Der Lohrer Bahnhof hat mit dem Motorradclub Zombies Elite zumindest vom Namen her den richtigen Mieter. Schließlich erinnert das Gebäude selbst an einen jener Untoten, die in zahllosen Filmen und Serien ihr Unwesen treiben, und nach denen sich die Rocker benannt haben: Es erschreckt Betrachter mit seinem Aussehen, ist vom Verfall gezeichnet und hatte bisher keine Aussichten auf eine lebendigere Zukunft.
Für 570.000 Euro gekauft
Doch das alles könnte sich ändern, denn seit Anfang dieses Jahres hat der Lohrer Bahnhof einen neuen Eigentümer: Die Firmengruppe ACOS Bergmann mit Sitz in Veitshöchheim hat die Immobilie nach eigenen Angaben für knapp 570.000 Euro vom Vorbesitzer Sohoco erworben. Zu diesem Zweck wurde eigens die CBLohr GmbH gegründet, die Großes mit dem Gebäude vorhat.
"Wir wollen das Gebäude komplett umbauen und energetisch hochwertig sanieren", sagt Geschäftsführer Christian Bergmann. Wo derzeit die Zombies ihren Clubraum haben, möchte der 51-Jährige eine Gaststätte unterbringen. Das Bahnhofsgebäude soll um ein Geschoss aufgestockt werden, um genug Raum für ein Hostel zu schaffen. Dieses soll im ersten und zweiten Obergeschoss untergebracht werden und laut Bergmann zwölf bis 14 Zimmer pro Stockwerk enthalten.
Der Plan sieht außerdem eine Außentreppe als zweiten Fluchtweg und einen kleinen Wintergarten auf dem niedrigeren Anbau vor. Der Wintergarten könnte nach Aussage des neuen Investors etwa Außensitzplätze für die Gastronomie bieten oder der Pension als Frühstücksraum dienen. Die Kosten für die Komplettsanierung und den Umbau schätzt Bergmann auf drei Millionen Euro. Der Sanierungsaufwand für das Dach sei so groß, dass man gleich aufstocken könne, erläutert der Firmenchef, der in Würzburg wohnt.
Enttäuschte Hoffnung
Nun ist der Lohrer Bahnhof schon seit Langem nicht nur ein Ort des Wartens, sondern für viele Lohrer auch ein Erwartungsort. Sie warten dort nicht nur auf den Zug, sondern auch darauf, dass sich an dem schmuddeligen, größtenteils leer stehenden Gebäude und dessen Umfeld etwas tut. Als die Bahn die Immobilie, zu der die Parkplätze links und rechts davon gehören, im März 2016 an die Aedificia Infrastruktur- und Entwicklungsgesellschaft verkaufte, war die Hoffnung groß, dass der private Investor das gut 3000 Quadratmeter große Grundstück wieder auf Vordermann bringt.
Doch außer dem Namen des Investors, der irgendwann unter Sohoco firmierte, änderte sich am Lohrer Bahnhof nicht viel: Im Februar 2019 schloss der Fahrkartenladen, für den erst knapp zwei Jahre später ein Video-Ticketschalter als Ersatz einzog. Er steht neben dem Eingang zum Motorradclub, der in den Räumen der ehemaligen Bahnhofsgaststätte untergekommen ist. Laut Christian Bergmann wohnt im Dach des Bahnhofsgebäudes noch ein Privatmann. Alles andere steht leer und gammelt wie ein Zombie vor sich hin.
Lohrs Bürgermeister Mario Paul ist die Enttäuschung über den Stillstand anzumerken: "Der Lohrer Bahnhof ist schon seit Langem ein einziges Ärgernis, weil uns vor allem die Entwicklungsperspektive jahrelang fehlte." Der frühere Eigentümer habe viel in Aussicht gestellt, doch daraus sei nichts geworden, sagt er. "Wir haben jetzt neue Möglichkeiten, aber die müssen erst noch ergriffen werden. Das ist kein Selbstläufer", betont Paul. Die negativen Erfahrungen haben ihn offenbar Vorsicht gelehrt.
150 Menschen hatten protestiert
Die Stadt Lohr kann einem privaten Investor nicht vorschreiben, was er mit seinem Eigentum machen soll. Doch sie sitzt mit dem Landratsamt, Bundestags- und Landtagsabgeordneten, der Bahn und dem Bahnhofseigentümer an einem Runden Tisch. Diesen hatte der CSU-Landtagsabgeordnete Thorsten Schwab ins Leben gerufen, nachdem im Juli 2019 rund 150 Menschen gegen die Zustände am Lohrer Bahnhof protestiert hatten.
Als Bürgermeister Paul merkte, dass sich am Bahnhof auch weiter nichts tut, hat er nach eigener Aussage "lediglich Menschen zusammengebracht". Simon Zschau, Prokurist der CB Lohr GmbH, formuliert es hingegen so: "Herr Paul konnte uns überzeugen, dass wir hier investieren." Christian Bergmann ist in Lohr kein Unbekannter, nachdem er im Jahr 2021 die Kapelle im Aloysianum gekauft hatte.
Natürlich erhofft sich der Bürgermeister auch Fortschritte in anderen Bereichen als dem Bahnhofsgebäude allein. Er spricht dabei die Sanierung der von Schlaglöchern vernarbten Zufahrtsstraße an, die aktuell privat ist. Eine öffentlich nutzbare Toilette und Anlagen, um Fahrräder abzustellen, stehen ebenfalls ganz oben auf Pauls Wunschliste.
Zuschuss für Toilette möglich
Für Erstere könnte die Stadt laut dem Rathauschef einen Zuschuss geben, um eine private Toilette in der Gastronomie auch öffentlich nutzbar zu machen. Die Radabstellanlagen seien trotz Förderprogramm von Bund und Bahn bisher daran gescheitert, dass man sich mit dem vorherigen Eigentümer nicht auf einen Standort festlegen konnte, berichtet Paul. Bergmann signalisiert die Bereitschaft, mit der Stadt an einem Strang zu ziehen.
Für den neuen Investor hat aber erst einmal das Bahnhofsgebäude Priorität: Nach der Schlüsselübergabe am 1. Februar will der 51-Jährige die Wohnungen im Obergeschoss "mit kleinen Mitteln wieder gangbar machen, um den Bahnhof bereits im März wieder zu beleben". Wegen eines Wasserschadens müssten die Bäder und Böden saniert werden, berichtet Bergmann.
Als nächstes will der Würzburger die Baugenehmigung erwirken und die Finanzierung für die Komplettsanierung sichern. Ihm schwebt ein Crowdfunding-Projekt vor, das es auch Bürgern erlaubt, in den Umbau des Lohrer Bahnhofs mit zu investieren. Privatanleger würden dafür Zinsen bekommen, erläutert er. Bergmann geht davon aus, dass es mindestens ein Jahr dauert, bis der Umbau genehmigt wird.
Handwerkermangel ist kein Problem
Den derzeit grassierenden Handwerkermangel sieht Christian Bergmann für sein Projekt nicht als Problem an: Seine Firmengruppe habe seit über 20 Jahren einen festen Handwerkerstamm, mit dem er zusammenarbeite. Für die Gaststätte und das Hostel gebe es laut dem 51-Jährigen wegen der hohen Frequenz an Menschen bereits Interessenten. Mario Paul verweist darauf, dass nach Informationen der Bahn täglich 1700 Leute am Lohrer Bahnhof ein- oder umsteigen würden.
Noch ist das aufgrund der fehlenden Barrierefreiheit, des Toilettenmangels und des unansehnlichen Gebäudes kein Vergnügen. Doch vielleicht bewahrheitet sich das Schild, das hinter verdreckten und zerbrochenen Scheiben verlassen im Lohrer Bahnhof steht. "Wir tun was", ist darauf zu lesen.