
Gut fünf Stunden beste Faschingsunterhaltung boten die Akteure des 50 Jahre jungen Retzbacher Carneval-Clubs (RCC) am Samstag ihrem rund 200-köpfigen Publikum in der vollbesetzten Walter-Endrich-Halle. Witzige Bütten wechselten sich mit feurigen Marsch- und mitreißenden Schautänzen ab.
Angesichts der angespannten Lage in der Welt wünschte Sitzungspräsident Jörg Brimer dem Publikum ein paar vergnügliche Stunden, "wo ihr einfach Mensch sein könnt". Ähnlich sah es das Jugendprinzenpaar: "Die Nacht ist jung, wir lassen's krachen." Und so kam es dann auch. Die Stimmung im Saal war beschwingt, das Publikum ging von Anfang an richtig mit.

Nach einem schmissigen Marschtanz der Purzelgarde und einem flotten Auftritt des Tanzmariechens bestieg der 12-jährige Finn Reichert die Bütt und philosophierte über die fränkische Mundart und das Wesen des Franken: "Mit Lob und Anerkennung hält er sich zurück – wenn er nit schennt, da haste scho Glück."
Purzelgarde tanzte freudig ums Lagerfeuer
Nicht geschimpft, sondern freudig ums Lagerfeuer getanzt wurde beim Schautanz der Purzelgarde, in dem die Mädels als Pfadfinder spannende Abenteuer erlebten. Den richtigen Weg gefunden hatte auch Marco Herbert vom Fastnacht-Verband Franken, der mehrere Mitglieder des RCC auszeichnete.

Nach einem flotten Marschtanz der Juniorgarde ließ Manuela Lyding das Publikum teilhaben an den Tücken des Hausbaus. Die beginnen schon bei der Grundstücksfrage. Es sei wichtig, "dass es nicht so nah an der Verwandtschaft ist".
Weiter ging's mit einem spritzigen Marschtanz der Prinzengarde und der Vorstellung des Prinzenpaares aus Aschfeld. Prinz Sven aus Retzbach hingegen musste auf seine Prinzessin Nicole an diesem Abend verzichten, weil sie krankheitsbedingt nicht dabei sein konnte. Neben dem Faschingsadel holte der Sitzungspräsident mit Vikar Thomas Wollbeck, Bürgermeister Stefan Wohlfart und Alexander Hoffmann auf die Bühne. Wie ist das außerordentlich gute Wahlergebnis des Bundestagsabgeordneten in seinem Heimatort zu erklären? Hoffmann hat eine Theorie: "45 Prozent der Retzbacher kennen mich – und der Rest hat mich gewählt."

Nicht selbst gewählt haben Manuel Herrmann und Balthasar Brimer, dass sie an der Schwelle zum Erwachsensein stehen, es hat sich so ergeben. Weil er jetzt auch wählen darf, suchte sich der eine der beiden vor der Bundestagswahl Rat beim Wahl-o-mat. Seine Antworten seien so dumm und widersprüchlich, dass ihm das Wahlrecht entzogen werden sollte, bekam er als Ergebnis zu lesen.
Der Müll-Spion schaut in die Tonnen der Nachbarn
Nach einem temperamentvollen Marschtanz der Juniorengarde Aschfeld nahm Sarah Brimer das Publikum mit in ihre "Bergheimat", die an einem steilen Berg liegende Rosenstraße in Retzbach. Sie erzählte von riesengroßen, in die Höhe schießenden Bauten in diesem Gebiet, von den schönsten, weil umhäkelten und umstrickten Laternenpfosten weit und breit und weiteren mehr oder weniger erfreulichen Dingen. Am Ende zeigte sie sich versöhnlich: "Auf geht's in die Rosenstraß, denn dort zu wohnen hat schon was."
Auch der Schautanz der Juniorengarde hatte was. Er war im wahrsten Sinne des Wortes feurig, denn die Mädels setzten gekonnt das Thema "Hurra, die Schule brennt" um.

Der Müll-Spion Karli Krieger schaut gerne in die Tonnen der Nachbarn. Während er mal einen Nachttopf oder auch eine Cannabis-Pflanze herausholte, sinnierte er über das Geschehen im Ort. Froh war er, dass die Zellinger Bären noch nicht über die Brücke gekommen sind. "Die hönns nämlich nit nur im Kopf, die sin überall aus Stroh."
Einige "Sauereien", die im Ort passieren, machten Schwein Michael Heßdörfer und seine Bäuerin Christiane Probst öffentlich. Und sie spekulierten auch über ein mögliches Ministeramt für Alexander Hoffmann, dessen Motto laute: "Es zählt nicht das Erreichte, es reicht das Erzählte."

Auch beim wunderschön anzuschauenden Schautanz der Prinzengarde ging es mehr um Schein statt Sein: Barbie war das Thema.
Zum Abschluss ließ das Männerballett das Publikum daran teilhaben, wie schlappe, müde Männer ihre Männergrippe überwinden. Mit einem mitreißenden Tanz zum James-Brown-Song "I feel good" brachten sie den Saal zum Kochen.