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LOHR
Nofretete mit Gasmaske
Die Bilder der Amnesty International-Ausstellung „Wände des Widerstands“ machen betroffen. Von links: der Geschichtsvereinsvorsitzende Karl Anderlohr, die Zweite Bürgermeisterin Brigitte Riedmann und SPD-Stadtrat Seppl Blenk.
Foto: Rita Gress | Die Bilder der Amnesty International-Ausstellung „Wände des Widerstands“ machen betroffen. Von links: der Geschichtsvereinsvorsitzende Karl Anderlohr, die Zweite Bürgermeisterin Brigitte Riedmann und ...
Von unserer Mitarbeiterin Rita Gress
 |  aktualisiert: 04.11.2013 16:40 Uhr

Seit Sonntag ist im Fischerhaus am Kirchplatz die Amnesty- International-Wanderausstellung „Wände des Widerstands“ zu sehen. Unter großer Besucherresonanz wurde sie von Lotte Janssen, Sprecherin der ai-Ortsgruppe Lohr, eröffnet.

Die Ausstellung steht in Bezug zum dritten Jahrestag der Frühlingsrevolution in Kairo und den voraus gehenden Gewaltherrschaften der Ex-Diktatoren Husni Mubarak (2011 gestürzt) und Mohammed Mursi, der im Juli 2013 entmachtet wurde. Janssen ging auf die politische Lage Ägyptens und die Geschehnisse vom 25. Januar 2010 ein, an dem sich auf dem Tahrir-Platz in Kairo tausende Männer und Frauen versammelten und Demokratie, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit forderten. Über 800 Menschen starben bei dem Versuch des Staatsapparates, die Massendemonstration aufzulösen.

In der Ausstellung zeigt sich eine neue Form von Meinungsäußerung. Künstler der ägyptischen Street-Art-Szene wagten sich an die Öffentlichkeit und thematisierten in Graffiti und Wandmalereien ein von Brutalität, Willkür, Polizeigewalt und Vergehen an Frauen geschundenes Kairo. Sie führen eine Revolution mit Pinsel und Farbe fort. Die Bilder in Schwarz-Weiß oder grellen Farben fordern die Freilassung von Gefangenen, prangern Übergriffe auf Frauen an und machen auf Schicksale Einzelner aufmerksam.

Tribut an Frauen

AI will mit den Exponaten und den erläuternden Texten auf die Situation in Ägypten aufmerksam machen. Im Fischerhaus hängt rechts neben dem Eingang ein Bild des Künstlers El-Zeft. Dargestellt in Gelb ist der Kopf von Nofretete, vor ihrem Mund trägt sie eine schwarze Gasmaske. Sie symbolisiert Schutz vor Anfeindung. Überschrieben ist das Porträt mit „Ohne euch hätten wir es nicht geschafft.“ Es zollt allen ägyptischen Frauen Tribut, die an der gemeinsamen Revolution teilnahmen und -nehmen.

Jede ai-Gruppe hat das Bild auch selbst gestaltet und an die Kairoer Botschaft gesandt. Die Motive sind Zeichen der Solidarität; sie klagen vor dem Regierungsgebäude an. Omar Fathys „Oh Regime, das Angst vor Pinsel und Stift hat“ zeigt einen Polizisten mit erhobenem Knüppel; ein Maler mit Farbpalette und Pinsel weicht nicht zurück. „Nein zum Pharao! Nein zu Muslimbrüdern!“ trägt das Gesicht Mursis.

Dass sexuelle Übergriffe und Belästigungen arabischer Frauen bis heute zum Alltag gehören, verdeutlicht ein Graffito an der Mauer der Kairoer Mohamed-Mahmoud-Straße. Eine verschleierte Frau wird auf offener Straße von ägyptischen Soldaten entblößt und vergewaltigt. Weltweit löste das Bild Entsetzen aus. Die Peiniger wurden später mit Teufelsschwänzen und Hörnern versehen.

Das Bild daneben titelt „Jungfräulichkeitstest“. Die 25-jährige Samira Ibrahim wird mit Schlägen und Elektroschocks gequält. Ein Militärarzt „überprüft“ sie auf ihre Jungfräulichkeit und droht, sie der Prostitution zu überführen. Am unteren Bildrand tragen alle Gesichter die Fratze des Arztes.

Die Journalistin Soraya Morajef hat die künstlerischen Aktivitäten der Street-Art-Szene veröffentlicht. Ihrer Meinung nach sind die Malereien die einzige Form von Meinungsfreiheit, die von Polizei und Regierung nicht vollständig kontrolliert werden können. Sie sagt: „Das Studium dieser Schichten ist wie das Lesen eines Buches über all das, was die Mauern Kairos seit 2011 erlebt haben.“

Bis 6. November zu sehen

Lohrs stellvertretende Bürgermeisterin Brigitte Riedmann dankte ai Lohr für „ein wichtiges Podium der Künstler des Arabischen Frühlings“. SPD-Stadtrat Seppl Blenk sagte, er sei aus persönlicher Überzeugung in die Ausstellung gekommen: „Es braucht Menschen, die unabhängig vom Glauben zu Wellenbrechern werden und sich gegen Gewalt aussprechen.“ Jürgen Baerwind, Vorsitzender des Kunst- und Kulturvereins Lohr, erklärte seine Anwesenheit so: „Die Aktivitäten von ai kann und darf man nicht ignorieren. Für solche menschlichen Anliegen müssen wir uns engagieren!“

Der Lohrer Künstler Roland Schaller hatte das Hängen der Bilder im Fischerhaus gestaltet. Musikalisch gestaltete die Ausstellungseröffnung Mariam Tarkian an der Mandoline.

Die Ausstellung im Fischerhaus am Kirchplatz ist noch bis zum 6. November zu sehen. Öffnungszeiten sind täglich von 14 bis 18 Uhr.

 
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