Im vergangenen Jahr stand eine vom Bundesverfassungsgericht geforderte Nachbesserung des Gesetzes hinsichtlich Beihilfe zur Selbsttötung auf der Tagesordnung des Bundestags. Zwei eingebrachte Gesetzesentwürfe scheiterten jedoch. Aus diesem Anlass setzte man sich im Dienstagstreff der Evangelischen Kirchengemeinde Lohr mit dem Thema "Beihilfe zur Selbsthilfe - Gesetzeslage und Überlegungen aus christlicher Sicht" auseinander und stieß damit auf reges Interesse, heißt es in einer Pressemitteilung der Evangelischen Kirchengemeinde. Dieser sind folgende Informationen entnommen.
Ziel der Veranstaltung sei Unterstützung der eigenen Meinungsbildung, sagte Dekan Till Roth einleitend. Im Zentrum der Bildungsveranstaltung stand nach Faktenklärung, Definitionen und Darstellung der Gesetzeslage die ethische Debatte. Roth entfaltete zu relevanten Thesen unterstützende und kritische Argumentationslinien, unter anderem zur Zweifelhaftigkeit des Sterbewunsches. Der Blick wurde auf Aspekte geweitet, die gelegentlich in der Abwägung verloren gehen: Welchen Wert bemisst man dem Selbstbestimmungsrecht zu? Was ist Helfern zumutbar? Wie steht es mit einer gelegentlich zweifelhaften Interessenlage von Angehörigen? Kann Drängen zum Tode eine Gefahr sein?
Im Laufe des Vortrages wurde deutlich, dass die Belange der Akteure teilweise schwer vereinbar sind. Außer dem persönlichen Leiden der Betroffenen mit erlebter Hilflosigkeit, Verzweiflung und Sinnlosigkeit sind auch Angehörige, enge Freunde, Ärzte und Pflegepersonal mit der eigenen ethischen Sichtweise beziehungsweise Berufsethos betroffen. Des Weiteren stehe die Gesellschaft mit verschiedenen, teils gegensätzlichen Weltanschauungen nicht unberührt da und der Staat habe die Aufgabe, in der Gesetzgebung verschieden Grundrechte abzubilden und einer pluralistischen Gesellschaft gerecht zu werden. "Die christliche Perspektive ist nicht die einzige. Jedoch müssen auch Christen sich mit ihrer Sicht in den Gesetzen wiederfinden können", gab Dekan Roth zu bedenken. Grundsätzlich sei zu beobachten, dass menschliche Beziehung den Wunsch nach Selbsttötung reduziere.
Kirchen sprechen sich gegen ärztliche Beihilfe aus
Die gemeinsame Erklärung der katholischen und evangelischen Kirche in Deutschland spricht sich gegen die ärztliche Beihilfe zum Suizid aus. Grundsätzlich bekräftigen die christlichen Kirchen ihre Sicht auf das Leben als einer unverfügbaren Gabe Gottes, das seine Würde auch angesichts starker Einschränkungen und Leiden nicht verliert. Der Tendenz, Leben mit Einschränkungen für nicht mehr sinnvoll zu erklären, wird widersprochen. Gleichzeitig fordern auch die Kirchen die Verbesserung palliativmedizinischer Versorgung, den Ausbau von Hospizarbeit und sehen sich hinsichtlich der Seelsorge an Schwerstkranken und Sterbenden in der Pflicht. Zum Abschluss der Bildungsveranstaltung im Ulmer-Haus ließen Fragen aus christlicher, ärztlicher und hospizlicher Perspektive sowie das Teilen persönlicher Erfahrungen den Gesprächs- und Informationsbedarf erkennen. "Mir zeigt die Fragerunde, wie schwierig sich das Geflecht von Problemen in der Praxis für viele darstellt", meinte Dekan Till Roth im Nachgang.