
An der Tür zur Kirche St. Sebastian hängt rot-weißes Absperrband, dazu ein Schild: "Diese Türe könnte ab 2025 dauerhaft verschlossen sein." In Neuendorf wird mit drastischen Mitteln um Kandidaten für die Wahl einer neuen Kirchenverwaltung geworben. Abgestimmt wird zwar erst im November, aber der Druck ist groß, denn das alte Gremium setzt sich komplett zur Ruhe.
Die Kirchenverwaltung ist zusammen mit dem Pfarrer zuständig für Vermögen, Gebäude, Grundstücke und Personal, sofern vorhanden, der jeweiligen Kirchengemeinde. In Neuendorf gehören dem Gremium vier Männer an. Nach Angaben von Kirchenpfleger Manfred Püchner sind seine drei Kollegen alle um die 75 Jahre alt. Er selbst, erst 71, wolle nach drei Wahlperioden ebenfalls aufhören.
Somit steht die Kirchenverwaltung in Neuendorf vor einem kompletten Neuanfang. Laut Püchner kann das alte Gremium auf eine erfolgreiche Tätigkeit zurückblicken, unter anderem auf die Kirchensanierung von 2017 bis 2019 und den Verkauf des Kindergartens an die Gemeinde. Um die Nachfolgesuche kümmere sich das Gemeindeteam, das gebildet worden ist, als kein Pfarrgemeinderat mehr zustande kam.
Flugblatt verteilt
Teamsprecher Artur Krimm zeichnet sich nicht nur für die Absperrbandaktion verantwortlich, die Idee dazu kam nach seinen Worten aus dem Team, sondern auch für ein doppelseitiges Flugblatt, das an alle Haushalte verteilt wurde. Mit der drastischen Aktion habe man immerhin schon zwei Leute aktiviert, die kandidieren wollten, berichtete Krimm im Gespräch mit unserer Redaktion.
Die Mindestbesetzung der Kirchenverwaltung für Neuendorf seien vier Personen. Die Zahl könne mit einer Ausnahmegenehmigung auf zwei reduziert werden, wenn sich nicht genügend Kandidaten fänden, erläuterte der frühere Gemeinderat. Das würde aber bedeuten, "dass Aufgaben der Kirchenverwaltung einfach liegen bleiben".
Wenn er seine Zeit als Ministrant dazurechne, sei er seit über 50 Jahren im kirchlichen Ehrenamt aktiv, so Krimm. In den letzten zwei oder drei Jahrzehnten habe sich die Einstellung erheblich geändert. Er höre immer öfter: "Das sollen mal die Rentner machen, die haben Zeit dazu, wir müssen schaffen gehen."
Seit März sei er selbst im Ruhestand und habe gemerkt, dass das Rentnerdasein auch bedeute, "dass man abgeschafft und die Luft 'raus ist". Die beiden potenziellen Kandidaten sind nach Krimms Worten neu und gehören nicht zum Gemeindeteam. Bei Gesprächen hätten sie mitgeteilt, sie könnten sich eine Mitarbeit vorstellen.
Ziel: Vier Kandidaten
Krimm hofft allerdings, "dass wir vier Kandidaten zusammenbekommen, das ist die richtige Größe für unsere Aufgaben". Dann werde die Arbeit für die zwei auch nicht zu viel, damit diese nicht kritisierten: "Wenn wir das vorher gewusst hätten..." Man dürfe beim Ehrenamt nicht immer nur den Aufwand in den Vordergrund stellen, unterstrich der Teamsprecher. "Es macht auch Freude, seinen Beitrag dazu zu leisten, eine Tradition weiterzuführen oder ein Fest erfolgreich zu gestalten." Lob bedeute für ihn: "Es ist nicht umsonst, was du da machst."
Der Rückgang von Freiwilligen für Ehrenämter sei ein grundsätzliches Problem und habe nicht speziell etwas mit der Kirchenverwaltung und Neuendorf zu tun. Nach zwei Rückmeldungen schon in der ersten Woche sei er aber jetzt zuversichtlicher, was die Wahl im November angehe. Die Suche gehe weiter. In dem Flugblatt werden mehrere Szenarien beschrieben, die eintreten könnten, wenn es keine Wahl einer neuen Kirchenverwaltung in Neuendorf gibt. Sie laufen alle mehr oder weniger auf den Verlust der Selbstständigkeit hinaus und stammen nach Angaben von Manfred Püchner aus einem Merkblatt der Diözese Würzburg.
So heißt es, die Mutterpfarrei Langenprozelten, zu der Neuendorf als Kuratie gehöre, müsste die Verwaltung übernehmen und könnte dann über das gesamte Vermögen und die Gebäude der Kirchengemeinde entscheiden. Langenprozelten habe aber selbst Probleme, Kandidaten für die Kirchenverwaltungswahl zu finden.
Mehrere Irrtümer
Selbst die Verwaltung durch die Diözese selbst wäre möglich, die einen Verwalter bestellen würde, der sich nur noch um das absolut Notwendige kümmern würde. Kirche, Pfarrbüro und Pfarrheim würden dann geschlossen. Hier irren sich die Neuendorfer aber gleich mehrfach.
Langenprozelten sei schon lange nicht mehr die Mutterpfarrei von Neuendorf, sagte der zuständige Pfarrer Norbert Thoma. Die Gemeinden gehörten unterschiedlichen pastoralen Räumen an (Lohr und Gemünden). Auf einen Kandidatenaufruf im Langenprozeltener Pfarrbrief hin habe es positive Rückmeldungen gegeben. Mit den Interessenten seien "motivierte und qualifizierte Gespräche" geführt worden: "Es bewegt sich was, es geht gut voran in Langenprozelten."
Der Gemeinde keine Angst machen
Kuratus von Neuendorf ist vielmehr Lohrs Pfarrer Sven Johannsen. Dieser erklärte auf Anfrage, die Kirchenverwaltung sei wichtig, damit eine Kirchengemeinde selbstständig bleiben könne. "Aber man darf der Gemeinde keine Ängste machen, die keine Grundlage haben", betonte er.
Ohne Kirchenverwaltung werde die Kirchengemeinde Neuendorf nicht automatisch der Mutterpfarrei zugeschlagen, denn sie sei als Kuratie eigenständig, nicht bloß eine Filiale. Notwendige Reparaturen an den Gebäuden würden selbstverständlich erledigt: "Die Kirche wird nicht zugesperrt."
In der Stadtpfarrei Lohr und den anderen Gemeinden der Pfarreiengemeinschaft "12 Apostel am Tor zum Spessart" erwartet Johannsen keine Probleme mit der Kirchenverwaltungswahl. Es gebe ausreichend Kandidaten, auch in kleineren Gemeinden.
