Jörg Bieberstein hat die Aufnahmeprüfung für die Hochschule für Musik in Würzburg bestanden. Das wäre an und für sich nicht außergewöhnlich, wenn Jörg Bieberstein nicht erst 15 Jahre alt wäre und gerade die 9. Klasse des Gymnasiums abgeschlossen hätte.
Mit Vater Theo (58), Mutter Aya (45) und Schwester Charlotte (10) lebt Jörg Bieberstein am Rande der Lohrer Altstadt. Nach den großen Ferien wird er in die 10. Klasse des Franz-Ludwig-von-Erthal-Gymnasiums gehen – und daneben samstags ins Precollege der Musikhochschule.
Dabei handelt es sich laut Homepage der Hochschule um ein Angebot für "künstlerisch außergewöhnlich begabte Kinder und Jugendliche" während der Schulzeit zur Vorbereitung auf ein Musikstudium. Wöchentlich 90 Minuten im künstlerischen Kernfach und weitere Unterrichtsformate sollen die jungen Menschen fördern.
Von Beethoven bis Chopin
Das künstlerische Kernfach von Jörg Bieberstein ist das Klavier und er begeistert sich für Komponisten der Klassik wie Ludwig van Beethoven und Wolfgang Amadeus Mozart und der Romantik wie Frédéric Chopin, Franz Liszt und Felix Mendelssohn Bartholdy. Bieberstein mag nach eigenen Worten die Klangfarben und Töne dieser Komponisten, sie seien "besser verpackt und besser eingebunden" als in den Werken anderer Komponisten, die ihm eher schrill vorkommen.
Andere Musik hört der freundliche und ein bisschen zurückhaltend wirkende Jugendliche "mittlerweile eher nicht". Sein Talent wurde früh offensichtlich, als er mit zwei oder drei Jahren anfing, Noten zu lesen, unterstützt von seiner aus Japan stammenden Mutter Aya Bieberstein, die selbst musikalisch interessiert ist und klassische europäische Musik mag. Mit ihr begann er auch das Klavierspielen.
Vater Theo Bieberstein reagierte nach eigenen Worten "ungläubig" auf das Talent seines Sohnes, aber "sehr erfreut" – was ihm einen spöttischen Blick seiner Frau einträgt. Seine Frau habe "von Kindheit an darauf hingearbeitet", lässt er durchblicken.
Die Familie geht mit der Begabung des Sohnes, so sieht es aus, aber recht locker und nicht verbissen um und Jörg Bieberstein wirkt überhaupt nicht abgehoben. Seit er sechs Jahre alt ist, nimmt er Klavierunterricht, sein Klavierlehrer an der städtischen Sing- und Musikschule ist Dekanatskantor Alfons Meusert.
Als die Rede auf weitere Begabungen kommt und Sprachen ins Spiel gebracht werden, reagieren die Eltern eher amüsiert. Okay, Sprachen sind es also nicht. Aber in Mathematik und Naturwissenschaften, den sogenannten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik), ist Jörg Bieberstein auch gut in der Schule.
Kein "Nerd"
Manchmal haben es besonders begabte Kinder in der Schule schwer, weil sie von Klassenkameraden als "Nerds" betrachtet und ausgegrenzt werden. Bei ihm sei das nicht der Fall, versichert Jörg Bieberstein. Seine Freunde seien auch in Richtung MINT-Fächer interessiert und begabt.
Sein Hobby neben der Musik ist Tennis. Seit einem Jahr spielt er beim TSV Lohr wettkampfmäßig in Rundenspielen. Computerspiele gehörten auch zu den Interessen seines Sohnes, ergänzt sein Vater.
Bei mindestens drei Stunden täglichem Üben am Klavier bleibt auch nicht sehr viel Zeit für andere Interessen. In der Schulzeit stehe er um 5 Uhr auf und gehe direkt ans elektronische Klavier, das im Wohnzimmer steht, erzählt Jörg Bieberstein. Die Töne in den folgenden 60 bis 90 Minuten hört nur er über Kopfhörer, um die noch schlafende Familie nicht zu stören.
Am Nachmittag geht das Üben je nach Zeitbudget weiter. "Mir macht's Spaß", versichert der Jugendliche lächelnd. Neben Klavier spielt er noch Orgel, auch hier ist Alfons Meusert sein Lehrer. In der Schule gehört er zu einem kleinen Ensemble, das er am Klavier begleitet.
Noch kein Berufsziel
Ob er Berufsmusiker werden will, weiß Jörg Bieberstein noch nicht: "Ich habe derzeit gar kein Berufsziel, ich bin mir nicht sicher, was ich machen will." Neben Musik könnte er sich auch einen Beruf im Bereich Mathematik vorstellen. Sollte sich Jörg Bieberstein fürs Musikstudium entscheiden, kann er die im Precollege gesammelten Punkte ins Studium mitnehmen.