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Lohr
Neues Buch von Theodor Ruf wirft einen tiefen Blick in die Geschichte Neustadts
Mit der Frühgeschichte des Klosters und der Siedlung Neustadt beschäftigt sich Theodor Rufs neues Buch. Das Bild zeigt die Titelseite des Buchs. 
Foto: Thomas Josef Möhler | Mit der Frühgeschichte des Klosters und der Siedlung Neustadt beschäftigt sich Theodor Rufs neues Buch. Das Bild zeigt die Titelseite des Buchs. 
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 17.12.2022 02:56 Uhr

Ein "realistisches Bild der Entstehung des Klosters" Neustadt will der aus Lohr stammende Historiker Theodor Ruf in seinem neuen knapp 400 Seiten starken Buch erarbeiten. Über das Werk "Kloster Neustadt am Main 769 (?) – 1300. Untersuchungen und Regesten" sprach diese Redaktion mit dem Kreisheimatpfleger für den Altkreis Lohr.

Historiker Theodor Ruf. 
Foto: Philipp Heilgenthal | Historiker Theodor Ruf. 

Auf rund 150 Seiten erläutert Ruf die Frühgeschichte des Klosters, das etwa 769 vom Würzburger Bischof Megingaud gegründet wurde. Im zweiten Teil des Buchs sind Regesten zur Klostergeschichte bis zum Jahr 1304 abgedruckt, also Zusammenfassungen des Inhalts von Urkunden und anderen Quellen.

Frage: Wie sind Sie auf die Idee zum Buch gekommen?

Ruf: In meinem 2011 vorgestellten Buch "Quellen und Erläuterungen zur Geschichte der Stadt Lohr am Main bis zum Jahr 1559" sind bereits viele Passagen über Neustadt enthalten. Dabei merkte ich, dass zahlreiche Fragen zur Geschichte Neustadts ungeklärt sind. Anlässlich der Feiern der Gemeinde 2019 zum 1250-Jahre-Jubiläum stieß ich wieder auf das Thema. Deshalb kündigte ich im März 2019 an, dass eine neue Geschichte über die Gründung des Klosters entstehen wird.

Das brauchte allerdings seine Zeit, weil die gesamte Frühgeschichte des Bistums Würzburg auf den Prüfstand gestellt werden musste. Im Vorfeld des Buches über Neustadt erschienen dazu auch zwei umfangreiche Aufsätze im Mainfränkischen Jahrbuch 2020 und 2021. Insgesamt ist das Werk auch keines "nur" über Neustadt, sondern behandelt sehr viele Aspekte der Bistumsgeschichte, die in dieser Form noch unbekannt waren.

Geht es nur um das Kloster oder auch um die Siedlung?

Ruf: Beides lässt sich nicht trennen. Die nicht sehr große Siedlung ist älter als das Kloster. Obwohl das Kloster der größte Arbeitgeber in der Region war, hatten beide Seiten nicht immer ein ungetrübtes Verhältnis bei Fragen wie der Waldnutzung und der Jagd. Außer Frage steht, dass das Kloster Wohlstand brachte, nicht zuletzt durch die Wallfahrten zur heiligen Gertrud, deren (angeblicher) Mantel bis heute in Neustadt hängt und verehrt wird.

Warum steht ein Fragezeichen hinter der Jahreszahl 769?

Ruf: Der zweite Würzburger Bischof Megingaud soll nach seiner Resignation (Rücktritt) 769 das Kloster gegründet haben. Aber die einzige Quelle dafür entstand erst rund 400 Jahre später, die "Jüngere Vita Burchardi" von 1130/40. Sie ist eine der Hauptquellen der Bistumsgeschichte. Darin wird auch viel über Neustadt erzählt, und die Vermutung ist, dass diese Vita im Kloster Neustadt geschrieben wurde.

Der Grund für das Kloster soll Megingaud von einem gewissen Hatto geschenkt worden sein, der keinen Titel trägt, aber wohl ein "Graf" in dieser Gegend war, vielleicht in Lohr residierte. Neustadt erhält als Grundausstattung eine riesige Klostermark, die rund zehn Prozent des Innenspessarts ausmacht. Das ist gut überliefert. Dieser Besitz kann nicht von Hatto kommen, hier muss das Reich in der Person Karls des Großen beteiligt gewesen sein. Denn der Spessart war zur Karolingerzeit eine Art Staatsbesitz mit privaten Einsprengseln.

Trotz der Möglichkeit der Holznutzung war das Waldgebiet nicht die primäre wirtschaftliche Basis des Klosters, denn es lagen kaum Siedlungen darin. Schon ziemlich bald kamen die Haupteinnahmen von den (späteren) Klosterhöfen auf der fränkischen Platte, in der Regel Geschenke von Privatpersonen.

Woran liegt es, dass die Quellenlage so dünn ist?

Ruf: Die ganze fränkische Geschichte für diese Region ist in den ersten Jahrhunderten äußerst quellenarm. Deshalb tut man sich auch schwer, das tatsächliche Geschehen herauszufinden. Generell wurde damals wenig schriftlich festgehalten, das änderte sich erst in der Zeit um 1100.

Man kann auch nicht davon ausgehen, dass nicht wenige Quellen zerstört wurden. Im Bauernkrieg ging in den Klöstern viel Quellenmaterial verloren. Das trifft auf Neustadt nicht zu. Denn das Archiv wurde bereits um etwa 1540 nach Würzburg transportiert, unter anderem, weil die bischöfliche Verwaltung nicht mit der Leitung des Klosters zufrieden war.

Im 17. Jahrhundert, eventuell während des Schwedeneinfalls, gingen in Würzburg fast alle Originalurkunden aus Neustadt zugrunde. Aber die Abschriften, sogenannte Kopialbücher, blieben in Neustadt erhalten. Allerdings stammen sie erst aus dem 16. Jahrhundert, und es wurden wohl auch nicht alle Originalurkunden abgeschrieben. Nach der Säkularisierung gingen die Kopien und einige noch vorhandene Originalurkunden an den Fürsten Löwenstein. Heute sind sie in Bronnbach im Staatsarchiv.

Warum endet das Buch um das Jahr 1300?

Ruf: Irgendwann musste ich mal aufhören. Ich habe auch nicht vor, das Werk fortzuführen. Ich konnte es nur schreiben, weil ich mich jahrzehntelang mit der mainfränkischen Geschichte beschäftigte. Gerne würde ich mein Material angehenden Historikern zur Verfügung stellen. Es reicht noch für eine, wenn nicht zwei Dissertationen. Aber es müsste jemand da sein, der sich daran macht. Leider ist der wissenschaftliche Nachwuchs an den Universitäten dünn gesät. Eine Dissertation erfordert jahrelange Arbeit, die sich nicht finanziell auszahlt. Ideell natürlich schon.

Auf meinem Schreibtisch liegen noch etliche Themen, die ich bearbeiten will, demnächst kommt ein umfangreicher Beitrag zur Entstehung von Karlstadt. Auch dafür war die Erforschung der Neustadter Geschichte der Ausgangspunkt. Und zur "Entspannung" schreibe ich ein Buch mit dem Titel "Schneewittchentreiben". Das ist zwar auch Wissenschaft, aber jedenfalls unterhaltsamer als eine Klostergeschichte.

Das Buch "Kloster Neustadt am Main" aus der Feder von Theodor Ruf ist in der Schriftenreihe des Würzburger Diözesangeschichtsvereins im Echter-Verlag erschienen und kostet 49 Euro. Von der Auflage geht ein Teil an den Lohrer Geschichts- und Museumsverein und an die Gemeinde Neustadt, die den Druck mitfinanzierten.

 
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