Ob die neue Dekade mit dem Jahr 2020 beginnt oder erst mit 2021, sollen Mathematiker entscheiden. Für die Stadt Arnstein jedenfalls begann in der voll besetzten Stadthalle mit dem außergewöhnlichen Neujahrskonzert der jungen Bläserformation "Salaputia Brass" ein neues musikalisches Zeitalter. Zwar vermisste der eine oder andere Besucher die übliche Form mit den Rhein-Main-Philharmonikern oder dem Siemens-Orchester aus Erlangen mit leichten operettenseligen Liedern und dem abschließenden Radetzkymarsch, doch mit Jubelrufen und zweimaligem stehenden Applaus zeigte die überwiegende Mehrzahl, dass auch in Arnstein die moderne sinfonische Blasmusik auf viel Zustimmung stößt.
Kein Wunder, denn die Musik der "Salaputia Brass" ist gigantisch. Das Dutzend junger Männer – erst in edlem schwarzen Zwirn, dann pfiffig mit Hosenträgern – besteht aus Berufsmusikern, die allesamt aus dem Bundesjugendorchester hervorgegangen sind und sich 2007 als Bläsergruppe formierten. Im "wirklichen Leben" wirken alle an renommierten Orchestern wie dem Leipziger Gewandhausorchester oder der Philharmonischen Staatsoper Hamburg mit. Selbst an der Elbphilharmonie wurde die Gruppe gefeiert.
Jeder ein Meister seines Instruments
Der Begriff "Salaputia" stammt aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie Kerlchen oder Knirpse. Und "Brass" weist auf die Blasmusik hin. Aber Blech reden oder spielen Knirpse im Alter zwischen 25 und 31 Jahren wirklich nicht. Ob an den Trompeten oder den Posaunen, am Horn oder an der Tuba, jeder der elf Bläser ist ein Meister seines Instruments und Severin Stitzenberger unterstreicht und führt als Nummer zwölf zusammen. Er setzt Akzente.
Bei der Literaturauswahl ging es ausnahmslos um sinfonische Blasmusik aus Großbritannien von der Renaissance bis zu den Beatles. Tanzmusik aus dem 16. Jahrhundert mit der Suite "The Fairie Round" und die zeitgenössische "Triton Suite" von Arthur Butterworth steckten den geschichtlichen Rahmen. Unglaublich weich und einfühlsam waren Stings "Englishman in New York" und Gustav Holsts "Moorside Suite".
"Bond for Brass" – die schönsten Themen aus 30 James-Bond-Filmen erzeugten abwechselnd Grusel wie bei dem bedrohlichen "Goldfinger" und dann wieder nostalgische Gefühle mit "For your eyes only".
Tänzerinnen bereicherten das Konzert
Seit vielen Jahren gehören auch die Elevinnen der Arnsteiner Tanzgruppe "Joy of Balett" fest zum Programm der Neujahrskonzerte. Diesmal bereicherten die jungen Damen das Stück "Airs and Atmospheres" von Drek Bourgeois mit ihrem Tanz. Eine traumhafte Hommage an die "Beatles" war für die meisten Besucher der Höhepunkt des Konzertabends. Yesterday, Penny Lane, Michelle oder Lady Madonna sorgten für Gänsehautgefühle. Durch das Programm führte der Posaunist Philip Pineda-Resch.
Tosender Jubel, Bravo-Rufe und gleich zweimal stehender Applaus zeigten, dass der Versuch, das Arnsteiner Neujahrskonzert musikalisch zu erweitern, weitestgehend positiv angenommen wurde. Schließlich geht es auch wohl darum, zunehmend jüngere Leute für diese Veranstaltung anzusprechen – obwohl natürlich auch die leichte Muse mit Operettenmelodien und volkstümlicher Blasmusik weiterhin ihre Berechtigung haben dürfte.
Kommunalpolitik als Basis der Demokratie
Bürgermeister Franz-Josef Sauer betonte in seiner Neujahrsansprache seinen Wunsch, mit dieser Konzertform auch neuen Schwung in die Stadt bringen zu wollen. Nach einem ereignisreichen Jahr 2019 würden auch die Herausforderungen 2020 nicht geringer. Angesichts der bevorstehenden Gemeindewahlen richtete er auch den Blick auf die Bedeutung der Kommunalpolitik, die für ihn die Basis der Demokratie schlechthin sei.