Geht es um die Verwaltungsgemeinschaft Zellingen, wird oft von einer Zweckehe gesprochen. Logischerweise feierten die vier „Ehepartner“ Himmelstadt, Retzstadt, Thüngen und Zellingen 40 Jahre nach der „Trauung“ ihre Rubinhochzeit. Ein klassisches Familienfest war das nicht: Zum Festakt in der Werntalhalle Thüngen mit 150 geladenen Gästen gehörten eine Weinprobe, klassische und alternative Festreden sowie ein Quiz für die vier Bürgermeister.
Gemeinschaftsleiter Wolfgang Pfister und sein Team aus sechs Verwaltungsmitarbeitern und dem Bauhof Zellingen, die den Abend vorbereiteten, stellten ihn unter das Motto „In der Gemeinschaft ist vieles leichter“.
Beim Sektempfang konnten die Gäste in einer Ausstellung sehen, sie sehr sich das Handwerkszeug der Verwaltung seit 1978 geändert hat: Von den ersten mechanischen Rechenmaschinen und Schallplattenspieler großen Diktiergeräten über Taschenrechner und die ersten PCs bis zum heutigen Server mit Terrabytes an Speicherkapazität.
Bürgermeister Wieland Gsell begann seine Festrede ganz formal mit der offiziellen Definition: „Eine Verwaltungsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss von benachbarten kreisangehörigen Gemeinden, unter Aufrechterhaltung des Bestandes der beteiligten Gemeinden.“ Eingeführt ab Juli 1971 als Teil der Gebietsreform, gab es 2017 in Bayern 311 Verwaltungsgemeinschaften mit 982 Mitgliedsgemeinden.
Zellingen „erreichte“ die Gebietsreform im Oktober 1973. Am 21. Mai 1974 beschlossen die Gemeinderäte von Retzbach und Zellingen die Fusion beider Ortsteile, die eigentliche VG nahm am 1. Mai 1978 ihre Arbeit auf. Vorher wurde allerdings verhandelt und gestritten, auch ums liebe Geld. Nachher gab es Ablösungstendenzen, im Frühjahr 1979, in den 90er-Jahren und noch danach waren Stimmen für einen Austritt zu hören.
Gsell nannte auch Gründe dafür: Manchem gingen die Verwaltungsprozesse in der Schere aus Dynamik und Rechtssicherheit zu langsam. Es wurden „Abkürzungen“ gesucht, die zu langwierigen Korrekturen führen. Philosophisch sprach er vom starken „Wir-Gefühl“ in Gemeinschaften, aber auch von „gemein“: „Gemein, dass es bei denen schneller geht, dass sie etwas bekommen haben.“ Er schloss mit der Hoffnung, dass sich nach dem Teilwort „ein“ aus Gem-ein-schaft das „vollkommene Eine“ aus der Verwaltungsgemeinschaft zu formen.
Die „Festrede 2.0“ teilten sich Bernd Nebel und Elmar Nun. Nebel erinnerte sich, dass er es vor 40 Jahren gut fand, dass Zellingen den Sitz der VG bekam, weil er nur 100 Meter vom Rathaus entfernt wohnte. „Uns Zellinger drängt es nicht nach Macht, aber da konnten wir doch nicht Nein sagen.“ Main-Spessart und insbesondere Zellingen bezeichnete er als bevorzugte Region: Laubbäume in den Wäldern sorgen für gute Luft, Spessart und Rhön halten Unwetter ab, und der Main winde sich im Dreieck und Schleife um lange hier zu bleiben.
Im Anzug, aber ohne Krawatte trat Elmar Nun auf und verkündete, weil Retzstadt Fair-Trade-Town wurde, seien keine Witze mehr über benachteiligte Randgruppen – also andere VG-Mitglieder – erlaubt. Ausgleichend und gerecht wolle Wieland Gsell die Verwaltungsgemeinschaft führen, nach dem Motto: „Seht mich nicht als Chef, sondern als Freund, der immer Recht hat.“ Ihm sei zu Ohren gekommen, Retzbach solle für drei Millionen Euro an Himmelstadt verkauft werden, mehr könne Zellingen nicht bezahlen.
„Was sich liebt, das neckt sich“, sagte der stellvertretende Landrat Harald Schneider zu solchen Pointen in seinem Grußwort. In Wahrheit kämen die Gemeinden inzwischen gut miteinander aus, das lasse für die Zukunft hoffen. Die ersten Jahre könnten sich junge Leute heute gar nicht mehr vorstellen, etwa wie heftig Karlstadt und Lohr um den Landkreissitz stritten.
Als kleinen Höhepunkt des Abends hatten die jungen Mitarbeiter der Verwaltungsgemeinschaft ein Quiz im Stil von „Wer wird Millionär“ vorbereitet. Die Fragen, die Maria Stamm als Moderatorin mit Assistenten Julian Popp und Anna Gehrig an der Technik, den vier Bürgermeistern stellen, hatte es in sich. Etwa wie das Schloss in Thüngen richtig heißt (Burgsinner Schloss), wie alt die VG-Mitarbeiter im Schnitt sind (47,5 Jahre) und welcher Weg in Retzstadt erfunden wurde (Winzerpfad). Am Ende hatte Zellingens Bürgermeister und VG-Vorsitzender Wieland Gsell mit sieben richtigen Antworten die Nase vorn und erhielt ein Bild als Preis.
Bei der Weinprobe gab es nicht irgendwelche Weine, sondern solche aus den Mitgliedsgemeinden. Himmelstadts Weinprinzessin Maria Stamm stellte einen Bacchus und einen Silvaner von der Lage Himmelstadter Kelter vor. Für Retzbach präsentierte Weinprinzessin Johanna Barthelmes einen Müller-Thurgau und eine Scheurebe aus Retzbach, ausgebaut bei der Divino Nordheim-Thüngersheim. Vom Retzstadter Langenberg hatte Weinprinzessin Lena Müller einen weißen Burgunder und einen Spätburgunder mitgebracht. Thüngen blieb der Weinprobe naturgemäß außen vor, dafür gab Bier vom Herzog von Franken.
Zudem übernahm der FC-Thüngen die Bewirtung. Auch sonst kam möglichst von aus dem Gebiet der VG-Zellingen: Die Zellinger Blasmusik spielte durch den Abend, das Essen lieferte ein Partyservice aus Duttenbrunn. Zumindest Gäste gab es aber auch von „außerhalb“, unter anderem die Bürgermeister Paul Kruck aus Karlstadt und Dieter Schneider aus Eußenheim sowie Arnsteins Bürgermeisterin Anna Stolz.