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LENGFURT
Nußbächer: Von Rationalität hin zur Emotion
Von unserem Mitarbeiter Martin Harth
 |  aktualisiert: 26.04.2023 18:14 Uhr
30 Jahre lang Atelier in der Alten Schule von Lengfurt das war für den Künstler Johann Nußbächer eine Art Jubiläum, das ihn zu einer breit aufgestellten Ausstellung seines Werks provozierte. Bis Mitte Juli zeigt er auf vier Ebenen vom Souterrain bis unters Dach in jenem Gebäude, in dem sich sein Atelier und seine Wohnung befinden, über 280 Bilder aus unterschiedlichen Werkgruppen. Rund drei Monate lang hat er die Ausstellung sorgsam vorbereitet, ausgewählt und gehängt.

Das Bauwerk forderte ihn heraus, denn weitestgehend ist es inzwischen außer in seinen Mieträumen in einem beklagenswerten Zustand. So boten sich Ausstellungsräume, wie man sie eher aus städtischen Zusammenhängen kennt – ziemlich experimentell, weit weg von glatten, gut ausgeleuchteten Galerieräumen.

Der Kontrast von Verfall und neu geschaffener Kunst kann dabei durchaus als reizvoll empfunden werden. Wie es mit dem früheren Schulhaus eigentlich weitergehe? Darüber habe man sich in Lengfurt schon oft den Kopf zerbrochen, verschiedene Pläne seien gescheitert. „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht und denke auch nicht darüber nach“, sagt der Künstler.

Im Keller trifft der Besucher mit den Arbeiten in Lacktechnik auf ein jüngere, etwa seit zehn Jahren von Nußbächer verfolgte Werkgruppe. Sie hat beim Publikum große Resonanz gefunden. Der Künstler rühmt die besonderen Eigenschaften des Lacks, die seiner Auffassung von Malerei mit weichen, weiblichen Formen und hoher Emotionalität besonders entgegenkommen. Da seien der andauernde Glanz, die besonderen Fließeigenschaften und dennoch eine gewisse Klarheit. Es sei aber notwendig gewesen, ganz eigene, spezifische Techniken zu entwickeln.

Von der Druckgrafik, der Lithografie, sei er hergekommen und in seiner früheren Druckwerkstatt, die er inzwischen aufgelöst hat, sieht man eine Auswahl von Beispielen dafür. Die Linie, das rationale männliche Prinzip, habe seine frühen Arbeiten bestimmt. Der Zuwachs an emotionalem Ausdruck richtete die Tendenz aus zur Farbe, zur Malerei und zur Auflösung der konkreten Form oder Linie.

Die neueste Werkgruppe „Reale Fiktion“ wendet sich wieder der Malerei mit Ölfarben zu. Nußbächer geht es nach eigener Aussage dabei um das Verschwimmen von Wahrnehmungsgrenzen. Flaches wirke in seinen jüngsten Bildern ungewöhnlich tief, ja dreidimensional. Wo endet die Realität und wo beginnt die Fiktion? Dies sei eine Frage, die ihn gegenwärtig beschäftige.

Schwerer Autounfall

Um existenzielle Fragen geht es in einem bemerkenswerten Kabinett unter dem Dach. Nach einem schweren Autounfall, dessen gesundheitliche Folgen Nußbächers Schaffen lange Zeit nachhaltig beeinträchtigte, machte sich der Künstler in Mischtechniken an die Bewältigung des Vorgangs. Elementare, kindlich wirkende Formen zeigen die nachhaltige Erschütterung, formulieren die Frage nach dem Sinn des Lebens.

In seiner sehr persönlichen Ausstellung gibt Nußbächer auch den Blick auf sein Atelier frei, das er, wie er schmunzelnd anfügt, natürlich dafür ein wenig aufgeräumt habe. Ordnung herrscht auch im Depot. Die gezeigten 280 Bilder seien nur ein kleiner Bruchteil seines Werks. Beziehe man die Druckgrafik mit ein, umfasse es durchaus einige Tausend Bildwerke. Übersichtlich wirkt das Büro, das einfach mit zum Atelier gehöre. Nußbächer mag die Organisation nicht unbedingt, aber sie präge künstlerische Existenz einfach mit.

Als er Mitte der Achtziger Jahre begann, mit Sommerakademien auf Schloss Homburg eine neue, praxisorientierte Form der Kunstvermittlung für interessierte Laien wie professionelle Künstler zu gestalten, habe ihm das großen Spaß gemacht. „Die Organisation des Ganzen hat mich aber einfach überfordert und beschränkt“, bekennt Nußbächer. Nie wieder wollte er sich an einem solchen Lehrbetrieb beteiligen.

Inzwischen wirkt er mit einigen Jahren Abstand als Dozent an anderen Kunstakademien. Ohne eigenen organisatorischen Aufwand macht ihm die Sache inzwischen richtig Spaß, denn das Künstlerdasein sei im Grunde einsam. Die Lehrtätigkeit vermittle ein gutes Gefühl, man spüre, dass man gebraucht werde.

Auf die Frage, ob es nicht etwas enttäuschend sei, dass er auch nach 30 Jahren in der Umgebung im Grunde wenig wahrgenommen werde, hat sich Nußbächer zwei Antworten zurechtgelegt. Zum einen sei dies der spröden fränkischen Art geschuldet, die er als gebürtiger Oberpfälzer nur zu gut verstehe. Zum anderen fühle er sich in seinem Umfeld wirklich wohl und sei sogar etwas stolz darauf, dass einige Nachbarsleute zu den ersten Besuchern seiner Ausstellung gehörten.

Tage des offenen Ateliers

Die Ausstellung im Alten Schulhaus Lengfurt (Schulgasse 1) ist bis zum Donnerstag, 12. Juli. an Sams-, Sonn- und Feiertagen von 17 bis 20 Uhr geöffnet. An den beiden Sonntagen, 24. Juni und 1. Juli, ist die Öffnungszeit von 11 bis 20 Uhr. Außerdem können weitere Besuchszeiten gerne vereinbart werden unter Tel. (0 93 95) 13 07 oder E-Mail: mail@nussbaecherjohann.com.

ONLINE-TIPP

Mehr Informationen unter www.nussbaecherjohann.com.

 
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