Im brechend vollen Festzelt sorgte Urban Priol am Sonntagvormittag mit seinen bissig-ironischen Rundumschlägen für beste Stimmung auf der 70. Lohrer Festwoche. Das Festwirtsehepaar Jutta und Franz Widmann hatte den Auftritt Priols kurzfristig anlässlich des Doppel-Jubiläums 70 Jahre Lohrer Festwoche und 40 Jahre Bewirtung der Gäste durch ihre Wirtsfamilie organisiert – und damit für einen Höhepunkt auf dem beliebten Volksfest gesorgt.
Das Doppeljubiläum nahm der Kabarettist in einer fingierten Festansprache auch prompt aufs Korn. „70 Jahre Festwoche und 40 Jahre Widmann, das sind zusammen 110 Jahre des Kampfes für ein Leben in Freiheit! Freiheit in unserem Sinne...“, eröffnete er seinen furiosen Auftritt, in dem er eilig von Pointe zu Pointe zu wirbelte.
Auch das Lohrer Schneewittchen entging nicht seinem Spott als „gelungene zeitgenössische Adaption“, einer Mischung aus „Glöckner von Notre Dame und Karl Dall“. Die Skulptur als Schneewittchen zu bezeichnen, sei ähnlich problematisch wie Angela Merkel als Sissi, doch Überhöhung liege ja im Zeitgeist.
Das Publikum erlebte eineinhalb Stunden prall gefüllt mit scharfzüngiger politischer Satire und tiefschwarzem Humor und blieb konsequent aufmerksam in dem während des Auftrittes gegenüber dem normalen Festwochenbetrieb ungewöhnlich ruhigen Bierzelt. Von der Griechenland-Krise über Asylrecht, Fifa-Skandal, Ukraine, Mindestlohn, Pegida, Europapolitik bis zur neuen Russenangst reichte die Themenpalette und für jedes aktuelle Problemfeld fand Priol ein paar milde Worte.
Angela Merkel und Ursula von der Leyen plagen als die beiden Schwestern Miss Erfolg und Miss Management die Demokratie; Papst Franziskus und „unser Zweitpapst Benedikt“ als Duo „Vier Fäuste für ein Halleluja“ retten, was zu retten ist.
Und Putin wird es im Kreml so fad, weil ihn keiner mehr einlädt, dass er aus Langeweile mit Merkel telefoniert. Auf seine Frage, ob sie denn auch schon mal Oppositionelle habe beseitigen müssen, habe sie nur geantwortet: „Nein. Hier gibt es keine.“
Auch die Streikwelle zeige, dass alte Strukturen wieder auflebten, insbesondere beim Streik der Lokführer. „Schauen sie sich den Weselsky an. Da muss 25 Jahre nach dem Mauerfall einer aus dem Osten kommen, der die Reisefreiheit wieder einschränkt“.
Auch für die Doppelbödigkeit und Selbstgerechtigkeit in der Beurteilung der Griechenland-Krise fand Priol deutliche Worte voller Sarkasmus. In einem Europa der Steueroasen, Korruption und abgehalfterten Politiker im EU-Parlament, in einem Land, in dem man mehr Politiker in Talkshows als im Bundestag sehe, die mit Journalisten-Imitaten wie Günther Jauch über seine Tombola-Demokratie debattierten, habe man es leicht, mit dem Finger auf andere zu zeigen.
Das Kuschen der Politiker vor den Märkten quittierte der Kabarettist mit einer herrlichen Franz Josef Strauß-Parodie. Wenn die Wellen der Aufregung gar zu hoch schlagen, beruhigt sich Priol als Running Gag immer wieder mit den Worten der Kanzlerin: „Aber es geht uns ja gut.“
Wenig optimistisch stimmt sein abschließendes Zitat zur Zukunft der Europäischen Union aus „King Lear“ von William Shakespeare: „Das ist die Seuche dieser Zeit – Verrückte führen Blinde.“
Nach furiosen 90 Minuten politischer Satire vom Feinsten gibt es stürmischen Applaus. Ein erschöpfter Urban Priol verabschiedet sich, dem Publikum mit seiner Maß zuprostend, mit den Worten „Mei, is des Bier warm worn“.