In kaum einem anderen Dorf im Werntal gibt es noch so viele fränkische Trachtengewänder wie in Schwebenried. Weil diese Kleidung meist sehr figurnah und hochgeschlossen geschneidert wurde, begann ab 1900 eine Modernisierungswelle, bei der das Gewand leichter wurde und die Trägerin sich weniger eingezwängt bewegen konnte. Zwölf Frauen aus Schwebenried nahmen das 1250. Dorfjubiläum, das vom 4. bis 6. Juni 2022 gefeiert wird, zum Anlass, um sich – unter Leitung von Schneidermeisterin Gabriele Ilius – mit neuen, dem Zeitgeschmack entgegen kommenden, unterfränkischen Trachtengewändern auszustatten.
„Da steckt unendlich viel Arbeit drin“, betonte Initiatorin Barbara Sauer. Vom handverzierten Ausschnitt bis zum gestickten Monogramm haben wir alles in Handarbeit gefertigt".
Mieder zur Jeans
Gabriele Ilius legte größten Wert auf die Ausarbeitung von Details, Applikationen, handgearbeiteten Borden und Stickereien. „Die Tracht ist ein zeitloses Kleidungsstück, gut kombinierbar und auch heute noch überall hin anziehbar“, betonte die Schneidermeisterin. Seit jeher sind die verwendeten Woll- und Samtstoffe lange haltbar und damit auch nachhaltig. „Die Mieder, die ein wichtiges Details der fränkischen Tracht sind, können auch mal zu einer Jeans getragen werden“, kokettierte Maria Sauer, die als jüngste Teilnehmerin die verschiedenen Kleidungsstücke beschrieb.
Sehnsucht nach Identität
Selbst die erfahrenen Näherinnen waren sich einig: „Wir haben sehr viel Neues dazu gelernt.“ Und weiter betonte Sauer, dass gerade jetzt, in der Coronazeit, das Selbstgefertigte wieder einen neuen Stellenwert bekomme. Das habe auch etwas mit der Sehnsucht nach Regionalität und Identität zu tun.
Die Gestaltung und die Auszier einer Tracht bringt politische, soziale, ökonomische und kulturelle Besonderheiten zum Ausdruck. Die Stände der Bevölkerung wurden einst durch Kleidung bezeugt; ebenso die Unterscheidung zwischen Land- und Stadtbewohnern.
Besonders aufwändig wurden einst die „Mutzen“ gearbeitet. Das ist das Oberteil, dessen hoch gestellten, steifen Keulenarme sogar mit einem Pappdeckel verstärkt wurden. In der neuen Tracht geht es eher leger zu. Beim Trachtenschneiderkurs in Schwebenried wurden die Oberteile ärmellos als Westen oder Mieder gearbeitet. Geschmückt wurden sie mit Zacken, die an den fränkischen Rechen erinnern. Letztere sind mit Paspeln oder Schrägband verstürzt oder eingefasst.
Kette als Verzierung
Das Aufnähen der von Hand gelegten Rüschen war eine Herausforderung für alle Teilnehmerinnen. Wer es ganz schmuck wollte, konnte das Mieder zusätzlich mit einer Kette verzieren.
Bei der Auswahl des Rockmaterials wurde auf einfarbige oder gemusterte Woll- und Samtstoffe zurückgegriffen. Diese wurden mit Paspeln, Borden ausgestattet oder auch ohne Verzierung genäht. „Der höchste Schwierigkeitsgrad sei das Legen von Kellerfalten oder das Plissieren des Rockstoffes gewesen“, so Moderatorin Maria Sauer. Damit die Falten dauerhaft halten, wurde der Stoff von einer Fachschneiderei mittels Pappschablonen fixiert und dann mit Wasserdampf und hohem Druck gepresst.