
Hitler, Himmler, Heydrich – diese Nazi-Größen sind bekannt. Aber was ist mit den vielen anderen, die das Regime der Nationalsozialisten stützten? Genau damit beschäftigt sich die Buchreihe "Täter Helfer Trittbrettfahrer", die von dem Diplom-Sozialwissenschaftler und ehemaligen Geschichtslehrer Dr. Wolfgang Proske herausgegeben wird.
In Band 19, der in der Stadtbibliothek einem rund 70-köpfigen Publikum vorgestellt wurde, geht es um 23 NS-Belastete aus Unterfranken. Einer davon ist der Marktheidenfelder Max Sorg, mit dem sich Proske in Zusammenarbeit mit dem Marktheidenfelder Altbürgermeister, Ehrenbürger und Heimatforscher Dr. Leonhard Scherg beschäftigt hat.
Ziel der vor 15 Jahren gestarteten und insgesamt auf 20 Bände angelegten Buchreihe mit 471 süddeutschen NS-Belasteten sei es, das Wissen über lokal tätige Leute im Nationalsozialismus zu vertiefen, sagte Stadtbibliotheksleiterin Susanne Wunderlich. Wichtig sei auch zu wissen, dass im Zuge der nach dem zweiten Weltkrieg von den Siegermächten durchgeführten Entnazifizierungen "vieles unter den Teppich gekehrt" worden sei, betonte Proske.
Sportlehrer und Kreisleiter der NSDAP
Doch wer war nun eigentlich Max Sorg (1901 bis 1964)? Laut Scherg wuchs Sorg in Marktheidenfeld auf, nachdem sein Vater dort eine Brauerei mit angegliederter Mälzerei erworben hatte. 1920 übernahmen die Brüder Max und August den Betrieb, legten die Brauerei still und vergrößerten die Mälzerei, die sich bis 1976 im Familienbesitz befand.

Max Sorg, der sein Abitur am Gymnasium in Lohr abgelegt hatte, war ein leidenschaftlicher Turner. Von 1926 bis 1929 war der Diplom-Sportlehrer Leiter des Amtes für Leibesübungen an der Universität Wien, kehrte dann aber auf Wunsch seiner Mutter Margarethe, geb. Väth, nach Marktheidenfeld zurück, um nach dem Tod des Vaters und Erkrankung des Bruders die Verantwortung für die Mälzerei zu übernehmen.
Max Sorg gehörte bereits ab 1918 verschiedenen Gruppen im nationalistischen und völkischen Umfeld an. 1930 schloss er sich sowohl der Marktheidenfelder Ortsgruppe der NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei) als auch der SA (Sturmabteilung), der paramilitärischen Kampforganisation der NSDAP an. 1931 wurde er zum Kreisleiter der NSDAP in Marktheidenfeld ernannt – eine Aufgabe, die er bis zum Kriegsende 1945 ausübte. 1933 übernahm er zusätzlich die Kreisleitung in Karlstadt und 1933 für etwas mehr als ein Jahr kommissarisch die Kreisleitung in Lohr.
1948 zu Gefängnis und Ehrverlust verurteilt
Im Zusammenhang mit den reichsweiten Ausschreitungen gegen Juden am 10. November 1938 trug Max Sorg zusammen mit SA-Stürmführer Leopold Hey laut Scherg in Marktheidenfeld die Hauptverantwortung. Im März 1940 wurde Max Sorg zur Wehrmacht eingezogen und im Frankreichfeldzug eingesetzt. Nach seiner Entlassung drei Monate später (aufgrund einer Verletzung) nahm er sofort wieder seine Tätigkeit als Kreisleiter auf.
In den letzten Kriegstagen kam es zu einigen Vorfällen, die Max Sorg in ein – zumindest aus heutiger Sicht - denkbar schlechtes Licht rücken. So wurde am 26. März im Hof der Marktheidenfelder Kreisleitung ein aus Wien stammender Soldat unter ungeklärten Umständen erschossen. Am 31. März führte Kreisleiter Sorg einem fliegenden Standgericht zwei deutsche Soldaten zu, die am 1. April auf dem Gelände des heutigen Altstadtfriedhofs erschossen wurden. Außerdem war Sorg zusammen mit dem Standortkommandanten Leonhard Müller verantwortlich für die Erhängung eines sehbehinderten und nervengeschädigten Soldaten an der Marktheidenfelder Mainbrücke.
Im September 1948 wurde Max Sorg vom Landgericht Würzburg wegen eines gemeinsam verübten Verbrechens des Totschlags zu acht Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust verurteilt. Tatsächlich kehrte er jedoch bereits 1951 in sein bürgerliches Leben in Marktheidenfeld zurück. Insgesamt dürfte er etwa fünf Jahre in Haft gewesen sein, da er bereits im August 1945 in Österreich festgenommen und in verschiedenen Internierungslagern untergebracht wurde. Die Wiederinbetriebnahme der Mälzerei wurde vom damaligen zweiten Bürgermeister "wärmstens begrüßt", heißt es in dem Buch "Täter Helfer Trittbrettfahrer".
Diskussion über das Erstarken rechtsextremer Parteien
Und weiter: "Seine gesamte Aufmerksamkeit galt nun der Mälzerei. Sie wurde vergrößert und erweitert, so dass sie bei seinem Tod 1964 mit Rationalisierung und Automatisierung eine der modernsten Handelsmälzereien der Bundesrepublik gewesen sein soll. Als er am 8. April 1964 starb, wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung und mit ehrenvollen Nachrufen, vor allem aus dem Bereich der Mälzer, der Turner und der Schützen, beerdigt."
Max Sorgs Frau Margarethe führte die Mälzerei noch bis 1976, dann ging sie an die Firma Brummer über. 1984 erwarb die Stadt Marktheidenfeld das Areal bei einer Versteigerung. 1986 wurde die Mälzerei abgerissen. Sie befand sich dort, wo heute Rathaus, Tegut-Markt und Raiffeisenbank zu finden sind.
In der anschließenden Diskussion ging es auch um das derzeitige Erstarken von rechtskonservativen und rechtsextremen Parteien. Dies sei vor allem deshalb besorgniserregend, weil es weltweit geschehe, so Proske.

