Ist der Lohrer Stadtrat ein Debattierklub, in dem Ratsmitglieder Diskussionen durch entbehrliche Wortbeiträge wie Kaugummi in die Länge ziehen? Oder stellen manche Räte im öffentlichen Teil der Sitzungen nur deshalb Fragen, um so dafür zu sorgen, dass die Öffentlichkeit Dinge erfährt, die sie sonst nicht erfahren würde?
Diese Fragen stellten sich nach der jüngsten Sitzung des Stadtrates. Unabhängig von den Antworten ist eines offenkundig: Unter den Ratsmitgliedern herrscht einiger Unmut.
Dieser wird sich nach Informationen dieser Redaktion zeitnah in einem Antrag an Bürgermeister Mario Paul niederschlagen. Darin, so ist aus Ratskreisen zu hören, wird eine große Mehrheit der Stadträte dafür eintreten, dass künftig im Vorfeld von Sitzungen wieder mehr Infos zu anstehenden Themen an die Öffentlichkeit gelangen.
Unterdessen verlas Bürgermeister Mario Paul in der jüngsten Stadtratssitzung eine kurze Stellungnahme zu dem Thema. In ihr erklärte und lobte er einerseits die aktuelle Informationspolitik des Rathauses, signalisierte aber auch Diskussionsbereitschaft (siehe Infokasten).
Diskussionen seit Mai
Das Thema köchelt mittlerweile seit einem halben Jahr. Auslöser war ein Kurswechsel, den Bürgermeister Paul und seine Verwaltung im Mai vollzogen hatten. Statt wie zuvor Öffentlichkeit und Presse im Vorfeld von Sitzungen in vorbildlicher Weise und umfangreich zu informieren, gab es ab da nur noch schlagwortartige Ankündigungen der anstehenden Themen. So war mitunter kaum zu erkennen, womit sich der Stadtrat befassen wird.
Das Rathaus begründete das Kappen des Informationsflusses mit Vorgaben des Datenschutzes sowie Empfehlungen des Innenministeriums und des Landesdatenschutzbeauftragten. Auf Nachfrage dieser Redaktion stellten diese beiden Stellen ebenso wie die Rechtsaufsicht des Landratsamtes jedoch klar, dass es kein Gesetz gebe, welches der Stadt eine umfangreiche Öffentlichkeitsinformation verbiete.
Eine große Mehrheit des Stadtrates wünschte sich daraufhin bereits im Juli per Beschluss vom Bürgermeister eine Rückkehr zur früheren Praxis der umfangreichen Öffentlichkeitsinformation. Diesem Wunsch hat Paul nach Ansicht offenbar etlicher Ratsmitglieder bis heute nicht entsprochen. Der Inhalt des Newsletters, den die Stadt auch als Reaktion auf die Kritik neuerdings vor Sitzungen verschickt, sei "nichtssagend", so ein Ratsmitglied gegenüber der Redaktion.
Infos auf interner Plattform
Das Thema des Umgangs mit Informationen spielte auch in der jüngsten Stadtratssitzung eine Rolle: FDP-Mann Peter Sander kritisierte am Ende der über vierstündigen Sitzung die Debattenkultur im Gremium. Manche Stadträte seien offenbar schlecht vorbereitet, so Sander. Sie stellten Fragen, die sie sich "mit einem Blick in die Cloud" selbst beantworten könnten.
Die Cloud, das ist jene verschlüsselte digitale Daten-Plattform, auf der die Verwaltung exklusiv für Ratsmitglieder im Vorfeld von Sitzungen Unterlagen zu den anstehenden Tagesordnungspunkten zur Verfügung stellt. Allerdings sind die Räte bei diesen Infos seit Mai per Geschäftsordnung zur Verschwiegenheit verpflichtet.
Die Folge ist offenbar, dass manche Räte im öffentlichen Teil der Sitzungen gezielt Fragen stellen, um mit deren Beantwortung Informationen an die Öffentlichkeit zu bringen, die ansonsten intern bleiben würden. So jedenfalls erklärte Ulrike Röder, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, so manche von Sander kritisierte Wortmeldung. Womöglich auch um solche Wortmeldungen entbehrlich zu machen, gibt es nun also erneut eine interfraktionelle Initiative, die Paul zu einer besseren Öffentlichkeitsinformation bewegen will.