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SCHOLLBRUNN
Mühlenhandwerk: Mahlen aus und für die Region
Lucia Lenzen
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:04 Uhr

Wie funktioniert eine der letzten noch aktiven Getreidemühlen in der Region und mit welchen Sorgen und Nöten hat sie zu kämpfen? Mit diesem Thema beschäftigten sich die Mitglieder der Landkreisbereisung des Bauernverbands, Kreisverband Main-Spessart (wir berichteten). „Für kleine Betriebe ist das Geschäft ein hartes Brot“, empfing Mühlenbesitzer Gerhard Wiesmann die Teilnehmer im Gastraum des Mühlenanwesens Schreckemühle im Haselbachgrund.

Die Gaststätte wurde 1961 im Gebäude neben der Mühle eröffnet. Gerhard Wiesmann hat sie mittlerweile jeden Sonn- und Feiertag geöffnet. Zudem betreibt er noch eine Forellenzucht und ein wenig Landwirtschaft mit Ammenvieh. Die Gastwirtschaft sei mittlerweile sein erstes Standbein geworden, erzählt er seinen Zuhörern, nicht ohne dabei ein wenig wehmütig zu klingen. Sein Herz schlägt schließlich für die Mühle, in die er die Besucher nun führt.

Über enge, hölzerne Stiegen geht es zwischen Mehlsäcken, Holzbalken und Walzen immer höher in das historische Gebäude. Stets begleitet von dem Wummern der Maschinen, die auf jeder Etage ohne Unterlass laufen. „Bis auf wenige Tage läuft die Mühle das ganze Jahr über“, erläutert Wiesmann.

War früher noch vieles Handarbeit, läuft die Mühle mittlerweile vollautomatisch. Dazu demonstriert der Chef die große zentrale Schaltanlage im Erdgeschoss. In den 80/90er Jahren hat er vollständig umgebaut. Die Mühle modernisiert, automatisiert und ihre Kapazitäten erweitert. So ist es möglich, die Mühle im Einmann-Betrieb zu führen.

Bereits einige Jahre vorher hat er begonnen, die Wasserkraft des Baches zur Stromerzeugung zu nutzen. Dazu demonstriert Wiesmann im Keller die Ossberger-Durchström-Turbine, die 1983 eingebaut wurde und eine Leistung von zehn Kilowatt bringt. Den erzeugten Strom nutzt er für die Mühle, zudem deckt er teilweise den eigenen Strombedarf. Wenn dann noch etwas übrig ist, wird ins Stromnetz eingespeist.

Vorher wurde mit einem Wasserrad gearbeitet, für das 1854 ein eigenes Radhaus entstand, um es in den strengen Wintern zu schützen. Ab 1910 gab es zudem eine Dampfmaschine, um die Niedrigwasserzeit zu überbrücken.

Das heutige Wohn- und Mühlengebäude errichtete Ururgroßvater Johann Wiesmann 1882. „Bei der Mühle handelt es sich um eine Kunstmühle, nicht um eine Bachmühle“, erläutert Gerhard Wiesmann. Als Kunstmühle wurden ab dem 19. Jahrhundert Mühlen bezeichnet, die einen, für die damalige Zeit, hohen technischen Standard innehatten. Bei den meisten Kunstmühlen waren die alten Mahlgänge mit Mühlsteinen durch moderne Walzenstühle ersetzt.

Diese sind in der Schreckemühle in den oberen Stockwerken zu sehen. Drei doppelte Walzenstühle und einen einfachen gibt es hier. Dabei passiert das Getreide die Walzen in 14 Mahlvorgängen. Dazwischen wird es geschüttelt, gerüttelt und gesiebt. Vorher wird das Getreide von Sand, Stroh und Unkrautsamen vom Feld gereinigt. Mit Magneten werden unter anderem Steinchen herausgezogen. „Und das sind manchmal mehr als man so denkt“, erläutert Wiesmann. Fast schon unter dem Dach stehen die sogenannten Plansichter, zwei große, hin und her schwingende Siebkästen mit 96 übereinander gestapelten Sieben mit unterschiedlicher Maschenweite.

Laut Wiesmann die komplizierteste und teuersten Anlage. Hier wird auch gleich sortiert: Nach ihrem spezifischen Gewicht werden die großen, schweren Mehlteilchen, der Grieß oder Dunst, von den leichten Schalenteilchen getrennt. 80 Prozent Mehlkern sitzen im Korn. „Die Kunst des Mehlmahlens ist, möglichst viel von diesen 80 Prozent herauszuholen“, beschreibt Wiesmann, während er eine Handvoll Mehl durch die Finger gleiten lässt.

Im Verkauf hat er neben Weizen- auch Dinkel- und Roggenmehl, wobei letzteres stark abnimmt. Er verkauft sein Mehl ab einer Menge von fünf Kilogramm. Dabei erstreckt sich sein Verbreitungsgebiet auf einen Umkreis von rund 50 Kilometern, auf dem er sowohl Bäckereien, Pizzerien und Dönerläden als auch den Endverbraucher beliefert. „Wir mahlen Mehl aus und für die Region“, sagt der Mühlenchef. Das verarbeitete Getreide kommt ausschließlich aus der Region Mainfranken.

Allerdings werde es in der Branche immer schwieriger, denn das Ernährungshandwerk verschwinde still und leise, beschreibt er. Deshalb fordert der Mühlenchef mehr Chancengleichheit. Gefordert sieht er die Politik. Um am Markt zu Bestehen gilt es für ihn, besser zu sein als andere. Das erreicht er, in dem er seinen Kunden auch Sonderwünsche erfüllen kann. Und indem er seine besondere Mehlqualität hält, an denen seinen Stammkunden gelegen ist. Positiv stimmt ihn, dass Produkte aus der Region wieder mehr gefragt sind. So zum Beispiel von jungen Nachwuchsbäcker. Haben deren Väter noch nach dem Prinzip „billig vor regional“ gehandelt, bevorzugen diese immer öfter das Gegenteil.

Am Ende wird das Mehl abgefüllt.
Foto: Lucia Lenzen | Am Ende wird das Mehl abgefüllt.
Unterwegs in der Schreckemühle: Inhaber Gerhard Wiesmann (Mitte) erklärt Landrat Thomas Schiebel die Funktion eines Walzenstuhles.
Foto: L. Lenzen | Unterwegs in der Schreckemühle: Inhaber Gerhard Wiesmann (Mitte) erklärt Landrat Thomas Schiebel die Funktion eines Walzenstuhles.
 
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