Neue Winterstiefel, ein warmer Strickpullover, eine weiche Bommelmütze – das sind Kleidungsstücke, auf die in den kalten Monaten Januar und Februar niemand verzichten möchte. Main-Spessarts Mode- und Schuhhändler haben aktuell reichliche Winterware am Lager, der Lockdown lässt ihnen jedoch nur noch wenig Möglichkeiten, um diese an den Mann zu bringen. Wie geht es weiter für die Branche?
Stefanie Naun betreibt zusammen mit ihrer Mutter das Schuhhaus Leininger am Marktheidenfelder Marktplatz und das Modegeschäft Modebar in der Bronnbacher Straße. Sie sagt: "Es ist dramatisch, was in der Branche gerade passiert." Auf die Dauer macht sich die Familie Gedanken, wie lange sie den Laden noch halten kann, denn das Ladenlokal der "Modebar" ist angemietet. Das Gebäude des Schuhhaus Leininger hingegen ihr eigenes. "Wenn der Lockdown noch bis Ostern geht, dann werden wir die Modebar nicht wieder aufmachen können", so Naun. Gerade der März sei ein starker Monat, den brauche man. Zudem stehe die Frühjahrsware vor der Tür.
Ware verliert täglich an Wert
Ähnlich kritisch sieht Walter Väthjunker, Geschäftsführer der Väthjunker Mode GmbH in Marktheidenfeld, die derzeitigen Aussichten in der Textilbranche. Seine Firma betreibt sieben Bekleidungsgeschäfte in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg, zwei davon in Marktheidenfeld: Cecil am Marktplatz und Esprit in der Obertorstraße. Das Schlimmste für ihn: "Unsere Ware wird täglich weniger wert", erklärt er.
Besonders ärgert ihn, dass von der staatlichen Hilfe bisher noch nichts angekommen ist. Sowohl das Kurzarbeitergeld für November und Dezember als auch die Überbrückungshilfe hat er beantragt. Ersetzt werden laut Wirtschaftsministerium 40 Prozent der förderfähigen Fixkosten bei einem Umsatzeinbruch zwischen 30 und 50 Prozent. Bisher steht er aber seit mehreren Wochen ohne Einnahmen da. Dabei laufen die Gehälter und Fixkosten weiter. "Die Gastronomie bekommt 75 Prozent ihres Umsatzes ersetzt und wir Händler gehen nahezu leer aus", beklagt er.
Die Insolvenzgefahr sei groß, so Väthjunkers Einschätzung. Die Insolvenz von Adler, einem der größten Modehändler Deutschlands, überrasche ihn insofern nicht. Im Februar gebe es die letzte Chance, Winterware loszuwerden. "Wenn der Lockdown anhält, kann ich die Ware nur noch entsorgen, wie ein Obsthändler", so Väthjunker. Um das zu verhindern verkauft er einige Winterteile über Ebay. Allerdings sei der Gewinn dabei minimal.
Und die nächsten Lieferungen stehen vor der Tür. "Wenn ich mit Fabrikanten spreche, heißt es: Was bestellt ist, wird geliefert und muss bezahlt werden", so Väthjunker. Allerdings wären manche aufgrund der Lage kulanter in den Zahlungszielen oder würden andere Anreize geben.
Ware hat lange Vorlaufzeit
Der Bestellrhythmus der Branche stellt auch Isabell Schumm-Schürr und ihren Mann Jörg Schumm vor Herausforderungen: Die Herbst-Winterware für ihre zwei Schuhgeschäfte in der Lohrer Innenstadt mussten sie bereits im vergangenen Frühjahr ordern, mitten im ersten Lockdown. "Damals sind wir das Risiko eingegangen, da hieß es, es werde keinen Lockdown in dieser Form mehr geben", erinnert sich Isabell Schumm-Schürr. Jetzt wäre es an der Zeit für Winter 2021 einzukaufen – doch die Unternehmer warten zunächst ab. "In unserer Branche ist es üblich, dass die Ware sofort bezahlt wir. Wir bekommen nichts auf Kommission."
"Click & Collect" ist im Moment die einzige Möglichkeit für die Einzelhändler in Main-Spessart. Schumm-Schürr und ihr Mann sind täglich damit beschäftigt, Schuhe zu fotografieren und Kundenanfragen zu beantworten. "Es ist toll, dass unsere Stammkunden so an uns denken", sagt die Unternehmerin. Trotzdem sei das Abhol-Modell nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
So geht es auch Stefanie Naun: Im Schuhhaus Leininger laufe ein bisschen was im Bereich Kinderschuhe. Auch habe man hier ein virtuelles Schaufenster, in dem man schauen kann, in welchen Größen der gewünschte Schuh noch vorhanden sei. Doch der Bedarf sei gering. "Die Leute haben sich schon eingedeckt", sagt Naun.
Händler hoffen auf gutes Wetter und Veranstaltungen
Jürgen Müller, der in Lohr und Zellingen Modehäuser und in Lohr außerdem ein Geschäft mit Kindermode betreibt, hat sich gegen einen Online-Shop entschieden: "Wir hatten zuvor einen guten Zulauf unserer treuen Kunden. Größensätze vieler Artikel waren deshalb nicht mehr vollständig." Stattdessen können auch bei ihm Kunden per Mail oder telefonisch bestellen und sich eine Auswahl liefern lassen. "Wir freuen uns über jeden Zuruf."
Er habe schon einen zweiten Lockdown befürchtet und seine Waren-Bestellungen daher vorsichtiger platziert. "Wir haben deshalb auch keinen Überbestand an Waren", sagt Müller. Einen Saison-Schlussverkauf werde es dennoch geben.
Was die Branche jetzt bräuchte? Schnelle und unbürokratische Hilfe vom Staat, Kulanz auf Seiten der Firmen, und wenn die Geschäfte wieder öffnen dürfen "schönes Wetter, gute Laune und auch wieder ein paar Festlichkeiten und Veranstaltungen" sagt Jörg Schumm vom Lohrer Schuhgeschäft. Klar, wer im Home Office sitzt, der investiert allenfalls in gemütliche Pantoffeln. Abi-Bälle, Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, das sind die Anlässe, für die man sich ein neues Paar Schuhe gönnt.