In der Schneiderei bei Trachten Benkert in Thüngen laufen die Nähmaschinen auf Hochtouren. Stoffe werden ausgemessen, Nähte abgesteckt, Knöpfe angebracht und Verzierungen gestickt. Mitten unter den fleißigen Schneiderinnen und Schneidern sitzt Luise Maas. Die 24-Jährige aus Margetshöchheim hat gerade erst die Lehre bei Trachten Benkert abgeschlossen – und doch kann sie bereits jetzt einen großen Erfolg in ihrer Karriere mit Nadel und Faden verzeichnen: Sie ist Landessiegerin des 63. Leistungswettbewerbs des Bayerischen Handwerks in der Kategorie Trachtenschneiderin für Herren. „Seit Beginn meiner Schneiderlehre war das mein Ziel“, sagt Maas stolz.
Jedes Jahr ehren die Handwerkskammer und der Handwerkertag beim Bayerischen Leistungswettbewerb die „Creme de la Creme des Handwerksnachwuchses“. Auch diesmal hatten alle Lehrlinge, die an dem prestigeträchtigen Wettbewerb teilnehmen wollten, zuvor einige Hürden zu überspringen. Zuerst mussten sie ihre Gesellenprüfung mit einem erfolgreichen Gesellenstück abschließen. Dieses wurde dann an die Handwerkskammer Unterfranken weitergereicht und ein Kammersieger bestimmt.
Mit ihrem Gesellenstück – einem Herren-Gehrock aus 100 Prozent Schurwolle – wurde Luise Maas so zur Besten von ganz Unterfranken gekürt und vertrat damit automatisch ihren Regierungsbezirk beim Landeswettbewerb. „Das Besondere an meinem Stück sind die Stickereien am Kragen und die grüne Paspelierung an den Ärmeln“, erzählt Luise Maas. Bei einer Paspelierung wird meist farbiger Stoff unter den Grundstoff gelegt, so dass ein schmaler Nahtbesatz sichtbar bleibt. Für den Landeswettbewerb zählt vor allem der Gesamteindruck, den das Gesellenstück hinterlässt. Und mit diesem hat Luise Maas die Jury voll und ganz überzeugt.
37 Stunden Arbeit stecken in dem eleganten Gehrock. „Anders als beim Konditor, der bei jedem Wettbewerb einen neuen Kuchen backen kann, wird mein Gesellenstück von Jury zu Jury gereicht. Deshalb muss es absolut sauber und mit viel Konzentration genäht sein“, so die Margetshöchheimerin.
Das sieht der Inhaber von Trachten Benkert, Norbert Johannes, ähnlich: „Wenn das Gesellenstück nicht sauber verarbeitet ist, hat man keine Chance.“ Seit Januar 2014 ist Norbert Johannes bei Trachten Benkert. Er begleitete Luise Maas ein Stück auf ihrem Weg zur Gesellenprüfung. Auf den Erfolg der jungen Schneiderin ist er mächtig stolz: „Sie ist mit viel Fleiß und Selbstständigkeit an die Sache herangegangen und immer am Ball geblieben.“
Aus eindimensionalem Stoff etwas so Komplexes wie eine Jacke oder eine Hose herzustellen, begeistert Luise Maas immer wieder aufs Neue. „Ich arbeite gerne mit meinen Händen und stelle etwas her. Es macht mir Freude, Stoffe und Farben so zu kombinieren, dass am Ende ein Kleidungsstück entsteht.“ Deshalb war nach ihrem Abitur für Maas auch sofort klar, dass sie eine Lehre zur Schneiderin beginnen möchte.
Näherin in einem Großbetrieb, das kam für sie jedoch nicht in Frage. Lieber wollte sie individuelle Stücke herstellen. So führte sie ihr Weg nach Thüngen zu dem Familienunternehmen Trachten Benkert, das für seine maßgeschneiderte Tracht in Unterfranken bekannt ist.
„Schneider ist immer noch ein attraktiver Beruf für junge Leute“, sagt Inhaber Norbert Johannes. Über einen Mangel an Bewerbern für eine Lehrstelle kann er sich momentan also nicht beschweren. Luise Maas schätzt die Situation ähnlich ein: „Im Schneiderhandwerk fehlen eher die Lehrstellen als die Bewerber.“ Das mag auch an der Begeisterung der jungen Leute für Mode liegen. Aber auch an den Perspektiven, die sich nach einer Schneiderlehre eröffnen. Luise Maas kann zum Beispiel den Techniker anstreben oder sogar Textil- und Bekleidungswirtschaft studieren. Dank der Auszeichnung als Landessiegerin hat sie die Chance auf ein Weiterbildungsstipendium. Und als Kammersiegerin erhält sie finanzielle Unterstützung durch die Handwerkskammer, wenn sie sich weiterbilden möchte. Einen konkreten Plan hat die junge Schneiderin noch nicht. Erst einmal weiter Erfahrungen sammeln und eventuell irgendwann den Meister machen – so könnte sie sich ihre Zukunft vorstellen.
Jetzt wartet sie sehnsüchtig darauf, ihr Gesellenstück zurückzubekommen. Das befindet sich nämlich noch bei der Begutachtung für den Bundeswettbewerb. Und vielleicht trifft man zwischen den ratternden Nähmaschinen in der Schneiderei von Trachten Benkert bald eine preisgekrönte Bundessiegerin an.