespritzt und nur ökologisch gedüngt.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 11.12.2019 18:58 Uhr

An die Christbäume von Günther Marx in Rieneck (Lkr. Main-Spessart) kommen weder künstliche Spritzmittel noch Kunstdünger. Marx (65) hatte genug von der ganzen „Chemie“. Sein Betrieb befindet sich im dritten Jahr der Umstellungsphase zum Ökoanbau. Vergangenes Jahr hätten sich andere Christbaumerzeuger über seine gelben Bäume lustig gemacht: „Schöne Zitronenbäume hast du da.“ Der Grund für die ungesunde Farbe: Die Bäumchen hatten eine Stickstoffunterversorgung, weil er sie überhaupt nicht gedüngt hatte. Was tun? Ein Fachmann empfahl ihm Pellets aus Schweineborstenmehl. Und siehe da: Jetzt grünen sie wieder, ganz ökologisch und nicht nur zur Sommerszeit.

Auf seinem Umschlagplatz bei Rieneck stapeln sich derzeit die in Netzen gehüllten Bäume meterhoch auf Paletten. In einer großen Christbaumkultur an der Staatsstraße zwischen Burgsinn und Mittelsinn zeigt Marx, wie seine rumänischen Arbeiter die Bäume einnetzen und auf die Paletten stapeln.

Man sollte nicht meinen, dass man mit einem Gefährt zwischen den eng stehenden Bäumchen, deren Zweige sich berühren, durchkommt, aber Marx sagt, dass er das Gras dazwischen mit einem Spezialmäher mit Schwenkarmen mähe, die durch einen Federzug ausklappen und auch die Räume zwischen den Bäumchen erfassen. Round-up mit dem Wirkstoff Glyphosat ist im Bioanbau nicht mehr drin.

Früher hat auch er mit dem Traktor Pestizide ausgebracht, etwa gegen Gras zwischen den Bäumen, auch Mittel gegen Schädlinge. „Hinterher war mir's immer ein bisschen dösig.“ Trotz Maske, wie er sagt. Am eigenen Leib habe er gemerkt, dass das nicht gesund sein könne. Er findet es „haarsträubend“, dass ein Landwirt auf einem Acker alles totspritzen dürfe, aber auf die Böschung daneben dürfe nichts kommen, was er für völlig unrealistisch hält. Jetzt setzt er biologische Mittel, etwa gegen Pilzerkrankungen, ein.

Keine Frage, sagt Marx, der biologische Anbau ist teurer als der herkömmliche. Wo früher einmal Spritzen gereicht habe, müsse er jetzt dreimal mähen. Dafür freut er sich nun über ein gelbes Blumenmeer zwischen den Bäumchen. Zusätzlich kämen ein erhöhter Dokumentationsaufwand, Überprüfungen und Bodenproben hinzu, ergänzt Mitarbeiterin Maritta Schubert.

Im Moment gebe es der Markt jedoch noch nicht wirklich her, seine Bäume als „Bio-Bäume“ zu vermarkten, sagt Marx. „Was brauche ich einen Bio-Baum, ich esse ihn doch nicht“, so sei die Einstellung. Er sei von Rieneckern gar davor gewarnt worden, seine Bäume als Bio-Bäume zu vermarkten. „Wenn du bio hinschreibst, gehen die Leute erst gar nicht rein, weil sie denken, bio ist teurer“, habe er sich anhören dürfen. Er verlange deshalb im Moment auch noch nicht mehr als normale Christbaumbauern, sagt er. Einen Marx-Baum gibt es ab 20 Euro.

In den Wirtschaftswunderjahren hat der Vater von Günther Marx neben einem Obsthandel mit dem Anbau von Christbäumen angefangen. Marx selbst, gelernter Verkäufer und einst Filialleiter verschiedener Supermärkte, hat die Familientradition fortgeführt, hat den Obsthandel und den Christbaumanbau übernommen. Inzwischen gibt es den Obsthandel, durch die starke Konkurrenz der Supermärkte, nicht mehr, stattdessen hat Marx das Geschäft mit den Christbäumen ausgebaut. Zwischendurch lag der Schwerpunkt auf dem Handel mit Bäumen, vor 15 Jahren kam die Umstellung auf den Anbau. Heute bewirtschaftet Marx rund 40 Hektar im Sinngrund und in Massenbuch.

Wurden früher Blaufichte, Douglasie und Kiefer angebaut, hat Marx heute nur noch Nordmanntanne im Angebot. „Das ist momentan der Trendbaum.“ Die Bäumchen bezieht er seit fünf Jahren klein von einer Organisation namens „Fair Trees“, die den Samenerntern im Kaukasus, von wo die Nordmanntanne stammt, einen fairen Lohn garantieren möchte.

Früher, sagt Marx, seien Pilzerkrankungen in den Christbaumkulturen kein Thema gewesen. Erst seit dem Einsatz von Spritzmitteln sei das ein Problem. Jetzt hofft er, dass es bald überstanden ist. Ein Bekannter aus der Nähe von Köln, der auch auf Bioanbau umgestiegen ist, habe berichtet, dass sich dadurch das Pilzproblem verflüchtigt habe. Dasselbe habe er auch schon von einem Kollegen aus Fellen gehört.

Seine Bäume werden zum Teil über den Großhandel, aber hauptsächlich über 15 eigene Stände im Raum Main-Spessart, Würzburg, Schweinfurt, Aschaffenburg verkauft. Es gebe aber auch immer mehr Leute, die ihre Bäume selbst schlagen wollen. An einem seiner Stände hat vergangenes Jahr der Bund Naturschutz im Rahmen des alljährlichen Weihnachtsbaumtests einen Baum auf Pestizid-Rückstände getestet. Das Ergebnis: Sein Baum sei sauber gewesen. Ab kommendem Jahr darf er seine Bäume offiziell als „Bio-Bäume“ bezeichnen. Mal schauen, ob er sich traut.

Netzaktivisten: Arbeiter verpassen den Rienecker Christbäumen Netze.
Foto: Björn Kohlhepp | Netzaktivisten: Arbeiter verpassen den Rienecker Christbäumen Netze.
Abholbereit: Paletten voller Christbäume an Marx' Umschlagplatz.
Foto: Björn Kohlhepp | Abholbereit: Paletten voller Christbäume an Marx' Umschlagplatz.
 
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