Derb, ohne Rücksicht auf den guten Geschmack und ohne jeden Respekt vor politischer Korrektheit hat "Flamongos", das neue Programm des hessischen Komikerduos Mundstuhl, eine gute Chance auf Kultstatus. 500 Besucher, 150 mehr als beim ersten Auftritt von Lars Niedereichholz und Ande Werner vor zwei Jahren, konnten sich davon am Freitag in der Stadthalle überzeugen.
Feingeistiges und politisches Kabarett braucht man vom erfolgreichsten deutschsprachigen Komikerduo nicht zu erwarten. Mit Vorurteilen spielend und ohne tieferen Sinn bekommt bei Mundstuhl jeder sein Fett weg, Rechte wie Linke, Öko-Aktivisten und PS-Protzer, Arbeitslose und Prominente.
Im Gegensatz zu den meisten Kabarettisten wollen Niedereichholz und Werner die Welt weder erklären noch verbessern. Mit dieser Annahme der Sinnlosigkeit der Welt und der Vergeblichkeit der Sinnsuche steht Mundstuhl durchaus in der Tradition des Absurdismus eines Albert Camus ("Der Mythos des Sisyphos"), wenngleich aus einer ganz anderen Richtung.
Mit weniger Hass
Mit dabei sind wieder die Rollen, die Mundstuhl bekanntgemacht haben. Dazu gehören Peggy und Sandy, die jungen Mütter aus dem ostdeutschen Plattenbau, die die Hauptschule abbrechen mussten, "die Doppelbelastung von Schule und Kindern war nicht zu stemmen". Peggys Sohn Justin ist nicht mehr so ganz voller Hass, seine Band heißt nur noch "Hasshass" ("HH"), nicht mehr "Hasshasshass", Justin ist also auf dem »rechten Weg«.
Zum Brüllen komisch sind die beiden Hessen als drucklose Friedens- und Ökoaktivisten Torben und Malte aus der Band No Pressure, die eine Ortsgruppe der Sea Shepherd gegründet haben - natürlich mit einem Ruderboot ohne umweltzerstörenden Außenbordmotor. Zwei Tage brauchen sie nach Mainz, um dort einen Hecht wiederzubeleben, der am Ufer liegt.
Nichts zum Aufbohren
Nicht fehlen dürfen Dragan und Alder, die erwartungsgemäß mit dem Elektroauto von Tesla nichts anfangen können: Es hat keinen Hubraum, den sie aufbohren könnten. Hilfreich sind in ihre Sporttipps: Es bringt nichts, die Beine zu trainieren, 2die sieht man in der Disco doch nicht".
Der Grillschorsch empfiehlt Thüringer Blutkuchen und Andi in der Tarnjacke rastet mal wieder aus: Er muss seine schwangere Internetbekanntschaft heiraten. Der Schneider des Hochzeitskleids ist "so warm, der kann mit der flachen Hand bügeln". 22 Quadratmeter Stoff benötigt das Brautkleid, Andi fühlt sich beim Eröffnungstanz "wie ein indischer Elefantenführer".
Kokain und Strohrum
Unglaublich geschmacklos und dadurch schon wieder witzig ist die Parodie als Illusionisten Sickroy und Fried. Sickroy, nach einem Tigerbiss wackelnd am Rollator, soll sich eine »Zahl zwischen 10 und 12« denken, die Fried durch Gedankenlesen errät. Der praktische Ratschlag von Mundstuhl nach einem Junggesellenabschied geht als Lied an die Zuhörer: "Kokain und Strohrum ist nicht zu empfehlen."
Fazit: Die Zwei von Mundstuhl sind nicht jedermanns Sache, aber man kann knapp zwei Stunden vom alltäglichen Irrsinn abschalten, weil man vor lauter Lachen gar nicht mehr zum Nachdenken kommt.