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Homburg
Musik, Liebe und Alltag
Unscheinbar aber ein wahrer Schatz für den Fachmann: Michael Günther mit dem „Mainstockheimer Clavierbuch“.
Foto: Martin Harth | Unscheinbar aber ein wahrer Schatz für den Fachmann: Michael Günther mit dem „Mainstockheimer Clavierbuch“.
Martin Harth
Martin Harth
 |  aktualisiert: 02.10.2021 02:38 Uhr

Mit detektivischem Spürsinn hat der Homburger Musikwissenschaftler Michael Günther ein Büchlein aus dem fränkischen Weinort Mainstockheim bei Kitzingen gefunden und im Auktionshandel erworben. Es erwies sich als ein musikalisch-literarischer Hausschatz aus dem 18. Jahrhundert, der auf den Kantor Johann Heinrich Zang (1733-1811) zurückzuführen ist.

Bei vier Konzerten macht Günther als Experte für historisch dargebotene Klaviermusik an einem römischen Cembalo aus dem Jahr 1665 und an einem Nachbau eines Berliner Instruments (um 1700) dieses Schatzkästchen nun für seine Gäste in Schloss Homburg publik. Dabei dürften einige der neun enthaltenen Improvisationskompositionen nach Jahrhunderten erstmals wieder erklingen.

Johann Heinrich Zang war ein vielfältig begabter Schüler und "Kostzögling" des späten Johann Sebastian Bach in Leipzig, wie Günther verdeutlichte. Geboren im thüringischen Zella-Mehlis trat er nach Stationen am Kloster Banz und als Organist bei Coburg schließlich 1752 für über 50 Jahre eine Stelle als Lehrer und Kantor im wohlhabenden Weinort Mainstockheim an. Dort spielte er die Orgel, leitete einen Chor und veröffentlichte drei Bücher über Kalligraphie, das Büttnerhandwerk und den Orgelbau. Er soll zwei vollständige, größtenteils verlorene Jahrgänge Kirchenkantaten geschaffen haben.

Das erworbene Buch befand sich offenbar im Besitz der Zang-Schülerin Anna Margaretha Sattes aus Mainstockheim. In die Blanko-Seiten hatte Zang wohl schon während seiner Ausbildung beim Thomaskantor Bach in Leipzig Noten für Klavier und Orgel notiert. Es finden sich aber auch zeitgenössische Liedtexte, Trinksprüche und Gedichte, kindliche Kritzeleien oder beiläufige Notizen von offenbar späterer Hand.

Günther stellte die von Zang abgeschriebenen tänzerischen Variationen vor allem in Form der "Ciaconna" zu vorgegebenen, vertrauten Bass-Stimmen vor. Sie hatten vermutlich dem Unterricht gedient. Ihr Klang mutete mal fast volkstümlich an, einfach-rustikal bis hin zum Höfischen spielerisch-tänzelnd. Zur Musik stellte Viola Stanossek amüsante Liedtexte und Gedichte des Mainstockheimer Büchleins zum Thema Wein, Liebe und Alltag im 18. Jahrhundert vor. Sie waren ebenso handschriftlich in das Buch aufgenommen worden.

Abgeschriebene Virtuosenstücke des Nürnberger Barock-Komponisten Johann Pachelbel und seines Zeitgenossen Johann Krieger belegten in Günthers famoser Interpretation die hohen Ansprüche des Klavierspiels um 1700. Dabei wurden zarte Entwicklungen des traditionellen, deutschen Barockstils zu einer empfindsameren französischen Auffassung des späteren Rokoko bereits vorweggenommen.

Das Publikum nahm die fachkundigen Gesprächskonzerte im Homburger Gebsattelschloss mit größtem Interesse auf und spendete anerkennenden Applaus für ein brillant dargebotenes, Kapitel der unterfränkischen Musikgeschichte.

 
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