Jahrzehnte war Frammersbach das Mekka für Modebewusste. Nun läuft der Räumungsverkauf bei "Hartmann It's fashion" mitten im Ort. Wenn das Geschäft spätestens am Jahresende schließt, tritt ein weiterer Akteur von der Bühne des einstigen Bekleidungszentrums ab und einzig das Modehaus Mill führt die Branche fort, die zu ihrer Blütezeit vor 40, 50 Jahren von fünf großen Geschäften geprägt wurde.
Zu den Gründen für die Schließung von "Hartmann It's fashion" wollte sich Inhaberin Marianne Hartmann gegenüber der Redaktion nicht äußern. Lediglich, dass die Corona-Pandemie auch eine Rolle spiele, teilte sie mit.
Weitere Nutzung offen
Der Mietvertrag läuft laut Hartmann bis Jahresende. So lange sei Zeit, sie wolle flexibel je nach Verlauf des Abverkaufs reagieren. In den beiden Filialen in Lohr und Marktheidenfeld, die von der Schließung in Frammersbach nicht betroffen seien, würden die drei Beschäftigten übernommen. Personal war bereits 2002 abgebaut worden, als das Modehaus Hartmann schon einmal geschlossen hatte. Nach Auskunft von Bürgermeister Christian Holzemer hat der Besitzer des Gebäudes vor etwa drei Jahren einen Bauantrag für eine umfangreiche Umnutzung, die auch Mietwohnungen vorsieht, bei der Gemeinde eingereicht. Der Antrag sei seinerzeit genehmigt worden. Über eine weitere Nutzung habe er keine Informationen.
Das Modehaus Hartmann nimmt eine Sonderstellung ein: Im Gegensatz zu den Modehäusern Aull, Kirsch & Co., Friedel und Mill liegen seine Wurzeln nicht in der eigenen Produktion. Der Ursprung war keine Kleiderfabrik.
Mit Schuhen und Café
Der Aufstieg Frammersbachs zum Modezentrum hatte 1959 begonnen, als Franz Aull, Max Kirsch und Edmund Mill die Firma Kirsch & Co. gründeten. Franz Aull und Edmund Mill machten sich wenige Jahre später selbstständig. Zu der Zeit gründete auch Willi Friedel seinen Betrieb. Verkauften sie anfangs die Ware aus ihren Schneidereien als Reisende, kamen später die Ladengeschäfte hinzu. Mehr und mehr wurde nicht nur die Eigenmarke verkauft.
Lag der Schwerpunkt zunächst mehr auf Herrenausstattung, erweiterten sie ihr Angebot auf Damenmode, Accessoires und teilweise sogar Schuhe. Um das Einkaufserlebnis zu steigern, richteten die Modehäuser Hartmann und Aull Cafés in ihren Verkaufsräumen ein.
Der damalige Erfolg der Frammersbacher Geschäftsleute lässt sich daran ablesen, dass bald nach Eröffnung ihrer Läden Filialen hinzukamen. Aull-Kleidung war auch in Marktheidenfeld und Langenselbold vertreten, Kirsch & Co. in Städten wie München und Essen, aber auch in Lohr, und Kleiderfabrikant Willi Friedel war unter anderem in Mannheim und Bad Orb aktiv.
Kunden weit über den Ort hinaus
An den verkaufsoffenen Sonntagen platzte die Marktgemeinde Frammersbach aus den Nähten. Vor allem aus der hessischen Nachbarschaft, dem Aschaffenburger Raum sowie Lohr und seiner Umgebung kamen viele Kunden nicht zuletzt wegen des Angebots an Bekleidung.
Beliebt waren die Modenschauen, an denen sich auch Inge Lindner mit ihrer Boutique und Schneiderei "Schickeria" beteiligte und die einige Jahre die Szene ergänzte.
Nestwärme und Service
Immer höherer Kostendruck in der Textilbranche, der plötzliche Tod des Geschäftsführers, Generationswechsel und unternehmerisches Missgeschick – all diese Faktoren spielten mehr oder weniger mit, dass es von 1984 bis 1990 zu Insolvenzen kam. Die Modehäuser Aull, Kirsch & Co. sowie die Friedel Moden GmbH sind seither Geschichte. Wolfgang Mill, der das Modehaus von seinem Vater Edmund Mill übernommen hat, sieht sich mit seinem Angebot im mittleren Preissegment und dem Markenspektrum, das er anbietet, gut aufgestellt. »Wichtig ist, dem Kunden Nestwärme und Service zu bieten.« Dazu gehöre auch, die Online-Kanäle zu pflegen, auf denen seine Frau Maria sehr aktiv sei.