Der Nikolaus-Fey-Weg in Lohr wird wegen der NS-Vergangenheit des Namensgebers umbenannt. Das beschloss der Stadtrat am Mittwochabend mit 14:9 Stimmen. Vorangegangen war eine rund einstündige, kontroverse aber sachliche Diskussion. Lediglich nach deren Ende gab es emotionale Aufwallungen – in den Zuschauerreihen.
Welchen neuen Namen die Straße am Rande des Geländes des Bezirkskrankenhauses künftig tragen soll, ist noch offen. Die Stadt bittet um Vorschläge.
In der Sitzung wurde unter anderem angeregt, zur früheren Bezeichnung "Steinerner Weg" zurückzukehren. Die Anwohner sollen jedoch vor einer Entscheidung angehört werden. In jedem Fall, so der Beschluss des Stadtrats, soll es nach der Umbenennung eine so genannte Kontextualisierung geben, also Hinweistafeln, die auf den dann vormaligen Namensgeber Fey und dessen Vita verweisen.
Weitere Namensgeber im Blick
Einstimmig beschloss der Stadtrat, dass es zur Umbenennung eine Infoveranstaltung für die rund 150 Anwohner des Nikolaus-Fey-Wegs sowie für Nachfahren des Heimatdichters geben soll. Ebenfalls einstimmig wurde festgelegt, dass die Stadt die in ihren Zuständigkeitsbereich fallenden Gebühren erlässt, die ansonsten auf Anwohner infolge der neuen Adresse zukommen würden. Und schließlich legte das Gremium auch fest, dass weitere Namensgeber von Lohrer Straßen auf ihre NS-Vergangenheit hin und die Tauglichkeit als Namenspatron unter die Lupe genommen werden sollen. Namentlich genannt wurden Hans Stadler und Hans Hönlein.
Gleich zu Beginn der Diskussion betonte Bürgermeister Mario Paul, dass es bei der Diskussion um die Straßennamen nicht darum gehe, über Menschen zu urteilen. Auch wolle man nicht die Verdienste schmälern, die einst zur Benennung von Straßen nach Personen geführt haben. Vielmehr gehe es darum, mit heutigem Wissen und unter "kritischer Reflexion" zu prüfen, ob die Namensgeber noch als Vorbild gelten und durch einen Straßennamen geehrt werden sollten.
Paul erinnert an Vorgeschichte
Paul rief kurz ins Gedächtnis, dass die Diskussion zuletzt vor allem aufgrund des Berichtes der Straßennamen-Kommission der Stadt Würzburg verstärkt in Gang gekommen sei. Diese Kommission hatte über Jahre hinweg 90 Namensgeber Würzburger Straßen untersucht. Unter anderem bei Fey, dem von 1881 bis 1956 lebenden und viele Jahre in Lohr wohnenden Heimatdichter, war sie zu dem Ergebnis gekommen, dass die nach ihm benannte Straße in Heidingsfeld aufgrund der Verstrickungen Feys mit dem NS-Regime umbenannt werden sollte.
Der Würzburger Stadtrat folgte dieser Empfehlung vor wenigen Wochen einstimmig. Auch in anderen unterfränkischen Kommunen wurden nach Fey benannte Straßen bereits umbenannt. Manche Kommunen indes entschieden sich für das Beibehalten des Straßennamens in Verbindung mit einer Kontextualisierung.
Die Mehrheit der Lohrer Räte jedoch sprach sich nun für eine Umbenennung aus. In der Diskussion erklärte Thomas Nischalke (SPD), dass Fey als Heimatdichter zwar "sicher viel Gutes" getan habe. Durch sein Wirken während der Zeit des Nationalsozialismus habe er jedoch seinen Vorbildcharakter verspielt.
Sendelbach als Namensgeber?
Es dürfe daher für Fey "kein positives Herausheben mehr" geben, sprach sich Nischalke für eine Umbenennung und Tafeln mit Hinweisen zum früheren Namensgeber Fey aus. Als möglichen neuen Namensgeber schlug Nischalke den Heimatdichter Hermann Sendelbach vor. Dieser habe etwa zur gleichen Zeit wie Fey gelebt, jedoch eine jüdische Ehefrau gehabt und daher zur NS-Zeit in Angst und Schrecken gelebt.
Am intensivsten plädierte Wolfgang Weis (Grüne) für eine Umbenennung. Es könne zwar "manchmal verdammt wehtun", sich mit der Geschichte auseinandersetzen, sagte er. Doch genau diese kompromisslose Aufarbeitung der Vergangenheit zeichne eine offene Gesellschaft aus. Mit dem heutigen Wissensstand zum Leben Feys würde sicher niemand mehr auf die Idee kommen, eine Straße nach diesem zu benennen, so Weis. Der in der Vergangenheit gemacht Fehler müsse nun korrigiert werden.
Fey sei in seinen Äußerungen ganz klar ein Antisemit gewesen. Er habe als "Sprachrohr der Nationalsozialisten" fungiert und den Krieg verherrlicht, sagte Weis und zitierte entsprechende Aussagen von Fey. Der Stadtrat habe vor vier Jahren einstimmig beschlossen, das Gedenken an früheres jüdisches Leben in Lohr stärker zu verankern. An diesem Beschluss müsse man sich nun, bei der Diskussion um Fey, messen lassen. Der Stadtrat dürfe nicht länger "die Hand über Nikolaus Fey halten", forderte Weis die Umbenennung.
Weis: Hin- statt wegschauen
Das Belassen des Namens in Verbindung mit Hinweistafeln sei der falsche Weg, erklärte Weis weiter. Denn dann bliebe "alles beim Alten", Adressen von 150 Anwohnern bestünden unverändert fort, auch Stadtpläne, ganz zu schweigen von der Außenwirkung Lohrs. "Straßennamen sind dazu da, Personen zu ehren", sagte Weis. Fey sei dafür als Vorbild ganz sicher nicht geeignet.
Die Fakten zu Feys Wirken im Sinne des NS-Regimes seien in Lohr durch die Schülerarbeit von Philipp Steinheim seit 1992 bekannt, erinnerte Weis. Doch man habe sie damals "nicht wahrhaben wollen". Nun jedoch müsse man endlich "offensiv hinschauen statt wegzuschauen".
Hummel: Anwohner befragen
Karl-Hermann Hummel (Bürgerverein) plädierte gegen eine Umbenennung. Er begründete dies zum einen mit dem Aufwand, den eine Adressänderung für Anwohner bedeute. Man solle daher zunächst die Anwohner befragen, bevor man entscheide, forderte Hummel. Die Straße sei nicht zur Zeit des Dritten Reichs nach Fey benannt worden, sondern später, fuhr er fort. Der damalige Stadtrat habe zum Zeitpunkt der Entscheidung sicher einen "besseren Draht" zu Fey und dessen Wirken gehabt als das heutige Gremium, so Hummel. Man solle nun "nicht mit dem Radiergummi durch die Geschichte gehen", sondern einen "verantwortungsvollen Umgang" mit dieser pflegen, sprach er sich für das Beibehalten des Straßennamens in Verbindung mit Hinweistafeln aus.
Geschichte wachhalten
Für diese Lösung plädierte auch Brigitte Riedmann (Freie Wähler). Aufwand und Kosten einer Umbenennung dürften nicht ausschlaggebend sein. Man müsse jedoch "Alles tun, um die Vergangenheit wach zu halten." Durch das Löschen Feys aus der Liste der Straßennamen mache man dessen Wirken während der NS-Zeit nicht ungeschehen, es bestehe jedoch die Gefahr, dass die Erinnerungen an die Gräuel der NS-Zeit verblasse, forderte auch Riedmann das Beibehalten des Straßennamens, ergänzt um "ganz deutliche Hinweise auf die dunkle Seite von Fey.
Auch Peter Sander (FDP) sagte, dass man ebenso wie über die Verfehlungen Feys auch über dessen Verdienste eine "lange Rede halten" könnte. Es gehe um eine Erinnerungskultur, weswegen auch er gegen eine Umbenennung der Straße, wohl aber für eine Kontextualisierung sei, so Sander.
Ulrike Röder (Grüne) erklärte, dass Straßennamen nicht dazu dienten, Geschichte aufzuarbeiten, sondern dazu, Personen zu ehren. Dazu müsse ein Namensgeber jedoch "in Gänze Vorbild" sein. Das sei bei Fey nicht der Fall.
Brigitte Kuhn (CSU) sagte, dass sie Fey als Menschen nicht verurteilen wolle. Eine Ehrung in Form einer Straßenbenennung nach ihm habe Fey jedoch "ganz bestimmt nicht verdient".
Kritischer Blick auf Geschichte
Das Schlusswort in der Diskussion hatte schließlich Bürgermeister Mario Paul. Er bezeichnete Fey als "geistigen Wegbereiter des Antisemitismus". Auch er wolle sich über den Menschen Fey kein Urteil erlauben, sagte Paul. Aus heutiger Sicht reiche Feys Leben jedoch nicht für ein ehrbares Vorbild aus.
Die Kosten der Umbenennung seien für die Stadt sehr gering, sagte der Bürgermeister auf Nachfrage und nannte einen dreistelligen, maximal niedrigen vierstelligen Betrag als Schätzung. Den Vorschlag von Frank Seubert (CSU), einen kleinen Etat einzurichten, um die Kosten der Umbenennung für die Anwohner abzufedern, könne man prüfen, so Paul.
Lautstarker Protest
Als der Stadtrat schließlich die Umbenennung beschlossen hatte, kam es aus der Reihe der etwa zehn Sitzungsbesucher heraus zu lautstarken Protesten: Eine Seniorin schimpfte anhaltend über die Entscheidung des Rates und rief immer wieder, dass Fey und andere Zeitgenossen damals keine andere Wahl gehabt hätten.
Wolfgang Vorwerk, der Vorsitzende des Lohrer Geschichts- und Museumsvereins, bezeichnete gegenüber der Redaktion den Sitzungsverlauf indes als "beeindruckende politische Debatte", die dem Anlass angemessen sei. Nach seiner Ansicht habe der Stadtrat "nach dem, was wir heute wissen, die richtige Entscheidung getroffen".
Nur dumm gelaufen, Franken48 meint den Inhalt des Artikels... Genau, denn Schwachsinn ist die Umbenennung!
„Blödsinn“ ist sicher ironisch gemeint - Danke! Wie gesagt, nicht nur gelesenen, auch dabei.
Und, naja, zum Thema „Mehrheit“ - zwar nicht repräsentativ aber der „Gefällt mir“- Counter zeigt deutlich eine Tendenz.
Und bzgl. Stadthalle, um ihr Verständnis zu schärfen, damit gesagt, es gibt viel wichtigere Dinge zu diskutieren und vor allem zu klären, eben auch u.a. die Wärmepumpenproblematik, die sich als Sinnbild der Grünen Politik, hier als Totalversagen in der Stadt Lohr widerspiegelt. Das kostet nämlich Steuergelder und das bewegt die Bürger! Und ihr Kommentar zeichnet genau diese Doppelmoral wieder. Sie unterstellen mir, die Nichtauseinandersetzung - ich bin indirekter Betroffener und habe die Sitzung mitbekommen. Noch mehr Erklärungen?