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Thüngen
Neue Bundesvorschrift zu Nitrat-Grenzwerten: Landwirte im Werntal befürchten große Einschränkungen
Das Trinkwasser im Werntal war früher stark mit Nitrat belastet, durch die Aktion Grundwasserschutz hat sich vieles verbessert. Eine neue Auslegung der Grenzwerte könnte den Landwirten nun das Leben schwer machen.
Treffen vor dem Trinkwasserbrunnen der Stadt Karlstadt in der Gemarkung Thüngen: Die Landwirte Alban Höfling, Klaus Höfling, der Verantwortliche der Stadt Karlstadt Klemens Albert und Hanskarl Freiherr von Thüngen sind über die neuen Pläne des Bundes zur 'Aktion Grundwasserschutz' besorgt.
Foto: Günter Roth | Treffen vor dem Trinkwasserbrunnen der Stadt Karlstadt in der Gemarkung Thüngen: Die Landwirte Alban Höfling, Klaus Höfling, der Verantwortliche der Stadt Karlstadt Klemens Albert und Hanskarl Freiherr von Thüngen ...
Günter Roth
 |  aktualisiert: 14.07.2022 02:41 Uhr

Eigentlich war es ein Vorzeige-Modellprojekt, das landesweit große Anerkennung gefunden hat. Jetzt aber könnte eine neue Verwaltungsvorschrift des Bundes für die "Aktion Grundwasserschutz" im Werntal das Aus bedeuten. Landwirte und Fachleute aus dem Trinkwasserbereich sind empört und sprechen von der Bestrafung ihrer bisherigen Leistungen.

Was aber ist los im Werntal? Vor gut 20 Jahren hatte Paul Kruck als damaliger Beauftragter der Regierung von Unterfranken und späterer Bürgermeister von Karlstadt das "Modellprojekt Werntal" initiiert und erfolgreich vorangetrieben. 17 Landwirte aus Stetten, Thüngen und Arnstein verpflichteten sich, die Flächennutzung abhängig von der Bonität der jeweiligen Äcker zu extensivieren. Auf besonders schwachen und durchlässigen Standorten wurde kein Stickstoff mehr ausgebracht und meist extensives Grünland angelegt.

Tiefgründige Felder, auf denen nur wenig Grundwasser versickert, durften dagegen mit einer vielgliedrigen, extensiven Fruchtfolge weiter ackerbaulich genutzt werden. Für ihre Ernteeinbußen und ihren Mehraufwand werden die beteiligten Landwirte entschädigt. Dadurch konnten mittlerweile die Nitratwerte fast aller Brunnen in dem Einzugsbereich deutlich gesenkt werden, teilweise unter 30 Milligramm pro Liter. Die Trinkwasserversorgung der Werntalkommunen kann seitdem ohne weitere Maßnahmen sichergestellt werden.

Projekt wurde in der Fachwelt oft gelobt

Der Knackpunkt der Verwaltungsnovelle ist nun der Umgang mit den schon lange geltenden Grenzwerten von höchstens 50 Milligramm an den einzelnen Messstellen. Bislang wurde der Durchschnitt der gemessenen Werte innerhalb eines Jahres zugrunde gelegt, nun aber soll der Jahreshöchstwert das Maß sein. Konzentrationsangaben mehrerer Jahre können wiederum zu einem arithmetischen Mittelwert zusammengefasst werden.

Was nun nach einfacher Statistik aussieht, könnte für die Landwirte im Werntal fatale Folgen haben, weil dann nach geltendem Recht deutliche Einschränkungen - beispielsweise eine 20-prozentige Minderung beim Düngen - auf sie zu kämen. Hanskarl Freiherr von Thüngen, der einen großen Teil der insgesamt 4600 Hektar großen Vertragsfläche bewirtschaftet, ist empört. "Wir haben 20 Jahre lang das Werntalprojekt erfolgreich vorangetrieben. Es wurde in der Fachwelt stets als beispielhaft hochgelobt und die Nitratwerte auf unseren Flächen deutlich gesenkt. Jetzt kommen die und machen uns rücksichtslos kaputt!"

Heimliche Durchsetzung der Vorschrift ärgert die Landwirte

Auch der Landwirt Klaus Höfling aus Heßlar ist außer sich: "Wir haben auf den Anbau von Winterweizen verzichtet und nur alle fünf Jahre Raps angebaut. Durch die verminderte Düngung kommt keine Zwischenfrucht mehr hoch. Was sollen wir denn jetzt noch anbauen?" Alban Höfling, sein Kollege aus Stetten, sieht hier eine Bestrafung der guten Leistung. Klemens Albert, der Trinkwasserschutzbeauftragte der Karlstadter Stadtwerke, kritisiert die neuen Vorschriften ebenfalls. Die bisherige Arbeit war sehr erfolgreich und effektiv. Der Preis des Trinkwassers wurde durch die Zahlungen an die Landwirte lediglich um 15 Cent pro Kubikmeter Wasser erhöht, sagt er.

Was aber die Landwirte zusätzlich auf die Palme bringt, ist die schnelle, klammheimliche Durchsetzung der neuen Vorschrift, die an diesem Freitag im Bundesrat abgesegnet werden soll. Die Betroffenen hatten von den Änderungen nur durch Zufall erfahren und nur wenige Tage Zeit für Stellungnahmen. Es gibt große Zweifel, ob die Novelle noch zu stoppen oder wenigstens zu modifizieren ist. Bislang konnten die Landwirte nur Manuela Rottmann, die parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, für die Problematik sensibilisieren.

Problematische Partnerschaft: Landwirtschaft und Trinkwasser im Werntal

Das Werntal ist geprägt durch die wasserdurchlässigen Muschelkalkböden, bei denen Nitrat sehr schnell ausgewaschen wird, wenn zu viel gedüngt wird. So näherten sich um die Jahrtausendwende die Nitratwerte in den Trinkwasserbrunnen bedrohlich der erlaubten Höchstkonzentration von 50 Milligramm pro Liter. Teilweise lagen sie sogar höher.
Das Gesamtgebiet des "Werntalprojekts" umfasst 8600 Hektar, wovon fast die Hälfte landwirtschaftlich genutzt wird. Mit Karlstadt, Thüngen und Arnstein beziehen hier drei Kommunen ihr Trinkwasser für rund 40.000 Menschen. Durch die Beteiligung von 17 Landwirten wurden beispielsweise andere Früchte angebaut und gezielt Zwischenfrüchte eingesetzt, die im Winterhalbjahr die Nitrate binden und in der Wachstumsphase an den Boden zurückgeben sollen. Schließlich wurden rund 20 Prozent der Fläche stillgelegt, es gab zwar eine Einsaat und Pflege, aber keinen Ertrag. Insgesamt wurden über 1000 Hektar grundwasserverträglich bewirtschaftet und somit ein deutlicher Rückgang des Nitratgehalts in den Werntalbrunnen erzielt werden - selbst in den trockenen Sommern der vergangenen Jahre.
Die Bewertungsnovelle würde nach Ansicht der betroffenen Landwirte noch einschneidendere Maßnahmen erfordern und damit zu geringeren Ernten bei höheren Kosten führen.
(th)
 
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