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MITTELSINN
Mittelsinn zeigt sich offen für Flüchtlinge
So gelingt Integration: In der Mittelsinner Informationsveranstaltung mit den ersten afghanischen Flüchtlingen boten spontan viele Bürger ihre Mithilfe und Unterstützung an.
Foto: Jürgen Gabel | So gelingt Integration: In der Mittelsinner Informationsveranstaltung mit den ersten afghanischen Flüchtlingen boten spontan viele Bürger ihre Mithilfe und Unterstützung an.
Jürgen Gabel
 |  aktualisiert: 31.01.2016 03:29 Uhr

„Wir möchten den im Ort angekommenen Flüchtlingen mit christlicher Toleranz begegnen, ihnen zeigen, dass sie willkommen sind“. Diese Aussage des dritten Bürgermeisters Hans-Georg Linke in der Informationsveranstaltung gab die Grundstimmung der interessierten Bürgerschaft wieder.

Nicht einmal eine Woche nach dem Eintreffen der ersten Flüchtlinge im ehemaligen Gasthaus in der Brunnenstraße hatte Bürgermeister Peter Paul mit der öffentlichen Versammlung reagiert. Der Schulungsraum im Feuerwehrgerätehaus platzte aus allen Nähten, und vor der Türe warteten noch viele auf Einlass: Kurzerhand fuhr die Feuerwehr ihr großes Löschfahrzeug aus der Fahrzeughalle, und die inzwischen knapp 100 Köpfe zählende Versammlung zog mit ihren Stühlen um.

Obersinns zweiter Bürgermeister Rudolf Dill, der bereits mit Hans-Georg Linke in Burgsinn im Rahmen der Ersteinweisung Flüchtlinge betreut, berichtete, dass unter den Ankömmlingen Analphabeten wie auch Hochschulabsolventen seien. Wichtig sei es, Kontakte aufzubauen. Dill freute sich, dass „meine Obersinner Familie aus Afghanistan“ mit sechs Personen gekommen war. Ebenso begrüßte er Mittelsinns neun Flüchtlinge. Es werden noch 21 weitere erwartet. Dills erste Bitte war, Fahrräder zu spenden, damit die Menschen etwas mobiler sein können. Die Annahmestelle für die Räder ist der Bauhof.

Auch Pfarrer Gunnar Zwing hieß die Flüchtlinge willkommen. Er stellt die Vermittlung der deutschen Sprache in den Vordergrund. Die Vermieterin des ehemaligen Gasthauses, Corinna Heil, erklärte, dass derzeit neun Personen eines Familienverbandes, alle mit dem selben Zunamen, eingezogen seien und an diesem Donnerstag, 28. Januar, drei weitere Familien eintreffen. Von den Afghanen spreche zurzeit noch niemand Deutsch. Deswegen, besonders aber wegen einer Hochschwangeren steht ganztags ein Dolmetscher ganztags im Haus zur Verfügung.

Als Zeitzeugen hatte Bürgermeister Paul den 35-jährigen Skender Ibishaj eingeladen, der vor 26 Jahren als Neunjähriger aus dem Kosovo nach Mittelsinn gekommen ist und Beispiel einer gelungenen Integration sei. Er hatte seinerzeit kein Wort Deutsch gesprochen, alles war ihm fremd gewesen; Nachbarn hatten spontan geholfen und zum Beispiel Kleidung gebracht. „Für mich waren die ersten Jahre sehr schwer, und ich war wie in Dunkelheit“, erzählte Skender Ibishaj. Als Kind habe er immer Heimweh gehabt; doch die Familie konnte nicht zurück, da in Jugoslawien inzwischen der Krieg ausgebrochen war.

Gelungene Integration

Skender Ibishaj ging hier zur Schule, machte eine Ausbildung, spielt Fußball im Turnverein, gründete eine Familie und kaufte sogar ein Haus. „Ich erinnere mich nur an herzliche Begegnungen“, sagte der voll integrierte Mittelsinner. Er bewerte es als toll, wenn die Ortsbürger die jetzt hier ankommenden Flüchtlinge, die sicherlich seelische Schmerzen hätten, unterstützen und bei der Integration helfen wollen.

Jan Zeller vom Obersinner „Helfer-vor-Ort“-Team berichtete von Erfahrungen aus umliegenden Dörfern und Städten. So hätten die Flüchtlinge bei einer Erkrankung einfach nur Angst, da sie nicht wissen, wohin sie sich wenden können. Wenn beispielsweise jemand im Rettungswagen mitgenommen werde, gebe es Panik. Die schlechte Verständigung ist seiner Meinung nach das größte Problem.

Rudolf Dill erklärte die in diesem Monat auf den Markt gekommene Smartphone-App „Ankommen“, die verschiedene Sprachen anbiete. Auch Raimund Gayer, der Chef der örtlichen Initiative „Die helfende Hand“ versprach Unterstützung. „Wir würden gerne helfen, aber es scheitert an der Verständigung.“

Unter dem Beifall der Mittelsinner stellte Peter Paul die afghanischen Flüchtlinge einzeln vor, die alle aus der Sammelunterkunft Arnstein kommen. Seiner Einschätzung zufolge sollten die Schulkinder so schnell wie möglich die Mittelschule in Burgsinn besuchen und die Kleinkinder den örtlichen Kindergarten, denn: „Die Kinder nehmen am schnellsten die neue Sprache an.“

Die Mutter eines Kindergartenkindes sorgte sich um die eigenen Kinder wegen möglicher Krankheiten der Neubürger. Jane Schaal bestätigte, dass alle afghanischen Kinder die nötigen Untersuchungen hinter sich hätten und geimpft seien. Eine Kindergartenmitarbeiterin wies auf die strengen Hygienevorschriften in ihrer Einrichtung hin.

Helferkreis gründet sich

Auf Peter Pauls Frage nach Freiwilligen zur Gründung eines Helferkreises gab es zahlreiche spontane Meldungen. Interessenten können sich weiterhin bei Hans-Georg Linke (Tel. 0 93 56/93 40 64) oder Norbert Ball (0 93 56/97 75 39) melden.

Eine Mittelsinnerin bat um Hinweise, wie mit den Erwachsenen umgegangen werden soll und wie Integration funktioniere. Norbert Ball dankte dem Turnverein, der zwei Jungs ins Fußballtraining aufnehmen werde und sogar Fußballschuhe spendiere. Ein anderer Bürger schlug einen Rundgang durch das Dorf vor, um bestimmte Einrichtungen vorzustellen. Die gemeinsame Erstorientierung der Flüchtlinge aus Mittelsinn und Obersinn könnte in der alten Schule vorgenommen werden, bot Hans-Georg Linke an. Es gelte, einfache Begriffe zu erlernen. Er signalisierte Bereitschaft, Sprachunterricht zu geben, bat aber um einige Unterstützer.

Rudolf Dill wusste von gut angenommenen Spielenachmittagen in Burgsinn, und Corinna Heil könnte sich Gartenbeete in den „Aspen“ für den Gemüseanbau vorstellen. Eine Beschäftigung sei notwendig, um der Tristesse vorzubeugen, meinte Peter Paul. „Wir hätten in Mittelsinn Potenzial für einfache Arbeiten.“ Linke forderte dringend den Besuch des Flüchtlingsbeauftragten der Caritas in Mittelsinn. Der kenne die rechtlichen Bedingungen, wisse über Sprachausbildung Bescheid und kenne Dolmetscher. Ein anderer Bürger schlug einen Kaffeetreff zum gegenseitigen Kennenlernen vor.

 
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