
Ein aufgeregtes Quieken und Grunzen begrüßt Martin Stamm, als er sich seinem an den Seiten offenen Stall nähert. Die neugierigen Ferkel recken ihre Schnauzen in die Höhe und steigen sogar aufeinander, um einen besseren Blick nach draußen zu erhaschen. Der 42-jährige Ferkelzüchter aus Hausen hat sich nach einer Lehre zum Bankkaufmann für ein Landwirtschaftsstudium entschieden. Schweine statt Scheine, wenn man so will.
2005 übernahm Stamm den väterlichen Betrieb, der zurzeit 220 Muttersauen, bis zu 660 Mastschweine und im Schnitt 1300 Ferkel umfasst. Für seine Ferkel hat der Landwirt zwei Hauptabnehmer – einen Direktvermarkter in Hessen und einen Schweinemäster im Landkreis Bad Kissingen. Seine Mastschweine verkauft er an regionale Metzger. An seinem Beruf mag der 42-Jährige die Arbeit mit den Tieren. "Das war schon immer meins. Ich könnte mich den ganzen Tag im Stall beschäftigen und bräuchte nicht auf dem Trecker zu sitzen", sagt er.
Gesetzeswahnsinn
Was ihn an seinem Beruf stört, seien die "Bürokratie und der Gesetzeswahnsinn". Kein Landwirt könne verstehen, dass manche Gesetze in so einer Geschwindigkeit kommen, betont Stamm. Der 42-Jährige macht sich Sorgen um die Zukunft seines Betriebs. Mittelfristig müsste er viel Geld investieren, um die kürzlich erlassenen Tierschutz-Vorschriften zu erfüllen.
Martin Stamm ist davon überzeugt, dass die Agrarwende kommen muss. Das Wohl seiner Schweine liegt ihm am Herzen. Er betont aber auch, dass die landwirtschaftlichen Betriebe Planungssicherheit brauchen. Am Beispiel seiner drei Schweineställe erklärt der Hausener, was er damit meint. Der Stall für die Müttersäue ist Baujahr 2003, der Maststall stammt aus dem Jahr 2011, den Ferkelaufzuchtstall hat der Landwirt 2017 bauen lassen. Keiner dieser Ställe ist abbezahlt, doch wegen der neuen Regelungen müsste der Schweinezüchter sie umbauen oder teils sogar abreißen und einen neuen Stall errichten.
Der Landwirt aus Hausen kritisiert, dass sich mittlerweile alle zwei, drei Jahre die Gesetze ändern würden, er aber einen Stall über 20 Jahre finanzieren müsse. Weil ihm die Gewissheit fehlt, dass er den neuen Stall abbezahlen und damit Geld verdienen kann, zögert Stamm die Entscheidung noch hinaus.
Niedrige Gewinnspannen
Auch Reinhard Wolz, Kreisobmann des Bauernverbands, spricht sich für lange Übergangsfristen aus. "Bei Bauern sind die Gewinnspannen so niedrig, dass wir mindestens 20 Jahre in unseren Ställen produzieren müssen", sagt der 59-Jährige. Er betreibt zusammen mit seinem Stiefsohn Martin Hock den Schwalbenhof in Marienbrunn, wo er ebenfalls Schweine züchtet und mästet.
Wolz, der vom Ferkel übers Schlachtschwein bis zur Muttersau zwischen 250 und 300 Schweine auf dem Hof hat, muss sich derzeit noch keine Sorgen wegen der neuen Tierwohl-Maßstäbe machen. Sein Stall ist nach eigener Aussage nach Biovorgaben gebaut, seine Tiere haben Stroh und Auslauf im Freien. Aber auch er befürchtet, dass sich die Gesetzeslage schnell wieder ändern könnte. "Die Erfahrung zeigt, dass man alle drei Jahre andere Auflagen gemacht kriegt", sagt der Kreisobmann.
Martin Stamms Sauen leben in Ställen, die dieser als "Zwischending zwischen konventionell und ökologisch" bezeichnet. Mast- und Ferkelaufzuchtstall sind Außenklimaställe. Die Mastschweine haben nach Angaben des Landwirts 40 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben. Den Ferkeln stehen zwischen 30 und 35 Prozent mehr Raum zur Verfügung. Der 42-Jährige kann die Wände des Stalls hochfahren und so Frischluft ins Innere hineinströmen lassen. Nur der Stall für die Muttersauen wird noch über vier Ventilatoren belüftet.
Die am 9. Februar in Kraft getretene Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung sieht mehr Platz für die Schweine und das Ende des sogenannten Kastenstands vor. Nach einer Übergangsfrist von acht Jahren dürfen Sauen im Deckzentrum, also dort, wo sie besamt werden, nicht mehr im Kastenstand gehalten werden. Die trächtigen Säue befinden sich dabei einzeln in einem engen Metallkäfig. Eine derartige Fixierung ist nur noch kurzzeitig, etwa für eine künstliche Besamung oder ärztliche Untersuchung zulässig. Die neuen Regeln sehen außerdem fünf Quadratmeter Platz pro Tier vor.
Verletzte Tiere prognostiziert
Martin Stamm prophezeit, dass es mit dem Wegfall des Kastenstands viele verletzte Tiere geben wird. "Rauschige Sauen springen aufeinander. Wenn eine 300-Kilo-Sau auf eine mit 140 Kilo aufspringt, dann weiß ich nicht, wie es der 140-Kilo-Sau danach geht", sagt er. Es sei darüber debattiert worden, dass man die Säue über die vier- bis fünftägige Rausche fixieren darf und sie dann wieder in Gruppen laufenlässt, berichtet der Schweinezüchter. Dann wäre das Problem mit dem Aufspringen gelöst gewesen. "Jetzt kam heraus, dass nur eine Viertelstunde Fixierung erlaubt ist", sagt er kopfschüttelnd.
15 Jahre Übergangsfrist
Auch im Abferkelbereich, wo die Ferkel geboren werden, muss sich einiges tun: Dort ist die Kastenstandhaltung künftig höchstens fünf statt bisher 35 Tage zulässig. Der Kasten verhindert, dass sich die Muttersauen hinlegen und die Ferkel erdrücken. Zudem müssen die Abferkelbuchten, in denen die Muttersauen und die Ferkel untergebracht sind, mindestens 6,5 Quadratmeter groß sein. Der Staat räumt den Betrieben dafür eine Übergangsfrist von 15 Jahren ein.
Martin Stamm braucht dann für seine Schweine fast die doppelte Fläche, wie er sagt. "Wenn ich auf Bewegungsbuchten beim Abferkeln umstellen würde, müsste ich locker mit 700 000 bis 800 000 Euro planen, weil ich diesen Bereich neu bauen muss", rechnet der Landwirt vor.
Zumindest den Platz für eine Erweiterung hätte er, da seine Ställe zwischen Äckern außerhalb seines Heimatorts liegen. "Betriebe im Ort oder in Ortsrandlage werden keinen Auslauf genehmigt kriegen, weil das immer mehr Emissionen bedeutet. Das wird noch viele Betriebe in den nächsten Jahren zum Aufgeben zwingen", befürchtet der 42-Jährige.
Sowohl Martin Stamm als auch Reinhard Wolz sind Befürworter von Tierwohlprämien. "Wenn die Landwirte höhere Tierwohl-Standards erfüllen sollen, dann muss das irgendwie entlohnt werden", betont Stamm. Lieber wäre den beiden Ferkelzüchtern aber, wenn sich das über den Preis regeln ließe. "Wenn die Sau einen anständigen Erlös bringt, dann brauchen wir keine Prämie", sagt der Kreisobmann. Doch die zwei Landwirte wissen nur zu gut, dass das auf einem globalen Markt kaum funktionieren wird.