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Lohr
Mundstuhl in der Lohrer Stadthalle: Humor jenseits des guten Geschmacks
Bloß keinen Druck wollen die Ökoaktivisten Malte und Torben von der Band No Pressure. 
Foto: Thomas Josef Möhler | Bloß keinen Druck wollen die Ökoaktivisten Malte und Torben von der Band No Pressure. 
Bearbeitet von Thomas Josef Möhler
 |  aktualisiert: 08.02.2024 15:12 Uhr

Wer zu Mundstuhl geht, weil er fein ziselierte Gesellschaftskritik und Politsatire erwartet, dem ist nicht zu helfen. Aber die meisten der rund 350 Besucherinnen und Besuchern in der Stadthalle werden gewusst haben, worauf sie sich beim neuen Programm "Kann Spuren von Nüssen enthalten" des hessischen Komikerduos einlassen: Brachialhumor weit jenseits des guten Geschmacks und derbe Späße ohne jede politische Korrektheit.

Gerade deswegen sind sie ja gekommen. Verblüffend ist die Beobachtung, dass nicht wenige der männlichen Besucher optisch ihren Vorbildern ähneln, was Frisurgestaltung, Bart, Tattoos und Kleidungsstil angeht. Der sinnfreie Spaß hat Ande Werner und Lars Niedereichholz aus Frankfurt zu einem der erfolgreichsten deutschsprachigen Comedyduos gemacht.

Lohr ist ein gutes Pflaster für die beiden, die zum dritten Mal in sechs Jahren in der Stadthalle gastieren – diesmal mit dem neuen Programm "Kann Spuren von Nüssen enthalten" beziehungsweise dessen "46. Vorpremiere". Denn ganz sitzt der Text noch nicht, überall auf der Bühne liegen Zettel herum. "Deswegen spielen wir ja in Lohr", spotten die beiden.

"Tauer" am Flughafen

Was bereits sitzt, ist der mehrfach bemühte "Running Gag", dass man auch im Winter vom Frankfurter Flughafen abfliegen kann, denn die Startbahnen sind eisfrei, weil es einen "Tauer" gibt. Bei Texthängern wird improvisiert und oft genug müssen die zwei selbst lachen, was zeigt, dass sie auch nach 25 Jahren im Geschäft noch keine seelenlosen Bühnenroboter geworden sind.

Nicht fehlen darf der Applausgarant "Da wär' ich froh gewesen", bei dem sich die beiden zu übertrumpfen versuchen, wer ärmer aufgewachsen ist. Über eine Badehose wäre Niedereichholz froh gewesen, hatte er doch nur ein von Oma gehäkeltes Exemplar, das vollgesogen herunterrutschte und den Blick auf einen winzigen Pimmel freigab. Werner wäre über einen Pimmel froh gewesen, denn er bekam erst zur Konfirmation einen.

In der Pandemie war nicht alles schlecht, stellen die beiden fest, etwa das Homeoffice. Es soll sogar Isis-Terroristen (und Terroristinnen) gegeben haben, die sich zu Hause in die Luft sprengten. Nur 250 Meter Abstand zu halten, war für Werner zu viel. "Das war eine richterliche Verfügung", konterte Niedereichholz.

Wieder mit dabei sind Peggy und Sandy, die arbeitslosen jungen Mehrfachmütter aus dem Osten. Sandy ist erneut schwanger und Peggy macht ihr Angst: Die Unicef werde ihr das Kind wegnehmen und an internationale Eliten weiterleiten, die es dann mit Strohhalmen aus Plastik aussaugten.

Cholerischer Andi

Ande Werner hat einen Solo-Auftritt als psychopathischer Grillschorsch, der seine Besucherin mit Alkohol abfüllen will, um sie ins Bett zu bekommen, und als Vorspeise eingedoste Sardellen auf den Grill legt, bis die Dose aufplatzt. Als "Der Dschieses" hat er ein verwirrendes Kurz-Solo, denn der Sohn Gottes gibt nur bekannt, dass es bei Rewe jetzt Bitburger im Sonderangebot gibt.

Die Solo-Paraderolle von Lars Niedereichholz ist der cholerische Andi, der sich wieder einmal über seine Ex-Freundin aufregt. Diese war noch fetter als ihre Vorgängerin, "in der Netzstrumpfhose sah die aus wie ein Blauwal im Schleppnetz".

Die drucklosen Ökoaktivisten Malte und Torben von der Band No Pressure machen den Wald unsicher und lauschen den Geschichten der Bäume, aus denen sie ihre Songs basteln. Etwa über Kinderarbeit in Bangladesh, die sie doof finden, weil die Kleinen nicht mal Zeit haben, eine Kippe zu rauchen. Ein weiteres Lied richtet sich gegen Gewalt an Frauen, die es in jedem vierten Haushalt gibt, "und da ist der Haushalt von Luke Mockridge noch nicht mal eingerechnet".

Deutschlandweit bekannt wurde Mundstuhl als Dragan und Alder, die auch im neuen Programm nicht fehlen dürfen. Alder wird sein BMW-Cabrio nicht los, das er mit der Flex selbst gemacht hat. "Ist relativ schwer verkäuflich." Dragan will mit einem Selfie-Toaster in die Fernsehsendung "Höhle mit Löwen". Der neue James Bond soll eine Frau werden. Dragan und Alder stellen sich vor, wie Ursula Bond viele spektakuläre Unfälle bereits beim Einparken baut.

90 Minuten Programm

Brutal geschmacklos ist die Zauberer-Persiflage als Sickroy und Fried aus Las Vegas, die die beiden mittlerweile verstorbenen Vorbilder gnadenlos durch den Kakao zieht. Den Stil von Mundstuhl könnte man natürlich so interpretieren, dass gerade die derbe Überzeichnung der Figuren erkennen lässt, dass es sich um Satire handelt.

Man kann als Besucherin oder Besucher aber auch einfach nur 90 Minuten lang lachen und vom Alltag abschalten. Das ist ein Plus der beiden Hessen: Eineinhalb Stunden Programm, keine Pause, da ist man zu einer vernünftigen Zeit wieder zu Hause – und kann vielleicht noch eine Dose Sardellen auf den Grill legen.

 
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