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Neustadt am Main
Neustädter Mönche spielten einst Backgammon
Sonst im Spessartmuseum zu sehen, kehrt es mit weiteren Exponaten zurück an den Ort, aus dem es stammt: Am Wochenende ist die wertvolle Arbeit in Neustadt zu bestaunen.
Sybille Grübel zeigt das aufgeklappte Spielbrett für Backgammon. Auf Vorder- und Rückseite befinden sich Spielfelder für Schach und Mühle.
Foto: Roland Pleier | Sybille Grübel zeigt das aufgeklappte Spielbrett für Backgammon. Auf Vorder- und Rückseite befinden sich Spielfelder für Schach und Mühle.
Roland Pleier
 |  aktualisiert: 10.07.2019 02:11 Uhr

Wir schreiben das Jahr 1700: Sie sitzen sich auf gepolsterten Stühlen gegenüber, vor sich ein kunstvoll gestaltetes Brettspiel, daneben eine Karaffe mit Most oder auch Wein vom Hornungsberg. Den trinken sie aus Gläsern, die in der nahe gelegenen Karlshütte Einsiedel gefertigt wurden. Das Spielbrett ist aufgeklappt: Die beiden Mönche spielen Wurfzabel, auch Trictrac oder Puff genannt. Vielleicht huldigen sie auch schon dessen moderner Variante Backgammon, die 50 Jahre vorher erstmals literarisch erwähnt wurde und sich nach dem 30-jährigen Krieg in ganz Europa größter Beliebtheit erfreut.

So in etwa kann man sich einen Ausschnitt aus dem Leben der Benediktinermönche vorstellen, deren Kloster in Neustadt vor 1250 Jahren gegründet wurde. Dies legen zumindest jene Exponate nahe, die das Spessartmuseum für dieses Wochenende an das Lapidarium in Neustadt ausgeliehen hat. 

Hütet die Schätze im Neustädter Lapidarium: Sybille Grübel
Foto: Roland Pleier | Hütet die Schätze im Neustädter Lapidarium: Sybille Grübel

Warum Sybille Grübel förmlich aus dem Häuschen war

Sybille Grübel ist ganz aus dem Häuschen und mag ihre Begeisterung gar nicht verhehlen. Die 56-jährige Neustädterin, die im Würzburger Stadtarchiv arbeitet, hatte sich fürs große Dorffest um Leihgaben mit Bezug zum Kloster Neustadt bemüht und war überrascht vom Entgegenkommen des Spessartmuseums. "Ich war hingerissen", räumt sie ein. "Das war ein Selbstläufer." 

Auch dem Vorsitzenden des Lohrer Geschichts- und Museumsvereins, Vorwerk, ist sie zutiefst dankbar. Denn dem Verein verdankt sie eines der vier Exponate, das für dieses Wochenende an seinen Urpsrungsort zurückgekehrt ist: Ein feiner Glaspokal, den ein Glasschleifer namens Salzmann in der Karlshütte Einsiedel im Hafenlohrtal gefertigt hat.

Ins Glas geschnitten hat er das Klosterwappen, und die Jahreszahl 1878 mit der lateinischen Inschrift "Jubilaeum saeculi undecimi". Übersetzt: Jubiläum des elften Jahrhunderts. Was genau es damit auf sich hat, ist bislang ungeklärt.

1878, als dieser Pokal in Einsiedel geschliffen wurde, war Georg Link gerade 30 Jahre Pfarrer in Neustadt. Seine Widmung gibt noch Rätsel auf.
Foto: Roland Pleier | 1878, als dieser Pokal in Einsiedel geschliffen wurde, war Georg Link gerade 30 Jahre Pfarrer in Neustadt. Seine Widmung gibt noch Rätsel auf.

Bezug zum legendären Pfarrer Georg Link ist sehr wahrscheinlich

Sehr wahrscheinlich ist, dass Georg Link damit zu tun hatte. Dieser legendäre Pfarrer war in jenem Jahr 30 Jahre im Ort tätig. Möglich, dass seine Pfarrgemeinde ihm den Pokal gewidmet hat, es könnte aber auch umgekehrt gewesen sein. Fakt ist: Der ebenso widerspenstige wie mildtätige und eigenwillige Geistliche wirkte danach noch 23 Jahre bis zu seinem Tod im Jahr 1901. Diesen Pokal, der auf der Rückseite noch die von Eichenlaub umkränzte Signatur "D.F." trägt, hat der Verein dem Spessartmuseum als Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt. 

Mit Intarsien gelegt: Das Mühlefeld auf dem Brettspiel
Foto: Roland Pleier | Mit Intarsien gelegt: Das Mühlefeld auf dem Brettspiel

Dort ist für gewöhnlich auch ein zweites Prunkstück ausgestellt, das zum "Altbestand" des 1936 gegründeten Spessartmuseums zählt, diesem also wohl in den frühen Gründungsjahren von einem Neustädter Bürger "zugeeignet wurde", wie Grübel von Museumsleiterin Barbara Grimm erfahren hat: Das eingangs erwähnte Spielbrett ist nämlich aufklappbar fürs Backgammon-Spiel. Zusammengeklappt konnte man wahlweise Schach oder Mühle spielen. Gefertigt wurde es etwa um 1700 herum aus Nussbaum mit Intarsien aus Ahorn, Mooreiche und Zwetschge. Steine und Figuren sind nicht mehr vorhanden.

Der Polsterstuhl, gefertigt Ende des 17. Jahrhunderts aus Eichenholz und Leder, soll aus dem ehemaligen Benediktinerkloster stammen, das 1857 abgebrannt ist. 
Foto: Roland Pleier | Der Polsterstuhl, gefertigt Ende des 17. Jahrhunderts aus Eichenholz und Leder, soll aus dem ehemaligen Benediktinerkloster stammen, das 1857 abgebrannt ist. 

Ebenfalls als Schenkung eines Neustädter Bürgers ins noch junge Spessartmuseum gelangt ist der Stuhl, der aus dem Kloster stammen soll und bisher im Erthalzimmer des Museums zu sehen war. 

Karaffe und Trinkbecher bleiben in der Vitrine

Die Gebrauchsgläser - die Karaffe und ein Becherglas, beide undatiert - schlummerten bislang im Depot des Spessartmuseums und werden auch nach dem Fest als Dauerleihgabe in der Vitrine des Lapidariums zu sehen sein. Die Leihgaben werten die kleine und selten geöffnete Ausstellung, deren Prunkstück der Getraudenmantel aus dem 12. Jahrhundert ist, zweifelsohne auf. 

Die Karaffe und ein Becherglas aus Einsiedel, undatiert, bleiben als Dauerleihgabe des Spessartmuseums im Lapidarium in Neustadt.
Foto: Roland Pleier | Die Karaffe und ein Becherglas aus Einsiedel, undatiert, bleiben als Dauerleihgabe des Spessartmuseums im Lapidarium in Neustadt.

Am Samstag und Sonntag, jeweils um 14 und um 16 Uhr, führen Grübel sowie die beiden Schwestern Theresita und Dagmar nicht nur durchs Lapidarium, sondern auch durch die Kirche und das heutige Kloster der Missionsdominikanerinnen.

 
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