Mukoviszidose ist eine Stoffwechselerkrankung, eine der häufigsten in Deutschland. Die Ursache für die Erbkrankheit liegt in einem Gendefekt. „Die Symptome können durch Medikamente und Therapien gelindert werden. Die Krankheit selbst ist bisher nicht heilbar“, sagt Rosalie Keller, die die Regional-Selbsthilfegruppe Würzburg/Schweinfurt (siehe untenstehenden Bericht) leitet.
Durch den Defekt am CFTR-Gen funktioniert der Transport von Sekreten im Körper nicht. Das bedeutet, dass sich in inneren Organen, vornehmlich der Lunge und der Bauchspeicheldrüse, zäher Schleim festsetzt. Dadurch wird die Lunge nicht richtig beatmet. Der Schleim bildet einen idealen Nährboden für Bakterien und Keime. Das hat eine wesentliche Verschlechterung der Lungenfunktion zur Folge und führt zu Entzündungen.
Besonders der Pseudomonaskeim, der sich bei einem gesunden Menschen gar nicht erst ansiedelt, bildet eine allgegenwärtige Gefahr für einen Mukoviszidose-Betroffenen. Pseudomonaden sind überall in der Umwelt („Pfützenkeim“). Man findet sie im Boden, in aller Art stehenden Wassers sowie in oder auf Pflanzen und Tieren. „Linda brauchte deswegen im Kindergarten eine eigene Toilette“, sagt die Mutter.
Bei Mukoviszidose kann die Bauchspeicheldrüse keine Enzyme zum Verdauen produzieren. Es werden keine Nährstoffe aufgenommen. Die Enzyme müssen in Medikamentenform zugeführt werden. „Und auch dann muss Linda eineinhalb mal so viel essen wie ein gesundes Kind, um auch nur 80 Prozent aufnehmen zu können“, erzählt Rosalie Keller.
Nach einer normalen Geburt hat die Mutter im Krankenhaus bemerkt, dass Linda sehr oft dünnen, grünen Stuhlgang hatte. Das sei „Kinds-Pech“, das gebe sich, hieß es dort. Es gab sich nicht. Rosalie Keller ging in die Kinderklinik, wo Linda auf Magenverstimmung behandelt wurde. „Das konnte es nicht sein. 20 Mal Stuhlgang am Tag ist nicht normal“, sagt Rosalie Keller, die sich so langsam wie eine „hysterische Mutter“ vorkam.
Das Kind habe ständig geschrien, weil es Hunger hatte. „Es konnte ja nicht verdauen.“ Das erfuhr sie aber erst später. Es wurde gestillt, bekam Bauchweh durch die Verdauungsstörung und schrie wieder vor Hunger, schildert sie die erste Zeit. Nach weiteren Aufenthalten in der Klinik wurde nach fünf Monaten ein „Schweißtest“ gemacht. Der erhöhte Salzgehalt im Schweiß weist auf Mukoviszidose hin. Im ersten Moment sei die Diagnose kein Schock gewesen, erinnert sich Rosalie Keller. Der Arzt habe ihr gesagt, das sei nicht weiter schlimm. Es gebe Medikamente.
Damals war das Internet noch nicht verbreitet, das Lexikon gab nicht viel her. Erst ein Spezialist an der Uniklinik habe ihr dann die Auswirkungen und die Tragweite der Diagnose erklärt. Die Lebenserwartung der Patienten lag zu dem Zeitpunkt weit niedriger als heute, wo durchschnittlich 30 Jahre angesetzt werden. „Entweder man ist völlig verzweifelt oder man nimmt die Situation an und lernt, damit umzugehen“, schildert die Mutter ihre damalige Befindlichkeit. „Anfangs war ich völlig überfordert.“
Sie musste lernen, die Nahrung für Linda zuzubereiten und je nach Lebensmittel die Menge der Enzyme zuzusetzen. In der Küche der Kellers steht eine ganze Batterie von Medikamenten. „Als Linda noch klein war, habe ich Stunden damit zugebracht, das Kind zu füttern.“ Neben der richtigen Ernährung, die existenziell ist, müssen die Kinder häufig am Tag – Linda derzeit dreimal täglich – inhalieren, damit sich der Schleim in der Lunge verflüssigt. Danach sorgt eine spezielle Gymnastik dafür, dass der Schleim abgehustet werden kann.
„Die Krankheit bestimmt den Tag“, sagt Rosalie Keller. Das Leben mit Mukoviszidose erfordert eine große Disziplin. Linda ist über ihre Krankheit informiert, sie ist einsichtig, aber sie begehrt auch manchmal auf gegen das Inhalieren und die Medikamente. „Warum ich?“, ist eine Frage, die auch Erwachsene stellen würden, wenn sie betroffen wären.
Wie viel Normalität ein krankes Kind erleben darf, hängt auch von den Eltern ab. Es gebe Familien, in denen wegen des Pseudomonaskeims alle Pflanzen wegräumt seien oder die Kinder nicht mit dem Bus fahren dürften. Mukoviszidose selbst ist nicht ansteckend, aber die Betroffenen holen sich schnell einen Infekt. Die Familie Keller – Linda hat einen drei Jahre älteren Bruder – hat sich dafür entschieden, alles weitestgehend bestehen zu lassen. So ist Linda sogar mit einem Teich aufgewachsen. Für sie sei es normal, nicht in das Wasser zu fassen.
Damit auch ihre Umgebung „normal“ mit der Krankheit und Linda umgehen kann, hat Rosalie Keller bereits im Kindergarten die Erkrankung Mukoviszidose vorgestellt. Diesen Part hat inzwischen die Tochter selbst übernommen. Als sie ins Gymnasium kam, hat sie ihre Klasse mit einem Referat informiert. Und vielleicht wird sie das eines Tages auch als Lehrerin tun.
Weitere Informationen im Internet unter http://www.muko.info/