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Rohrbach
Neuanfang vor 50 Jahren mit Aussiedlerhof im Karlburger Tal
Die Familie Endres war eine von nicht wenigen Landwirten in Bayern, die in den 1970er Jahren aus der Enge der Dörfer hinaus in die Flur zogen. Eine zukunftsträchtige Entscheidung.
Seit 50 Jahren gibt es den Aussiedlerhof im Karlburger Tal in Rohrbach. Das Jubiläum  konnten die Besitzer Luise und Gerhard Endres und Sohn Christian im vergangenen Jahr Corona-bedingt leider nicht öffentlich feiern. 
Foto: Josef Riedmann | Seit 50 Jahren gibt es den Aussiedlerhof im Karlburger Tal in Rohrbach. Das Jubiläum  konnten die Besitzer Luise und Gerhard Endres und Sohn Christian im vergangenen Jahr Corona-bedingt leider nicht öffentlich ...
Josef Riedmann
 |  aktualisiert: 09.02.2024 21:53 Uhr

Es war die Zeit der Flurbereinigung. In vielen Regionen Bayerns wurden dabei nicht nur die Bachläufe gerade gezogen und landwirtschaftliche Wege betoniert, sondern sollten innovativen Landwirten auch Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die 1970er Jahre, das war auch die Zeit der Aussiedlerhöfe. Einer davon entstand im Karlburger Tal bei Rohrbach. Seit 50 Jahren existiert der Bauernhof mit Schweinemastbetrieb der Familie Endres. Die Herausforderungen waren groß. Haben sich Mut und Mühen gelohnt?

Der kleine Hof von Otmar und Theresia Endres, den Eltern von Gerhard Endres, war eingezwängt zwischen mehreren Bauernhöfen in Rohrbach. Gerhard, der älteste Sohn von fünf Kindern, geboren 1950,  zeigte Interesse an der Landwirtschaft und begann als einer der ersten aus dem Dorf eine Vollzeitausbildung zum Landwirt. Die Behörden hatten Vater Otmar den Aufbau einer Schweinezucht mit Mast nahegelegt. Allerdings hatte in dieser Sparte niemand im Ort einschlägige Erfahrungen. Als 16-Jähriger kam Gerhard deshalb in einen Lehrbetrieb in Waigolshausen, um sich spezielle Kenntnisse anzueignen.

Im Dorf selbst war so ein Schweinezuchtbetrieb aber kaum umsetzbar. Die Flurbereinigung 1968 bot die Möglichkeit, auszusiedeln. In den 1970er Jahren förderte der Staat die Landwirtschaft, insbesondere die Schweinefleischproduktion sollte gesteigert werden. Als Standort des Aussiedlerhofes wurde von den Behörden das Talende des Karlburger Grundes festgelegt. Hier entstand im Laufe der Jahrzehnte ein Vorzeigebetrieb.

Bescheidene Anfänge

1969 begann der Bau des Aussiedlerhofes. Neben einem bescheidenen eingeschossigen Wohnhaus entstanden ein Stall für 20 Zuchtschweine und ein Maststall für 100 Tiere, Stroh- und Futterlager und Gerätehallen. Im April 1970 zogen die Großeltern, die Eltern und Gerhard mit drei weiteren Geschwistern in das Wohnhaus ein. Einen Monat zuvor war der Betrieb angelaufen. Das Anwesen im Dorf, so war es wegen der Förderung behördlicherseits vorgeschrieben, musste verkauft werden. Gebäude und Flächen dort wurden auf drei benachbarte Bauernhöfe aufgeteilt.

Im März 1969 legte Gerhard seine Gesellenprüfung ab; mit 23 Jahren hatte er den Meistertitel. Im September 1972 heiratete er seine Frau Luise, die ebenfalls mit in das Haus einzog. Vater Otmar starb im Frühjahr 1973 mit nur 49 Jahren. Glücklicherweise war der Betrieb mit sieben Hektar Eigenfläche bereits auf Gerhard überschrieben. Mit knapp 23 Jahren trug der Jungbauer nun die alleinige Verantwortung für den Aussiedlerhof. Bei der Ferkelaufzucht unterstützte ihn seine Mutter Theresia.

Die Anfänge des Aussiedlerhofes Endres: Das Luftbild von 1981 zeigt vorne das Wohnhaus, rechts das Stallgebäude für die Ferkelaufzucht und zwei Gerätehallen. 
Foto: Privat/Repro Josef Riedmann | Die Anfänge des Aussiedlerhofes Endres: Das Luftbild von 1981 zeigt vorne das Wohnhaus, rechts das Stallgebäude für die Ferkelaufzucht und zwei Gerätehallen. 

Endres stellte schnell fest, dass der Verkauf seiner Schweine an die umliegenden Metzger keine wirtschaftlich ausreichende Zukunft haben würde. Er regte die Gründung einer Viehverwertungsgenossenschaft an, die für die Vermarktung der Schweine sorgte. Im Aufsichtsrat und als Vorstandsmitglied war er an der Viehverwertungsgesellschaft Nordbayern beteiligt, ebenso an der Gründung der Südfleisch GmbH Schlachthof in Würzburg, wo er von 1985 bis 1992 im Aufsichtsrat saß.

Schnellbahntrasse trifft den Aussiedlerhof hart

Um 1980 erfuhr Endres aus der Zeitung von der geplanten Schnellfahrstrecke der Bahn Hannover–Würzburg, die in Nord-Süd-Richtung auf einem 34 Meter hohen Damm durch das Karlburger Tal gebaut werden sollte, und damit seinen Aussiedlerhof vom Dorf abschneiden würde. Ein jahrelanger Streit zwischen Endres und der Bahn folgte. Den Wunsch nach einer erneuten Umsiedlung des Hofes lehnte die Bahn kategorisch ab. Sie fürchtete einen Präzedenzfall für ähnlich gelagerte Fälle zu schaffen.

Auch vor Gericht scheiterte Endres mit seinem Anliegen und gab schließlich auf. Unter Berücksichtigung aller Kosten, die seitens der Bahn für Gutachten und Prozesse aufzuwenden waren, wäre eine sofortige Umsiedlung des damals noch kleinen Hofes der Bahn vermutlich kaum teurer gekommen. Im Mai 1988 wurde der Streckenabschnitt Fulda – Würzburg offiziell in Betrieb genommen.

Der Aussiedlerhof Endres heute: Oberhalb der Biogasanlage sind die beiden Stallgebäude von 1985 bis 1990 für über 1000 Mastschweine zu sehen. 
Foto: Privat/Repro Josef Riedmann | Der Aussiedlerhof Endres heute: Oberhalb der Biogasanlage sind die beiden Stallgebäude von 1985 bis 1990 für über 1000 Mastschweine zu sehen. 

Die neu entstandene Talkessellage erleichterte Endres die Erweiterung seines Betriebes. 1985 baute er den ersten voll klimatisierten Schweinestall für 528 Mastschweine. Völlig neu war dabei die Computergesteuerte Fütterung mit Flüssigfutter nach neuesten technischen und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Zur Eröffnung kamen interessierte Landwirte mit zwölf Bussen aus ganz Deutschland.

Oft Vorreiter bei Innovationen

"Bei vielen Innovationen war ich der Erste, der es gemacht hat", sagt Endres zu seinen mutigen, risikobereiten Entscheidungen und Investitionen. Oft sei ihm der baldige Bankrott prophezeit worden. 1989/90 baute er den zweiten Schweinemaststall mit über 500 Stellplätzen. Weniger zur Gewinnoptimierung als vielmehr zur Geruchsreduzierung ließ der Landwirt als einer der Ersten die Güllegruben einhausen für den Betrieb einer Biogasanlage. Die Stalldächer sind seit 2003 mit Solarpanelen bestückt.

Familie Endres vor dem Wohnhaus im Karlburger Tal.
Foto: Josef Riedmann | Familie Endres vor dem Wohnhaus im Karlburger Tal.

Endres hat beim Arbeiten stets über den eigenen Tellerrand hinaus geblickt, hatte auch die Förderung der Landwirtschaft und seiner Berufskollegen im Blick. So war er von 2002 bis 2017 Kreisobmann des Bauernverbandes in Main-Spessart und auch politisch aktiv. Auf seinem Hof konnte er immer wieder besondere Gäste begrüßen, so etwa die Landwirtschaftsminister Josef Miller (1999) und Helmut Brunner (2010) oder Gerhard Sonnleitner, den Präsidenten des Deutschen und Europäischen Bauernverbands (2002). Viele Schulklassen, politische Gruppen, Lehrkräfte und selbst Geistliche ließen sich den Betrieb zeigen.

Die nächste Generation hat übernommen

Auch die Ausbildung lag dem Landwirt am Herzen. Im Laufe der 50 Jahre erwarben 16 Auszubildende auf seinem Hof praktische Kenntnisse. Praktikanten aus England und Russland, von überörtlichen Stellen vermittelt, schauten sich die Betriebsführung bei ihm an. Seit 2010 ist auch ein landwirtschaftlicher Mitarbeiter auf dem Hof beschäftigt.

In seinem ältesten Sohn Christian hat Gerhard Endres einen Nachfolger. Nach dem Gehilfenbrief 1994 bildete Christian sich zum Agrarbetriebswirt weiter. Ab 1998 wurde der Betrieb zwischen Vater und Sohn geteilt, so dass Christian bei voller Verantwortung in die Betriebsführung hineinwachsen konnte. Seit 1. Juli 2013 ist der Hof ganz auf Christian überschrieben. Mit dessen Sohn Jakob zeigt schon die nächste Generation Interesse an der Landwirtschaft.

 
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