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Main-Spessart
MSP: Wie kreativ Unternehmen die Corona-Krise überleben wollen
Eine Auto-Lackierer restauriert jetzt Küchen, eine Pizzeria wird zum mobilen Einzelhandel, Brennereien machen Desinfektionsmittel. In der Not werden Unternehmen erfinderisch.
Getränkehandel Pohl im Lohrer Industriegebiet: Eine der drei Abgabestellen für Alkoholika, die die Brennerei Staab in Partenstein zu reinem Alkohol für Desinfektionsmittel verarbeitet. In vier Stunden wurden am ersten Tag (Samstag) 30 bis 40 Liter abgegeben.
Foto: Roland Pleier | Getränkehandel Pohl im Lohrer Industriegebiet: Eine der drei Abgabestellen für Alkoholika, die die Brennerei Staab in Partenstein zu reinem Alkohol für Desinfektionsmittel verarbeitet.
Martin Hogger
 und  Uli Sommerkorn
 |  aktualisiert: 27.04.2023 09:42 Uhr

In der vergangenen Woche hat Roberto Mocciaro nur etwa zwei Stunden pro Nacht geschlafen. Während viele Restaurants wegen der Corona-Krise nur noch liefern oder ganz zusperren, hat der Besitzer des Ristorante Italia in Lohr sein gesamtes Geschäftsmodell über den Haufen geworfen. Zwar liefert er noch aus. Weil die Einnahmen aber nicht reichen werden, um alle Mitarbeiter weiter bezahlen zu können, hat er "msphilft.de" gegründet. Das ist ein Online-Supermarkt, der alle Lohrer im Umkreis von 25 Kilometern beliefert. Seit etwa einer Woche ist die Seite online. Mocciaro lacht am Telefon: "Meine Kellner sind inzwischen zu IT-Experten geworden."

Wie Mocciaro passen gerade einige Unternehmen ihre Geschäftsmodelle an die Krise an. Der Gedanke ist so alt wie der von "Angebot und Nachfrage" selbst. Vergangene Woche wurde zum Beispiel bekannt, dass der Würzburger Matratzenhersteller Wegerich jetzt Schutzmasken herstellt. Und auch hier im Landkreis gibt es neben Mocciaro noch andere Unternehmen, die jetzt – zumindest zeitweise – andere Wege gehen. 

Wie die Idee für den Online-Supermarkt entstand

Doch zuerst zurück zu Mocciaro. Der will anfangs eins klarstellen: "Es ist ein Hilfsprojekt. Ich will nur die Kosten für meine Mitarbeiter reinholen und den Leuten helfen, die zu Hause sitzen müssen." Die Idee dazu kam schon, als das Thema "Corona" hier im Landkreis noch gar nicht so präsent war. Doch in Italien mussten die Menschen schon zu Hause bleiben. Dass er das Projekt so schnell online bringen konnte, hängt mit einem großen Zufall zusammen. Einer seiner Stammkunden sei Jörg Simon, Vertriebsleiter beim Autohaus Grampp, erzählt Mocciaro. "Wir haben gesprochen, was man machen kann. Er hatte die Autos, ich die Fahrer." Zufällig war noch Alexander Schuhmann von AS Electronics da, der innerhalb eines Tages die neue Telefonanlage aufbaute. 

"Msphilft.de" bietet Lebensmittel, Hygieneartikel, Haushaltswaren – Dinge des täglichen Gebrauchs eben. Mocciaro bezieht die Produkte, so gut es geht, von Lohrer Händlern. Die Bestellungen liefen schleppend an, nehmen aber beständig zu – einerseits weil die Leute anfangs noch alles vorrätig hatten, andererseits waren die Preise zu hoch. "Wir verhandeln jetzt laufend nach. Bei einigen Produkten sind wir schon billiger als die Händler."

Roberto und Mona Mocciaro vom Ristorante Italia in Lohr handeln unter anderem auch unter dem Markennamen 'Don Pippino' mit Olivenöl.
Foto: Björn Kohlhepp | Roberto und Mona Mocciaro vom Ristorante Italia in Lohr handeln unter anderem auch unter dem Markennamen "Don Pippino" mit Olivenöl.

Autolackiererei stellt jetzt um

Ebenfalls stark verändert hat sich der Arbeitsalltag bei der Lackiererei Schleich in Altfeld. Eigentlich liegt der Schwerpunkt des Betriebs auf Unfall-Instandsetzung von Fahrzeugen. Doch da kommen dieser Tage kaum Aufträge herein. Jeder bleibt daheim. Es gibt keine Autounfälle. Keiner bemerkt, dass das Auto auf einmal stottert. Also konzentrieren sich Chefin Daniela Schleich und ihr Team auf einen Arbeitsbereich, der in ihrem Betrieb bislang ein Schattendasein gefristet hat. "Viele Leute nutzen diese Tage, um zu renovieren", sagt sie. Deshalb bietet sie jetzt an, unterschiedliche Dinge zu lackieren: Heizkörper, Küchen, Gartenanlagen, Markisen, Garagen- oder Eingangstore.

"Wir haben solche Aufträge bislang nur vereinzelt gekriegt und in unserer Werkstatt auch ausgeführt. Viele Leute wussten aber gar nicht, dass wir so etwas machen", sagt Schleich. Mit der Verlagerung des Arbeitsschwerpunkts will sie mit ihren Mitarbeitern aus der Autolackiererei neue Tätigkeitsfelder erschließen – vielleicht auch nach Corona. Angelaufen sei die Umstellung zumindest, sagt Schleich, die jetzt nur darauf hoffen kann, dass sich diese Strategie auch auszahlen wird.

Eigentlich sind Fahrzeuge das Metier von Daniela Schleich und der gleichnamigen Lackiererei in Altfeld: Doch dieser Tage geht das Unternehmen neue Wege.
Foto: Lukas Kutschera | Eigentlich sind Fahrzeuge das Metier von Daniela Schleich und der gleichnamigen Lackiererei in Altfeld: Doch dieser Tage geht das Unternehmen neue Wege.

Brennerei Staab stellt jetzt Desinfektionsmittel her

Zur Tat geschritten sind auch die Mitarbeiter der Brennerei Staab in Partenstein. Zunächst, sagt Chef Andreas Staab, habe er rund 140 Liter Industriealkohol an umliegende Apotheken und Feuerwehren abgegeben, damit diese ihn zur Desinfektion verwenden können. Und selbst mit alkoholischen Restbeständen aus privatem Besitz könne man noch etwas anfangen. Wenn man die nochmal brennt, könne man einen höheren Alkoholgehalt erzielen, sagt er. "Wir haben uns entschlossen, vorhandene Spirituosen aufzubereiten, sodass man sie zur Desinfektion nutzen kann."

Nachdem er telefonisch eine Sondergenehmigung vom Zoll eingeholt hatte, reduzierte er rund 150 Liter Schnaps und Likör aus privaten Beständen, um daraus eine Substanz mit 72-prozentigem Alkohol zu gewinnen. Diese will er Privatleuten, Feuerwehren oder auch Supermärkten zur Verfügung stellen, damit diese die hochprozentige Flüssigkeit zur Desinfektion benutzen können.

Staabs Geschäft als solches, das der Partensteiner im Nebenerwerb betreibt, hat sich dieser Tage auch verändert. Die Mindereinnahmen, die er durch das Wegfallen des Direktverkaufs erleidet, kann er etwas durch die Erlöse aus seinem Online-Shop mildern, über den Kunden Absinth, Gin, Brände, Wodka oder Liköre ordern können. In diesem Bereich verzeichne er Zuwächse, sagt Staab. Offenbar braucht die Kundschaft den ein oder anderen kräftigen Schluck, um über die schweren Tage hinwegzukommen.

 
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    Fakt ist, mit solchen neuen Geschäftsmodellen / -Ideen lässt sich der Betrieb und die Arbeitsplätze nicht lange erhalten. Daher wäre es vll. mal sinnvoll, dass die MainPost Sonderberichte veröffentlicht und darlegt wie lange Unterfränkische Klein- und Mittelständische Betriebe so einen Shut Down überstehen bevor es zur Schließung und Kündigung der Arbeitsplätze kommt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Unternehmen das länger als 1-2 Monate durchhalten. Die Staatshilfen, werden hier sicherlich auch nicht ausreichen um Unternehmen und Arbeitsplätze in der Region zu retten.
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